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Jorge Cadima: Es riecht nach Krieg

Aus dem «Avante!» (3.3.2011): Die Aufstände in der arabischen Welt widerspiegeln und verstärken ihrerseits die grosse Krise des globalen Kapitalismus. Eine der tragenden Säulen des nordamerikanischen Imperialismus – seine Kontrolle der Energievorräte des Mittleren Ostens – wird gründlich erschüttert. Der Imperialismus investiert sein ganzes Arsenal, um die Ereignisse zu bremsen oder in “akzeptable” Richtungen zu kanalisieren. Und er versucht, die Initiative zurück zu gewinnen.

Das Vorgehen des Imperialismus gegenüber Libyen muss auch in dieser Optik analysiert werden. Die offiziellen und medialen Reaktionen unterscheiden sich deutlich von denen, die in den Fällen von Tunesien oder Ägypten registriert wurden. Diesmal fehlen die vorsichtigen Analysen über den “geordneten Übergang”. Es gibt keine “Gefahr des islamischen Fundamentalismus”. Auf die Bühne getreten ist die Propaganda- und Desinformationsmaschine, welche den imperialistischen Interventionen politischer und militärischer Natur vorangeht.

In einer einzigen Woche konnten wir die Märchen von den “3000 Toten in Timișoara”, den “Bébés, die in Kuwait von Saddams Soldaten aus den Inkubatoren gerissen wurden”, vom “Genozid an den Kosovo-Albanern”, von den “Massenvernichtungswaffen” wiedererleben. Das englische Aussenministerium wird in die Annalen der Diplomatie (und der Provokation) eingehen mit der Behauptung, im Besitz von Informationen zu sein, dass Gadhafi auf dem Weg nach Venezuela sei.

Der Imperialismus, der verantwortlich für Hunderttausende von Toten allein in den Kriegen der letzten Jahre ist, vergiesst Krokodilstränen für die Repressionsopfer des libyschen Regimes, um sich den Weg für ein neues Verbrechen frei zu machen.

Lange ist es her, dass sich das libysche Regime durch seinen Anti-Imperialismus charakterisierte. Seit Jahren überwiegt die wirtschaftliche, aber auch politische und geheimdienstliche Zusammenarbeit mit den imperialistischen Mächten. Feinde sammelt Gadhafi heute unter den fortschrittlichen Kräften der arabischen Welt und des Mittleren Ostens.

Aber seine Zusammenarbeit mit dem Imperialismus hindert diesen nicht, ihn zu opfern. Die imperialistische Intervention – die bereits im Gange ist – ergibt sich nicht allein aus den enormen Energiequellen Libyens, das die grössten Erdölvorräte Afrikas besitzt. Sie entspricht auch dem Versuch des Imperialismus, die Initiative wiederzugewinnen, und sich militärisch in einem Land festzusetzen, das an Ägypten und Tunesien grenzt, und dient damit als Warnung an andere im arabischen Raum in Gang befindliche Volkserhebungen (von Jemen bis Bahrain, Sitz der 5. Flotte der USA), und soll gleichzeitig den Druck auf seine gefährdeten nächsten Verbündeten lindern (daher der Enthusiasmus von Al Jazeera und von Al Arabiya für Libyen), angefangen bei Saudi-Arabien, einer der barbarischsten pro-amerikanischen Diktaturen, Zentralstück der imperialistischen Beherrschung der Region, Zentrum zur Förderung des rückständigsten und reaktionärsten Fundamentalismus, aber immer ausgespart durch die “Kommentatoren” vom Dienst. Und, wer weiss, vielleicht versucht man auch, endlich einen Sitz in Afrika für das US Africa Command (Africom) zu finden…

Die Massenmedien machen ein grosses Wesen um die Visite des englischen Premierministers in Kairo als “die erste nach dem Sturz Mubaraks”. Aber es handelte sich um die letzte Abänderung in einer Reise in undemokratische Golfstaaten, in Begleitung von acht der wichtigsten britischen Waffenhersteller. Zur gleichen Zeit war auch “der britische Verteidigungsminister an der grössten Waffenmesse der Region, in Abu Dhabi, wo 93 weitere britische Firmen ihre Produkte anbieten” (Guardian, 21.2.2011).

Es ist ein Zeichen der Zeit, wenn der wichtigste politische Kommentator1 des konservativen Blattes Daily Telegraph schreibt (24.2.2011): «Die Imperien können im Verlauf einer Generation zusammenbrechen […] Heute ist es vernünftig zu fragen, ob die Vereinigten Staaten, die vor einem Jahrzehnt unbesiegbar schienen, nicht auch diesen Weg gehen werden. Amerika erlitt zwei schwere Schläge in den letzten drei Jahren. Der erste war die Finanzkrise von 2008, deren Konsequenzen sich noch nicht wirklich gezeigt haben. […] jetzt scheint das Jahr 2011 den Stutz vieler Regimes zu markieren, die in der arabischen Welt in Amerikas Diensten standen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Ereignisse die stubenreinen Richtung einschlagen werden, welche man im Weissen Haus gern gesehen hätte. […] Die grosse Frage ist, ob sich Amerika mit der Herabsetzung seiner Statuts liebreizend abfinden wird, oder ob es mit Gewalt antworten wird, wie dies in der geschichtlichen Tendenz die Imperien tun, wenn sie in Schwierigkeiten sind.»

Die Ereignisse dieser Tage geben Antworten auf diese Fragen. Es liegt an den Völkern zu verhindern, dass der nordamerikanische und europäische Imperialismus in ihrem historisch unvermeidlichen Niedergang die Menschheit in der Katastrophe versenken.

Quelle: José Cadima: Ventos de guerra – Avante nº 1.944, 3 de Março de 2011 – Übers. aus dem Portugiesischen: kommunisten.ch (leicht gekürzt)

1 nämlich Peter Oborne


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