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Du. Pfarrer auf der Kanzel. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst den Mord segnen und den Krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins: Sag NEIN ! (Wolfgang Borchert)

Der «Vorwärts» begrüsst den Libyenkrieg

Ja zur imperialistischen Einmischung in ein souveränes Land und zum Angriffskrieg auf ein friedliches und blockfreies Mitglied der Völkergemeinschaft sagt der «Vorwärts», und er tut dies mit dem Anspruch, damit eine “linke” Position zu vertreten, und zwar die einzig legitime Position, die es “aus Sicht westlicher Linker” geben darf. Die «Vorwärts»-Ausgabe vom 8. April 2011 ist “ganz der arabischen Revolution” gewidmet. Den eigentlichen Schwerpunkt bilden die Vorgänge in und um Libyen.

Es ist leider wohlbekannt, dass der «Vorwärts» immer wieder den Imperialisten nach dem Munde zu reden bestrebt ist. Innerhalb der Partei der Arbeit (PdA) wird diese Orientierung der Redaktion auch kritisiert. So etwa, wenn der «Vorwärts» eine abwiegelnde Haltung zu den Bluttaten der Zionisten einnimmt. So etwa, wenn er sich getreu nach der Agenda der Imperialisten richtet, ihre Propaganda-Kampagnen gegen bestimmte Staaten mitmacht und ihre Argumente (“Menschenrechte”) wiederkäut. Die Redaktion brachte es fertig, zum Gazakrieg im Januar 2009 zu schweigen und dafür die Geschichte eines verhafteten uigurischen Studenten als grosse Story herauszubringen. Kritisiert wird ebenso die auffallende Konzentration von Artikeln gegen die Islamische Republik.

Aber noch selten ist der «Vorwärts» so schändlich tief gesunken wie in diesem Fall des Libyenkrieges. So tief, dass der Punkt erreicht ist, der die PdA aufrütteln müsste. Der «Vorwärts» wirft sich vor dem Imperialismus in den Staub und liest ihm dankbar Wort für Wort von den Lippen. Der wichtigste Artikel stammt aus der Feder von Redaktionsmitglied Marco Geissbühler (mgb) und steht unter dem Titel:

Ein linkes Ja zur militärischen Intervention?

Dieser Artikel provoziert einige Kommentare und soll hier (mit Ausnahme einer Passage über Sarkozys innenpolitisches Kalkül) vollständig zitiert werden. Er beginnt mit dem Lead:

«mgb. Am 23. März gab das Schweizerische Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) der Allianz gegen Gaddafi grünes Licht für militärische Überflüge. Bereits zwei Tage zuvor bewilligte der Bundesrat einen Truppen- und Gütertransport der britischen Armee durch die Schweiz. Welche Haltung kann die Schweizer Linke zu diesen Massnahmen einnehmen?»

Soviel Amtsschimmel mag befremden in einer Zeitung, die sich in einem Selbstporträt vor einem Jahr als “zickig” bezeichnete. Der Gerechtigkeit halber sei gesagt, dass das Wort damls als Adverb verwendet wurde, was den Unfug allerdings zur Vollendung trieb: “Es gibt ihn noch, den ‘vorwärts’. Parteiisch, unabhängig, zickig und kritisch analysieren wir die herrschenden Verhältnisse …” («Vorwärts», 1.-Mai-Ausgabe 2009) Der nicht “zickigen” Einleitung des Libyen-Artikels ist immerhin zugute zu halten, dass ein Minimum an Recherche dahinter steckt: Genaue Bezeichnung der so-und-sovielten untergeordneten Verwaltungseinheit, welche einen Beschluss des Bundesrats ausführt plus präzise Angabe des Ausfertigungsdatums ihres Bescheids. Schade nur, dass solcher Aufwand für Nebensächlichkeiten unpolitischer Natur betrieben wird, während der Artikel ansonsten jede Spur von Gründlichkeit vermissen lässt.

