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Kommunistische Partei Brasiliens (PCdoB):

«Die Weltmeisterschaft gehört uns!»


Die WM gewinnen, den Rentismus zerschlagen, Brasilien entwickeln.

Brasilien hat in den letzten elf Jahren gewaltige wirtschaftliche und soziale Errungenschaften vorzuweisen. Unter diesen Siegen war einer der wichtigsten, die Fussballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 nach Brasilien zu holen.

Um das Privileg, diese Events durchzuführen, haben viele Länder hart gekämpft, und nicht umsonst: es bedeutet umfangreiche materielle Investitionen, die in einem Moment der internationalen Wirtschaftskrise besonders wichtig sind; darüber hinaus bewirkt es eine gewaltige Ausstrahlung des Austragungslandes in die Welt – um eine Vorstellung vom Ausmass dieses Phänomens zu haben: 46% der Weltbevölkerung werden die Weltmeisterschaft verfolgen.

Für Brasilien werden die wirtschaftlichen und sozialen Ergebnisse markant sein. Eine Studie der Fundação Getúlio Vargas zeigt, dass direkt oder indirekt 3,6 Millionen Stellen geschaffen werden können, eine Zahl, welche diejenige der gesamten Bevölkerung von Salvador1 übertrifft, um einen Vergleich heranzuziehen. Überdies gibt es einen Prozess der Qualifikation von Werktätigen, wofür das Pronatec2 als Beispiel steht. Dieses Programm qualifiziert 94 Tausend Arbeitende für das Grossereignis. Anlässlich des FIFA-Konföderationen-Pokals, den Brasilien brillant gewann, hatten wir eine kleines Muster dessen, was die WM sein kann: es waren 250 Tausend Turisten, 24,5 Tausend Arbeitsplätze, welche direkt oder indirekt allein durch den Bau der Stadien geschaffen wurden, unter vielen anderen positiven Daten.

Noch relevanter als der Gigantismus der Zahlen ist das Potenzial eines ideologisch-kulturellen Effekts, den das Ereignis entwickeln kann. Der Fussball ist eine der wichtigsten Seiten der Kultur Brasiliens und mobilisiert die Leidenschaft unserer Landsleute sehr tief. Die Abhaltung einer WM in Brasilien bedeutet die Hebung des Selbstwertgefühls der Brasilianer, die Bestätigung der Fähigkeit unseres Volkes zur Verwirklichung grosser Dinge, was von besonderer Bedeutung ist für alljene, die von tiefgreifenden Veränderungen träumen, die von den Werktätigen und vom Volk durchzuführen sind.

Wenn wir in die Geschichte Brasiliens blicken, so sehen wir die rückständigsten Sektoren der dominierenden Elite immer damit beschäftigt, ein Bild der Niedergeschlagenheit vom Land und von den Brasilianern zu behaupten. Die Propaganda derer da oben war immer die einer angeblichen chronischen Unfähigkeit des Landes und seines Volkes. Diese Stimmung des Defätismus, die von Nelson Rodrigues in einem brillanten Vergleich als “Köter-Komplex” (complexo de vira-lata)2 gekennzeichnet wurde, ist wieder in die Blätter der grossen Presse zurückgekehrt, welche hartnäckig über die Spiele lügt, indem sie einmal das Chaos prophezeit mit der Behauptung, dass die Bauarbeiten nicht rechtzeitig fertig werden würden, und ein andermal Lügen über die Investitionen verbreitet und die öffentlichen Ausgaben mit den privaten durcheinander bringt. Hinter dieser Propaganda der Massenmedien steckt das Kalkül der Wahlen von 2014. Mit dem Ziel, der Präsidentin Dilma Roussef eine Niederlage beizubringen, agiert das Oppositionssystem offen für das Scheitern Brasiliens.

Neben den Massenmedien hat ein verantwortungsloser Sektor, vor allem von den sozialen Netzwerken aus, die autoritäre Losung “Es wird keine WM geben” herausgegeben. Sie versuchen, einen künstlichen Widerspruch zwischen den gerechten Forderungen des Volkes nach Gesundheit, Bildung und nach der Realisierung der WM zu konstruieren, wobei sie unverhohlen über die Herkunft der investierten Ressourcen lügen. Die Zahlen sprechen für sich: eine Erhebung der Datafolha zeigt, dass 78% der Brasilianer der Ansicht sind, dass die WM die Ausbildung neuer Athleten fördern wird, 75% meinen, dass die Copa do Mundo den Stolz, Brasilianer zu sein, verstärken wird; 69% glauben, dass es diese zum fröhlichsten Turnier der Geschichte werde. Trotz der Terrorkampagne der Massenmedien sind 64% der Brasilianer optimistisch, was den plangemässen Fortgang der Vorbereitungsarbeiten zur Weltmeisterschaft anbelangt.

Angesichts eines solchen Rahmens ist es notwendig, dass die konsequenten und fortschrittlichen Kräfte sich mobilisieren, um das Volk aufzuklären und die Interessen Brasiliens zu verteidigen.

Die Propaganda der monopolistischen Medien schafft eine Reihe von Verwirrungen, die beseitigt werden müssen:

Ein erster grosser Schwindel ist die Behauptung, die Regierung gebe Milliarden für die WM aus, und dies auf Kosten der Ausgaben für Gesundheit, Erziehung und Transporte. Man muss klar sagen: die WM hat nicht einen einzigen Real von den Sozialbereichen weggenommen. Seit 2007 (dem Jahr, in welchem Brasilien das Recht zur Austragung der WM zugesprochen wurde), sind die Investitionen in Gesundheit und Erziehung Jahr für Jahr gestiegen. Die gerechte Notwendigkeit von Investitionen in der Höhe von 10% der BIP in Erziehung und Gesundheit steht in keinem Widerspruch zur Durchführung der Spiele, aber im Widerspruch mit den Profit- und Spekulationsinteressen, die von derselben Presse inbrünstig verteidigt werden.

