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Die PKK verdient in der internationalistischen und antiimperialistischen Linken nicht die geringste Glaubwürdigkeit

Die Kommunistische Partei der Italienischen Schweiz, die über sehr gute internationale Verbindungen verfügt und jüngst eine Delegation unter Leitung des politischen Sekretärs Massimiliano Ay in die Türkei geschickt hat, um sich aus erster Hand zu informieren und aufzudatieren, lenkte unsere Aufmerksamkeit kürzlich auf einen unerhörten Vorgang, der sich derzeit vor unser aller Augen abspielt: die Tatsache, dass ein gewaltiger Medienrummel um die Rehabilitierung und Aufwertung der PKK getrieben wird, die bis anhin von der Justiz zahlreicher Länder als terroristische Organisation eingestuft wird. Diese Medienkampagne ist international und erfreut sich auch im deutschen Sprachraum einer starker Beteiligung von Seiten der meisten führenden linken Medien und zahlreicher Vertreter oder Organe namhafter Parteien: die konzentrierte Sympathiewelle trägt alle epidemischen Merkmale einer von zentraler Stelle orchestrierten Kampagne. Und dennoch: selbst unter den standhafteren Kräften, zu denen wir etwa solche Medien und Organisationen wie Junge Welt, RedGlobe, AG Friedensforschung, NRhZ rechnen, und nicht nur bei Politikern der Bundestagsparteien “Linke” und “Grüne”, sondern auch bei DKP-Genossen, findet die Kampagne zur Aufwertung der PKK breitesten Raum und Anklang. Ähnlich steht es in Österreich (PdA/Kominform) und in der Deutschschweiz (z.B. WOZ).

Bei alledem wird ein romantisch verklärtes Bild von wehrhaften Widerstandskämpfern und Robin Hoods für eine gerechte Sache propagiert – ein Image, das durch Bilder von Frauen-Bataillonen abgerundet wird. Es wird unterschlagen, dass die PKK ihre Stellung nicht durch Robin–Hood–Methoden, sondern durch schmutzige Drogenhändel und andere Verbrechen finanziert hat. Gleichermassen wird ausgeblendet, dass die PKK vollends zu einem Schachbäuerlein in der Hand Washingtons mutiert ist.

«Die Türkei ist … eine Last für die Amerikaner und Europa geworden.»

In einem Interview mit der als linksliberal geltenden österreichischen Zeitung “Der Standard” (2. Nov.) gibt Cemil Bayık als einer der PKK-Mitgründer und Köpfe dieser Terror-Organisation ganz offen zu, dass seine Partei auf Washington als Schutzmacht gesetzt hat. Auf die Frage des Journalisten Michael Völker, ob es eine Zusammenarbeit der USA mit der PKK/YPG gebe, antwortete der Öcalan-Stellvertreter rundheraus: “Ja, die gibt es, die Amerikaner haben sogar Waffen geliefert.” Offenbar gestützt auf seine Kontakte mit dem Westen gelangt er zum Schluss: “Die Türkei ist … eine Last für die Amerikaner und Europa geworden.”

Bayik zelebriert das bekannte Bild: “Um Kobane entsteht eine neue Freiheitsbewegung, die Kurden versammeln sich hinter dieser Stadt. Dieser Widerstand beeinflusst auch die Öffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft”, bevor er zur Pointe kommt: “Das ist auch ein Aufstand gegen die Türkei.” Sodann plädiert der Mitgründer der Terroristenorganisation für eine friedliche Lösung der Probleme zwischen Kurden und Türken und will die Gunst der Stunde nutzen: “Jetzt ist der Punkt gekommen, an dem es Bewegung geben muss. Deswegen schlagen wir vor, dass eine dritte Kraft diesen Prozess beobachtet. […] Das können die USA sein, das kann auch eine internationale Delegation sein. Wir brauchen einen Vermittler, wir brauchen Beobachter. Wir würden auch die Amerikaner akzeptieren, aus unserer Sicht bewegt es sich in diese Richtung.”

Es geht nicht um die Kurden. Ziel ist der New Middle East.