Der Autor verzichtet darauf, real existierende Gegenpositionen darzulegen und sich mit diesen auseinanderzusetzen. Um sich von dieser lästigen Pflicht zu befreien, beginnt er mit einem Manöver, das eine plumpe Attacke zur billigen Abfertigung solcher Gegenpositionen vorbereiten soll:

«Die Ereignisse, welche seit Anfang dieses Jahres im nordafrikanischen und arabischen Raum ihren Lauf nehmen, lassen sich bisher nur schwer in unseren althergebrachten Deutungsmuster verorten. …»

Von was für “althergebrachten Deutungsmuster(n)” hier die Rede ist, erfahren wir nicht. Immerhin wird zur Kenntnis gebracht, dass es die “unseren” sind, worunter der Autor abwechslungsweise die “Schweizer Linke” oder die westliche Linke (“aus Sicht westlicher Linker”) meint. Ebenso wenig verrät uns der Autor, nach was für einem neuen und besseren Muster er selbst die Dinge interpretiert, bzw. welche musterfreie Methode seiner Arbeit zugrunde liegt. Vermutlich stehen wir hier vor einem Anwendungsfall des Verfahrens der zickigen Analyse.

«… Entsprechend fällt auch die Reaktion innerhalb der Linken betreffend der militärischen Intervention in Libyen und der Schweizer Unterstützung derselben aus. Während einige schweigen, flüchten sich andere in unverständliches Geschwurbel und leere Worthülsen. Man flüchtet sich in – für uns als Linke – offensichtliche Allgemeinplätze und druckst sich so um die entscheidende Frage herum: Ist die militärische Intervention in Libyen als legitim zu betrachten?»

“Entsprechend” seiner im Dunkeln bleibenden Anspielung im Vorsatz zieht der Autor folgenden rätselhaften Schluss: Die Linke zerfällt in folgende zwei relevanten Gruppen: die einen Linken schweigen überhaupt und die anderen winden sich um die Kernfrage. Was denn beides darauf hinausläuft, dass sie nichts gesagt haben. Jedenfalls nicht zur entscheidenden Frage, die erst noch der Entdeckung durch mgb bedurfte, der nunmehr triumphierend verkündet, dass er den Kontinent als erster gesichtet hat: die Legitimitätsfrage.

Da muss sich ein «Vorwärts»-Redaktor aber einige Fragen gefallen lassen: Wer bitte hat geschwiegen? Hat die Partei der Arbeit (PdA) geschwiegen? Haben die Kommunistischen und Arbeiterparteien der Welt geschwiegen? Nein, das haben sie nicht. Hat das Zentralkomitee der PdA in seiner Stellungnahme oder haben die 60 Kommunistischen und Arbeiterparteien in ihrer gemeinsamen Stellungnahme sich in “unverständliches Geschwurbel”, in “leere Worthülsen, in “offensichtliche Allgemeinplätze” geflüchtet und um die Frage herum gedrückt, ob der Krieg gegen Libyen gerecht bzw. “als legitim zu betrachten” sei? Nein, sie alle haben in unmissverständlichen Worten den Angriff auf Libyen und dessen Deckung durch die UNO verurteilt, und sie haben den imperialistischen Charakter dieses Krieges klargestellt. Und wohlgemerkt haben die PdA sowohl wie die Unterzeichner der Gemeinsamen Erklärung dabei (im Gegensatz zur KPÖ und anderen “Linksparteien”) nicht die geringste Konzession an den Imperialismus, seine Kriegsvorwände und seine Handlanger in Bengasi gemacht.

Ist dies dem «Vorwärts» alles unbekannt geblieben? Oder rechnet er die PdA Schweiz und die Kommunistischen Parteien der Welt nicht zur Linken?