Eine andere Frage, die der Aufklärung bedarf, ist das Thema der Umsiedelungen. Die Zahl der Enteignungen beträgt 6’652, also nichts im Vergleich zu den herum gebotenen Zahlen, die bis zur phantastischen Zahl von 150 tausend enteigneten Familien gehen. Und mehr: die Gesamtheit der Umsiedelungen steht in direkter Beziehung zu den Bauwerken für den urbanen Verkehr, welche den kollektiven Transport ausbauen wollen, wie dies das Volk sehnlichst erwartet, was es in den Manifestationen im Juni des vergangenen Jahres auch zum Ausdruck brachte. Anders gesagt, es gibt keine Umsiedelungen infolge von Bauten von neuen Stadien. Die betroffenen Familien werden durch das Programm Minha casa, minha vida der Bundesregierung unterstützt.

Eine weitere Sorge betrifft den Prozess der Elitisierung des Fussballs, mit dem ständigen Aufschlagen der Eintrittspreise, das seit einigen Jahren festzustellen ist. Dieser unerwünschte Prozess geht den Spielen voran und bestätigt sich sogar in Stadien und Städten, die keine WM-Spiele ausrichten werden. Dies befreit die Regierung nicht von der Notwendigkeit, Lösungen für dieses Problem zu bringen, zumal es nötig ist, das Recht der Werktätigen auf Zugang zu den Stadien zu verteidigen. Aber die WM dafür verantwortlich zu machen, dass sie diesen Prozess ausgelöst habe, heisst Verwirrung zu stiften und nicht an die wahren Wurzeln des Problems zu gehen.

Es gibt keinen Widerspruch, ich will WM, Gesundheit und Bildung

Die von Brasilien erhofften grossen Umwälzungen hängen von einer korrekten Orientierung der fortschrittlichen Kräfte und der sozialen Bewegung ab. Dies bedeutet klar aufzuzeigen, wer die Feinde der Reformen und sozialen Fortschritte sind.

Wer behauptet, dass es notwendig sei, die WM zu bekämpfen, damit Brasilien sich soziale Errungenschaften leisten könne, entwaffnet den Kampf, weil er die wahren Gegner der sozialen Fortschritte aus dem Blickfeld rückt, die Profitinteressen.

Von daher ist es notwendig klarzustellen, dass kein Widerspruch besteht zwischen der erfolgreichen Austragung der WM und den Fortschritten, die das Land braucht. Dafür gilt es die Parteien und sozialen Bewegungen in einem Block der linken Wahlverwandtschaft zu vereinen, der imstande ist, die Durchführung der Spiele zu verteidigen und zur gleichen Zeit das Banner des Fortschritts hochzuheben, und dabei der Regierung Impulse in Richtung von Önderungen zu verleihen und die Interessen der Banken zu besiegen.

Innerhalb dieser Linie ist es erforderlich:

Eine breite Propaganda zu entfalten mit solchen Losungen wie “Es gibt keinen Widerspruch, ich will WM, Gesundheit und Schule” (mit Endreim im Original: Não há contradição, eu quero Copa Saúde e Educação»). Zu zeigen dass die WM einen grossen Sieg darstellt, die Anklage der Rentier-Interessen als wahre Feinde der sozialen Fortschritte verstärken.

Die Vereinheitlichung der Programme und Agenden der sozialen Bewegung voranzutreiben, angefangen bei den Organisationen, die sich um die Coordenação dos Movimentos Sociais herum gruppiert haben, aber ausgedehnt in Richtung von neuen Sektoren.

Den Kampf der Ideen rund um das Thema der WM in den sozialen Netzwerken aufzunehmen. Erforderlich ist eine Mobilisierung der fortschrittlichen Sektoren, um den virtuellen Raum zu besetzen und die Lügen und Verwirrungen zu bekämpfen, welche sich im Netz aufgespielt haben.

Das Volk zu mobilisieren, indem man sich auf die Hilfe der grossen patriotischen Welle stützt, welche die WM auslösen wird. Das Volk aufrufen, dass es seine Stimme in den Strassen erhebt, die Plätze mit grün und gelb anfüllen. Sich einzusetzen für Brasilien, zur Realisierung einer erfolgreichen Weltmeisterschaft beizutragen und die Fahnen der sozialen Bewegungen recht hoch zu halten.

São Paulo, 10. Februar 2014

Quelle: Partido Comunista do Brasil (Documentos do Comité Central do PCdoB, 10.02.2014) – Übersetzung: kommunisten.ch (16.05.2014)

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Anmerkungen des Übersetzers

1 Salvador de Bahia, drittgrösste Stadt von Brasilien.

2 Programa Nacional de Acesso ao Ensino Técnico e Emprego

3 Complexo de vira-lata: das Wort vira-lata (bras.: Strassenköter) setzt sich zusammen aus dem Verb virar (wenden, drehen) und dem Substantiv lata (Konservenbüchse). Ursprünglich bezog sich der Begriff complexo de vira-lata auf das Trauma der 1:2-Niederlage der brasilianischen Auswahl gegen Uruguay im Finale der WM 1950, mitten im Stadion Maracaná in Rio de Janeiro.


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