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Parteitag der Vatan: für eine Türkei, welche die aktuelle Krise bemeistert

Von Davide Rossi

Aus sinistra.ch (16.03.2017) – Die Türkei erlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit Gründung der Republik, und darauf antwortet die Vatan Partei mit einem erheblichen Anstieg der Zustimmung von Bürgern, welche die Fähigkeit der Partei anerkennen, Lösungen vorzuschlagen und über die Ebene der ausschliesslichen Kritik hinauszugehen, die in der Türkei wie in vielen anderen Teilen der Welt diejenigen zahlreichen marxistischen politischen Kräfte prägt, welche es vorziehen, sich in einer reinen Protesthaltung einzukapseln.
Die wirtschaftliche Krise ist auch politisch, weil die Regierung von Recep Tayyip Erdogan denjenigen die Schulter weist, die ihn an die Macht gebracht hatten, das heisst die NATO-Kräfte und die Integralisten von Fethullah Gülen, und weil er eingesehen hat, dass er mit Russland und China in Dialog treten muss, die übrigens die beiden wichtigsten Handelspartner der anatolischen Halbinsel sind.
Vatan hat Mitte März in Ankara seinen zehnten Parteitag abgehalten und bekräftigte die Linie der Öffnung gegenüber jenen sozialen Kräfte, angefangen mit den kemalistischen Militärs, die von Erdogan damals im Bündnis mit Gülen aus der Armee entfernt worden waren, und weiteren Kräften, die dazu beitragen, die maoistische Tradition der Partei zu bereichern, welche von jeher am Sozialismus und Anti-Imperialismus orientiert ist, wie ebenso an der Rolle der Bürger und des Staates in der Wirtschaft und an einem Patriotismus, der jede nationalistische Degeneration ablehnt, und sich in den Einsatz für eine multipolare Welt einreiht.

Der Parteivorsitzende Doğu Perinçek begrüsste mit Befriedigung eine Versammlung von über tausend Delegierten, worunter viele Arbeiter und Bauern, welche die Verankerung in de realen Landschaft zeigen, sowie viele Frauen, welche die wichtige Rolle in der Frauenbewegung bestätigen, welche der Vatan in ihrer ganzen Parteigeschichte zukommt. Alle Frauen und Männer in Vertretung einer Partei von mehr als 30’000 eingeschriebenen Mitgliedern, die Hälfte im Alter unter 30 Jahren, einschliesslich der von Aykut Dis geleiteten Jugendbewegung, welche die universitären Kämpfe anführt und innert weniger Monate ihren Mitgliederbestand in den Schulen und Universitäten um 30% steigern konnte. Eine Befriedigung auch für Mehmet Bedri Gultekin, einen langjährigen Verantwortlichen der marxistisch-leninistischen Organisation und Autor von verschiedenen Büchern, und gleichfalls für Utku Reyhan, der als Verantwortlicher für die Organisationsarbeit in Diyarbakir eine unvergleichliche Arbeit in den hauptsächlich von Kurden bewohnten Gebieten geleistet hat, wo die Partei den Frieden und die Entwicklung fördert und gegen die gewalttätigen, von der Mehrheit der Kurden abgelehnten Politiken der ethnischen Separatisten auftritt. Dass sich die Vatan von jeher dagegen gestellt hat, wirkt sich nun im Wachstum der Zustimmung für die Partei aus, denn sie hat ihre Jugend nie dazu aufgerufen, die Waffen gegen andere Jugendliche zu ergreifen.

Ein wichtiger Erfolg von Vatan bestand darin, die Frage der Verteidigung Syriens gegen die von den Imperialisten frech unterstützten Integralisten und ethnischen Separatisten auf die nationale politischen Agenda zu setzen. Diese Entscheidung öffnet den Dialog mit den regionalen Nationen, von denen die Energiezufuhr des Landes abhängt, ausgehend von Iran und Aserbaidschan. Für Vatan ist der Zeitpunkt für Änderungen gekommen, vor allem für die Beendigung der Periode der Unterwürfigkeit gegenüber den Interessen der NATO und des Imperialismus, welche in der Tat während 60 Jahren, von 1945 bis heute, den Fortgang des von Mustafa Kemal Atatürk eingeschlagenen revolutionären Weges blockiert haben. Der Imperialismus hat dem Land auch die Reibungskräfte des Separatismus und der Auslandschuld auferlegt, auf welche beiden die Völker, welche die türkische Republik bilden, gerne verzichten würden. Der Kongress sprach sich klar gegen die Politiken des Präsidenten Erdogan und vor allem gegen das Referendum aus, mit welchem dieser eine präsidentialistische Verfassungsreform vorschlägt und Mitte April zur Abstimmung vorlegt.

Massimiliano Ay, Generalsekretär der Kommunistischen Partei (Schweiz), der einzigen europäischen Partei, die mit einer Delegation vertreten war, drückte seine tiefe Bewunderung für die Fähigkeit der Vatan aus, die Radikalität in den Ideen mit der konkreten Analyse der gegebenen Realität in der Türkei zu verbinden, in einer Lage, welche den Eintritt in Regierungsverantwortung nicht ausschliesst, wo dies einer Politik dient, die eindeutig den Interessen der Bevölkerung und nicht jenen der Multinationalen dient, und in Verbindung mit einer anti-imperialistischen Politik, die in erster Linie darauf abzielt, die Zusammenarbeit mit der NATO auf ein Minimum zu beschränken, um den Weg für einen Austritt der Türkei aus der Allianz vorzubereiten.

Original (ital.): Il congresso del partito Vatan per una Turchia più forte dell’attuale crisi (sinistra.ch, 16 marzo 2017) | Übersetzung: kommunisten.ch (18.03.2017)


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