«So liegt es natürlich auf der Hand, dass die so genannte “Koalition der Willigen” und die NATO nicht aus reiner Menschenliebe Angriffe gegen die Stellungen Gaddafis fliegen. Handfeste wirtschaftliche Eigeninteressen spielen dabei ebenso eine Rolle, wie innenpolitisches Machtkalkül. (…) Klar ist auch, dass Libyen durch die militärische Intervention nicht zu einem demokratischen Staat wird. Die imperialistischen Interventionisten haben ebenso wenig Interesse an einer wahren Demokratie in Libyen, wie sie es in Afghanistan oder im Irak hatten. Genauso korrekt wie offensichtlich ist die Kritik, dass der Westen zum Zeitpunkt der Intervention nicht alle zivilen Handlungsmöglichkeiten gegenüber Gaddafi ausgeschöpft hatte. So hätte man sich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt viel intensiver um Vermittlungen bemühen sollen. Zudem wäre auch denkbar gewesen, das Regime stärker wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Beides haben westliche Regierungen (vorsätzlich?) unterlassen.»

Das abschnittseinleitende “So” präzisiert, dass die auf der Hand liegende Sache dort nicht einfach so liegt, sondern aus einem bestimmten Grund. Grammatikalisch genommen, bezieht sich das Wörtchen “so” auf die Hauptaussage des vorderen Abschnittes (dass die Linke bisher geschwiegen habe). Jeder Logikcomputer, den mgb mit seinen Aussagen füttert, wird unerbittlich ausspucken, was dabei für ein Unsinn herausschaut: Hätte die Linke nicht geschwiegen, dann läge es nicht “so” auf der Hand, sondern so: dann müsste die NATO aus reiner Menschenliebe bombardieren.

Der gesamte Abschnitt bildet die übliche Form der Einleitung, welche einige verbale Konzessionen an allgemein anerkannte Tatsachen oder Grundsätze macht, und die zum Beweis der eigenen Linksgerichtetheit auch mal die NATO als imperialistisch betitelt, bevor sie dann mit dem “Aber” zur Sache, das heisst zur entgegengesetzten Hauptaussage überleitet. Das erwartete, jede vorher gemachte Konzession entwertende und jeden abstrakt anerkannten Grundsatz beiseite schiebende konkrete “aber” findet sich am Anfang der folgenden Passage:

«Der springende Punkt, der bei dieser Kritik vergessen wird, ist aber: In dem Moment, in welchem mit der UNO-Resolution 1973 über die militärische Intervention entschieden wurde, gab es keine zivilen Handlungsalternativen mehr. Die Uhr stand auf fünf vor zwölf. Die Truppen Gaddafis standen vor den Toren Bengasis und die Rebellen waren militärisch zu schwach, um ihren Widerstand aufrechtzuerhalten. Die Aufstände in Libyen wären in Blut ertränkt worden. Keine zivile Handlungsmöglichkeit hätte dies zu jenem Zeitpunkt verhindern können. Folgerichtig forderten auch die Widerständischen selbst Luftangriffe durch fremde Streitkräfte gegen die Stellungen Gaddafis.»

Dieser Abschnitt besteht in der vollständigen Übernahme der Kriegsvorwände der Aggressoren, die versuchen, ihren Angriff unter der Tarnkappe der humanitären Aktion vorzutragen.

Der Umstand, dass in einem Bürgerkrieg die eine Seite sich militärisch nicht halten kann, wird ohne nähere Untersuchung als Rechtfertigung für ausländische Einmischungen betrachtet. Nach dieser “Legitimationslehre” hätte sich der Hof in Wien im Recht befunden, sich im Sonderbundskrieg 1847 in der Schweiz einzumischen und die jesuitisch geführte Reaktion zu unterstützen, denn diese war “militärisch zu schwach, um ihren Widerstand aufrechtzuerhalten.”

