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Russland: 'Imperialistisches Land' oder Widerpart des Imperialismus?

Von Klaus Hartmann, Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbands

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Hilflos gegenüber der NATO-Propaganda? Im Konflikt um die Ukraine bzw. im Verhältnis zu Russland erleben wir wieder, was sich seit längerer Zeit in Teilen der Friedensbewegung eingebürgert hat. Von Milosevic angefangen bis Gaddafi und Assad – immer das gleiche Lied: vor einer Verurteilung der US-/NATO-Aggressionen erstmal gründlich vom Angegriffenen distanzieren. Und das, obwohl auch die Aggressoren immer wieder die gleiche Platte auflegen: „Diktator“, „Machthaber“, „Regime“, „Schlächter“, „neuer Hitler“. Neben dem beabsichtigten Effekt der psychologischen Kriegsvorbereitung lautet die Botschaft: Die politische Führung ist illegitim, also vogelfrei, also die Geltung des Völkerrechts suspendiert. In dieser Situation zu betonen, man sei „nicht der Freund“ des jeweils ausgerufenen neuen Hitler, ist nicht nur arm, sondern schon deshalb unsagbar dämlich, weil der betreffende Staatschef unseren dementierenden Friedensfreund gar nicht kennen dürfte. Die Dauerdistanziererei aus Kreisen der Friedensbewegung macht den fatalen Eindruck: ‚Die Kriegsgründe sind vielleicht nicht ganz falsch, nur die Bomben lehnen wir ab‘. Mit der bekannt verheerenden Wirkung für die Mobilisierungsfähigkeit. Und beim nächsten Krieg – alles zurück auf Anfang.

Jetzt also gegen Russland. Genau genommen gingen die Weltordnungskriege seit den 1990er Jahren immer schon indirekt gegen Russland, dienten seiner ‚Eindämmung‘ und militärischen Einkreisung. Die NATO ist zurück bei ihrem Gründungsauftrag, nur jetzt nicht mehr gegen die Roten, sondern gegen den Feind von 1914 und früher. Das „Hamburger Abendblatt“ vom 03.03.14 übertitelt seinen Leitartikel „Ukraine-Krise erinnert fatal an 1914“.

Die Begleitkampagnen der Konzernmedien lauten „Putins Wahlfälschung“, „Freiheit für Chodorkowsky“, „Russland beschützt Syriens Schlächter“, „Freiheit für den Mösen-Aufstand“, „Putins Olympische Spiele“, „Putins Krim-Annexion“ etc. Die Massenmedien tun ihr Möglichstes, die Konsumenten auf Westkurs zu halten. Wer nicht gehorcht, wird als „Russlandversteher“ oder „Putin-Freund“ diffamiert – falls man es denn als Diffamierung und nicht als Auszeichnung auffasst.

Bemerkenswert: die Bevölkerung reagiert, anders als bei den vorangegangenen Kriegen, viel sensibler, alarmierter. Umfragen und die Flut von Zuschriften an die Redaktionen sprechen eine deutliche Sprache. Offen und massenhaft wird den Propagandalügen und Desinformationen widersprochen. Offensichtlich spüren viele, dass uns die Ukraine näher liegt als viele bisherige Kriegsschauplätze und die Gefahr eines großen Weltbrandes näher rückt. 75% lehnen eine stärkere NATO-Präsenz in Osteuropa ab (infratest dimap), 77% halten die West-Kritik an Russland für heuchlerisch (Tagesspiegel), 89% sind für Gespräche statt Isolation (infratest dimap) und ebenfalls 89% haben Verständnis für Putins Kurs (ntv).

Und wie reagieren Linke und Friedensbewegte in dieser Situation? Wird die Massenstimmung verstärkt und zur Mobilisierung genutzt? Jetzt also Solidarität mit Russland? Weit gefehlt. Teile der Bewegung zieren sich nicht nur, sie lehnen das rundweg ab.

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Zum Volltext (PDF): freidenker.org

Quelle: Der Westen und Russland – In: Freidenker Nr. 4/2014 (Internationale Lage und geopolitische Spannungen vor Beginn des 1. Weltkrieges bis heute).


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