Eine wahre Perle ist der Satz: “Um eine Neugestaltung des Nahen Ostens zu erreichen, muss das Kurdenproblem gelöst werden.” Damit gibt der PKK-Führer ganz offensichtlich zu, dass es bei der “Lösung” des “Kurdenproblems” nicht einfach um die Kurden geht, sondern dass diese Lösung nur ein Schritt ist, und seine Weihe in einem höheren Ziel findet: in der Neugestaltung des Nahen Ostens. Mit diesen Worten verlässt der Interviewte den kurdischen Standpunkt vollends, und begibt sich auf den lupenreinen Standpunkt des Imperialismus. Eines Imperialismus, der schon vor 100 Jahren viel Blut von Türken, Griechen, Armeniern, Kurden, Italienern, Franzosen, Engländern, Russen und Angehörigen der Kolonialvölker auf die Schlachtfelder goss, um die Türkei aufzuteilen. Eines Imperialismus, der sich 1920 am Ziel angelangt glaubte, und dann auf härtesten Widerstand der national gefestigten, antiimperialistischen und laizistischen und mit der Sowjetrussland verbündeten Türkei stiess und sich mit ihr 1923 arrangieren musste, weil die kemalistische Türkei nach dem Schrecken der Oktoberrevolution immerhin als kleineres Übel erschien und weil die Fortsetzung der Feindseligkeiten bei den damaligen Kräfteverhältnissen bedeutet hätte, die Türkei definitiv ins sowjetische Lager der Sowjets zu treiben und dem Kommunismus freie Bahn in Syrien und Anatolien zu geben. Deshalb richtete der Imperialismus seine Strategie darauf aus, innerhalb des Kemalismus den rechten Flügel zu stärken und zu verhindern, dass die politische Revolution durch eine Agrarreform vollendet wird. Heute ist der Imperialismus nicht länger bereit, sich mit der Existenz der Türkei abzufinden will und geht dazu über, den Lausanner Vertrag von 1923 und sogar die NATO-Treue der Türkei während des Kalten Krieges zu vergessen, ebenso wie der Imperialismus das früher gehätschelte Jugoslawien zu gegebener Zeit vom Lamm zum Bock erklärte und zum Abschuss freigab.

Die Ausführungen des PKK-Verantwortlichen erhärten den Eindruck, dass Washington gezielt auf die Zerschlagung der Türkei hinarbeitet. Die laufenden Kampagnen zur Reinwaschung der PKK sollten uns aufhorchen lassen. Wir sollten uns auch fragen, wie es möglich ist, dass die Solidarisierungsbewegung mit der Bevölkerung der Ostukraine so sehr harzt, während nun die von der imperialistischen Mythologie induzierten Soli-Demos dermassen ins Kraut schiessen. Und: was hat die Stadt Ain al-Arab (Kobanê), was sie von Aleppo, Homs und vielen anderen Städten Syriens unterscheidet, die sich auch so gut wie es ging gegen die ISIS wehrten und ihr zu Opfer fielen? Da machte die öffentliche Meinung im Westen keinen Rummel und zuckte die Achseln!

Die einst maoistisch, dann sozialdemokratisch und heute libertär-feministisch angestrichene PKK beruft die USA als Vermittler

Erst recht alarmierend ist die Bestrebung einer angeblich kommunistischen Partei (mit ehemals maoistischem, dann sozialdemokratischem und heute libertär-feministisch-ökologischem Anstrich), welche eine Vermittlerrolle ausgerechnet für die imperialistische Hauptmacht anstrebt. Wenn der PKK-Sprecher neben zu den USA eine “internationale Vermittlung” als Alternative zur Sprache bringt, so ist das selbstverständlich pures Geschwätz. Schon 1920 sprachen die Engländer bei ihrem Griff nach den Meerengen von einer “internationalen” Kontrolle, ebenso verlogen wie die Ententemächte ihre damaligen Eroberungen in Syrien, Palästina Irak und Libanon als “Mandate” des Völkerbundes und sich selbst als “Treuhänder” bezeichneten.

Diese PKK verdient in der internationalistischen und anti-imperialistischen Linken nicht die allergeringste Glaubwürdigkeit. Einmal mehr stehen wir vor der verdriesslichen Notwendigkeit, die Genossen der kommunistischen Linken davor warnen zu müssen, dass sie sich nicht vor den Karren des Imperialismus spannen lassen, der es – wie die Vorgänge in der Ukraine und im Mittleren Osten beweisen – auch unter US-Hegemonie ausgezeichnet versteht, sich für seine Gewalttaten fremde Messer zu leihen, und sich zahlreicher rechter oder linker Hände zu bedienen, um die Kastanien aus der Glut zu kratzen.

(07.11.2014/mh)


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