Dass Gaddafi ein Blutbad vorschwebte, wird ohne Umschweife als unumstössliche Tatsache hingestellt. Dass es “fünf vor zwölf” war, ist eine Behauptung, welche davon zeugt, dass der Autor die Tatsachen nicht kennt oder unterschlägt, darunter die Tatsache, dass Libyen einen UNO-Beobachter eingeladen hatte, und dass die Afrikanische Union einen Versuch zur friedlichen Beilegung der innerlibyschen Konflikte unternahm. “Fünf vor zwölf” war es insofern für die Imperialisten, als sie mit ihrem Angriff den unmittelbar drohenden Erfolgen der Diplomatie zuvorkommen mussten.

Diese ganze Passage erinnert schmählich an die Erklärung des SPD-Abgeordneten Haase im August 1914, der “in der Stunde der Not” den proletarischen Internationalismus und die Schwüre des Baseler Kongresses verriet und dabei zu behaupten wagte: “Wir fühlen im Einvernehmen mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkennt, wenn wir in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen.”

«Aus Sicht westlicher Linker gibt es meiner Meinung nach nur eine legitime Position: sich hinter die Befreiungsbewegungen in den arabischen Staaten zu stellen, solange diese für eine wirkliche Emanzipation aus Unterdrückung und Ausbeutung kämpfen. …»

Wer seinem Gaul Scheuklappen anbindet, drängt diesem Subjekt des Erkennens eine bestimmte Sicht auf. “Nur eine legitime Position” erblicken soll nach Meinung von mgb nicht ein Pferd, sondern jedes Subjekt, das sich zur westlichen Linken rechnet und die verbindlich damit verbundene Sicht einnimmt. Wer oder was ist diese westliche Linke? Worin besteht ihre Westlichkeit und was unterscheidet sie von der Nah- und Fernöstlichen ? Bestehen vielleicht Bündnisgelegenheiten mit der Süd-südöstlichen? Offenbar bedient sich der Autor hier einer neuen Methode, die nach dem Prinzip der Windräder arbeitet, und beschämt unserereinen, der bei der Qualifizierung von Teilen der “Linken” immer noch mit dem “althergebrachten Deutungsmuster” nach politischen Richtungen arbeitet.

Dass der Krieg gegen Libyen auch eine Episode im Krieg das Völkerrecht und die UNO-Charta darstellt, dass dieser Krieg gegen ein souveränes Land und UNO-Mitglied geführt wird und dass er die Fortsetzung der Einmischungspolitik mit gewaltsamen Mitteln bedeutet, das alles geht bei der Legitimitätsprüfung von mgb unter. Worin besteht nun die einzig legitime Position? Sie wird generalisierend und abstrakt bestimmt als Parteinahme für “die Befreiungsbewegungen in den arabischen Staaten”. Damit verwischt wird der grundlegende Unterschied zwischen den Volksaufständen in Kairo und Tunis einerseits, und andererseits dem Treiben der bewaffneten Gruppen, die Bengasi kontrollieren und für jeden Beuteanteil bereit sind, mit den Imperialisten gemeinsame Sache gegen ihr eigenes Land und Volk zu machen.

Die meisten derzeitigen Aufstände im arabischen Raum richten sich gegen die schreiende Verelendung der breiten Bevölkerungsschichten. Es handelt sich um einen Kampf gegen ein Regime, unter welchem die existentiellen Bedürfnisse der Massen nach Nahrung, Wohnung, Gesundheitsversorgung und Bildung unbefriedigt bleiben. Auch Libyen hat mit Korruption, Jugendarbeitslosigkeit und anderen ernsthaften Problemen zu kämpfen, von denen viele nicht zuletzt den wirtschaftlichen Sanktionen zu verdanken sind, welche die UNO 1993 unter imperialistischem Druck gegen dieses Land ergriffen hatte. Dazu kommen Flüchtlingsprobleme, die im Ergebnis der imperialistischen Kriegszüge in Asien und Afrika zugenommen haben. Wegen der geographischen Nähe zu Europa ist Libyen das bevorzugte Sprungbrett der von Krieg und Hunger Vertriebenen. Trotz aller Schwierigkeiten konnte Libyen bisher seiner Bevölkerung einen relativ hohen Lebensstandard sichern. Das Pro-Kopf-Einkommen ist das höchste in Afrika. Die staatlichen Gesundheitsdienstleistungen sind kostenlos, die Bildung allen zugänglich. Gemessen an anderen Ländern im arabischen Raum und in Afrika geniesst das libysche Volk eine relativ gute materielle Lage, die sich auch messbar in den verschiedensten sozialen Indikatoren (Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, Analphabetenrate usw.) niederschlägt. (siehe dazu: Zerstörung eines Landes – In: «Junge Welt« vom 05.05.2011)

Daher verwundert es nicht weiter, dass die unbewaffneten Massendemonstrationen, die wir in Tunis und Kairo gesehen haben, in Tripolis fehlen. Was uns die Kriegshetzer stattdessen in den Medien vorsetzen, sind Bilder von kleinen bewaffneten Grüppchen junger Männer, die sich den Namen des libyschen Volkes anmassen, um das Land angeblich vom Tyrannen zu “befreien”. Selbstverständlich nützen die Imperialisten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in die sie selbst Libyen manövriert haben, und jede daherige Unzufriedenheit aus. Gewiss finden sie auch Landesverräter, die dem Imperialismus die Tore weit aufmachen wollen, und die mit dem Versuch zur Zerschlagung des libyschen Regimes zugleich die nationalen Interessen und die Landesreichtümer verschachern und die sozialen Errungenschaften des libyschen Volkes aufs Spiel setzen. Vom Klassenstandpunkt betrachtet, unterscheidet sich der Konflikt in Libyen wesentlich von den Volksaufständen in Tunesien und Ögypten. Der Begriff der “arabischen Revolution” bzw. der “Befreiungsbewegungen in den arabischen Staaten” vermittelt keine tieferen Einsichten und leistet unzulässigen Verallgemeinerungen Vorschub. Damit bildet er ein Hindernis für das Erkennen der besonderen Charakters des Libyenkonflikts und begünstigt das Vorhaben des Imperialismus, seine Aggression gegen Libyen (und Syrien) unter der Tarnkappe einer revolutionär-demokratischen Bewegung zu führen.

Die Parteinahme für die Aufständischen in Libyen wird fein säuberlich an eine Bedingung geknüpft: “solange diese für eine wirkliche Emanzipation aus Unterdrückung und Ausbeutung kämpfen.” Ohne Prüfung geht mgb davon aus, dass dies der Fall sei. Aber gegen welche Unterdrückung und Ausbeutung wird da eigentlich gekämpft? Auf die gleiche Frage antwortete der abgesetzte russische Botschafter in Tripolis, Wladimir Tschamov, in einem Interview mit der Prawda so: Ist es Unterdrückung, wenn junge Libyer auf 20 Jahre zinslos staatliche Darlehen für den Hausbau erhalten? Ein Jeep ist für 7’500 US-Dollar zu haben, und der Liter Benzin kostet 10 Rappen. Auch Nahrungsmittel sind billig. Im Irak, der weit grössere Erdölvorkommen aufweist als Libyen, kann sich die Bevölkerung praktisch kein Benzin leisten, seit das Land “fünf vor zwölf” von der NATO übernommen wurde.

«… Deshalb gilt es im Kontext der Situation vorliegende Intervention zu akzeptieren und ein Stück weit – insofern damit ein massives Massaker an der Zivilbevölkerung vermutlich verhindert werden konnte – sogar zu begrüssen. Damit einher geht die Akzeptanz von Überflügen durch fremde Streitkräfte über Schweizer Territorium, solange diese im Rahmen der UNO-Resolution 1973 geschehen. Nicht, weil die UNO aus linker Sicht ein unbedenklicher und neutraler Akteur wäre, sondern weil vermutlich nur dies das Überleben der Aufständischen gegen Gaddafi sichert.»

Es leuchtet ein, dass “vorliegende Intervention” nicht ausserhalb des “Kontextes der Situation”, sondern nur innerhalb desselben zur Annahme oder Ablehnung steht. Ausserhalb des Kontextes eines Libyenkriegs wäre dem «Vorwärts» die Möglichkeit genommen, diesem ein linkes Gütesiegel aufzustempeln.

Auch hier sieht sich mgb wieder einmal gedrängt, etwas “Gegenläufiges” einzuschieben, und distanziert sich zur Ablenkung von der UNO, die als “Akteur” hochgespielt wird und gräbt sich wieder ein Schlupfloch: “solange … im Rahmen der UNO-Resolution”.

«Dies muss aber im vollen Bewusstsein darüber geschehen, dass sich die westlichen Interventionsmächte – sollten sie Erfolg haben – in nicht allzu ferner Zukunft ebenfalls gegen die Interessen der Aufständischen wenden werden. Die Interessenkongruenz zwischen westlichen Regierungen und den Aufständischen dürfte spätestens mit dem Sturz Gaddafis enden. Für diesen Moment müssen wir uns strategisch und argumentativ wappnen. Genauso müssen wir die Arbeit der Interventionsmächte stets kritisch beleuchten und durch sie begangenes Unrecht in der westlichen Öffentlichkeit denunzieren. Unsere Unterstützung gilt nicht der NATO oder dem Bundesrat. …»

Weiter mit Beruhigungspillen: “kritisch beleuchten”, “denunzieren”, grossspurige Worte “strategisch und argumentativ wappnen” können nicht ihren Zweck der Demobilisierung verbergen: “für einen späteren Zeitpunkt” (wenn der Mist gekarrt ist). Der «Vorwärts» möchte sich seine Finger nicht zu dreckig machen und leistet seine Unterstützung nicht einfach dem unterstützten Kriegslager, dessen Verbrechen er (unter fein säuberlichen Vorbehalten) “begrüsst”, sondern versucht die von ihm offenbar selbst gefühlte Blösse zu verdecken, indem er der Gültigkeit des Ganzen noch eine “Geltung” widmet: die Unterstützung “gilt” nicht der NATO und dem Bundesrat. Allerdings ist diese Geltungsklausel ein zu dürftiges Feigenblatt, um die Erfahrungstatsache zu verhüllen, dass die Kugel gewöhnlich dem “gilt”, auf den sie gefeuert wird, ebenso wie das Deckungsfeuer dem Gedeckten “gilt”.

«… Das Mass aller Dinge müssen für uns die Befreiungsbewegungen in den arabischen Staaten sein. Auch dies ist eine offensichtliche Tatsache – die aber nur allzu gerne vergessen geht.»

Wer Stroh zu Gold spinnen kann, sollte sich nicht etwa beleidigt fühlen, wenn ich finde, dass seine Kunst immerhin beschränkt ist, da sie den Bereich des Materiellen nicht überschreitet. Viel höher steht die Kunst des mgb, der mit seiner nicht nach –althergebrachten Deutungsmuster(n)» vollführten Untersuchungen beim erstaunlichen Befund gelangt, dass sich seine einzig legitime Position (“sich hinter die Befreiungsbewegungen … zu stellen”) mehr und mehr erhärtet hat, so dass sie am Ende zur harten Tatsache verwandelt vor uns steht: “Das Mass aller Dinge müssen für uns die Befreiungsbewegungen in den arabischen Staaten sein. Auch dies ist eine offensichtliche Tatsache …”

Zum glücklichen Ende hätte sich somit die einzig legitime Position in den Rang der einzig legitimen Tatsache erhoben.

(08.08.2011/mh)


Zum Krieg in Libyen siehe auch:


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