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Brasilien: Lula kann 2022 wieder kandidieren!

Am 8. März hob Edson Dachin, Richter des Obersten Gerichtshofs Brasiliens, die vier Urteile auf, die gegen Lula da Silva, ehemaliger Präsident Brasiliens für die Arbeiterpartei – PT (im Bündnis mit der Kommunistischen Partei Brasiliens – PCdoB) von 2003 bis 2011, verhängt wurden. Diese Urteile wurden vom Bundesgericht von Curitiba erlassen, das damals von dem bekannten Richter Sérgio Moro, Zentrum der Lava Jato Untersuchung, geleitet wurde. Dabei hatte dieses Gericht nicht die rechtliche Kompetenz, über Lula da Silva zu urteilen.

Stefano Araujo

von Stefano Araujo1

Dank diesem neuen Urteil erhält der ehemalige sozialistische Präsident seine vollen politischen Rechte zurück und kann bei den Präsidentschaftswahlen 2022 erneut gegen den derzeitigen rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro antreten. Laut einer von der Zeitung «O Estado de São Paulo» in Auftrag gegebenen Umfrage (siehe hier) würden heute 50% der Brasilianer für Lula stimmen, während nur 28% für Bolsonaro und 32% für Sérgio Moro stimmen würden.

Seit der Absetzung von Dilma Rouseff (2016), die Lula da Silva an der Spitze des Landes abgelöst hatte, und deren anschliessender Verhaftung (2018) prangerten wir auf diesem Portal die institutionellen und gerichtlichen Putsche an (siehe hier), die von der brasilianischen Rechten orchestriert wurden, um zwei wichtige Figuren im Kampf gegen die Armut im Namen der sozialen Gerechtigkeit in Brasilien von der politischen Bühne verschwinden zu lassen, und beschuldigten sie, zu Unrecht das Nervenzentrum der nationalen Korruption zu sein. Es ist kein Zufall, dass derselbe Moro dann, von 2018 bis 2020, Justizminister in der Regierung Bolsonaro wurde.

Während seiner Inhaftierung (die eineinhalb Jahre dauerte) gab es zahlreiche Volksdemonstrationen zur Unterstützung der Freilassung von Lula da Silva

Wir entdecken heute neue Elemente, die die These eines politisch-juristischen Putsches unterstützen. Wie kürzlich in der New York Times (nicht gerade eine Publikation mit sozialistischen Sympathien) von Gaspard Estrada, einem Forscher an der Universität Science Po in Paris, festgestellt wurde, stellt die Moro-Untersuchung den grössten Justizskandal in der Geschichte Brasiliens dar (lesen Sie hier). Es wurde aufgedeckt, dass Moro ein gehacktes Mobiltelefon benutzte, um heimlich mit Staatsanwälten über Strategien zu kommunizieren, die angewandt werden sollten, um dem ehemaligen Präsidenten etwas anzuhängen und damit den Rechtsgrundsatz der Gewaltenteilung zwischen Richter und Ermittlungsrichter verletzte. Nicht nur das, es wurde auch aufgedeckt, dass die Staatsanwaltschaft regelmässig von den Agenten der Bundespolizei, die mit der Überwachung der Telefone der Angeklagten beauftragt waren, informiert wurde, um die Arbeit der Richter von Moro illegal lenken zu können. Darüber hinaus soll Moro 50% der Einnahmen aus den Bussgeldern, die das US-Justizministerium gegen die Unternehmen Petrobras und Odebrecht, die im Mittelpunkt der Ermittlungen stehen, verhängt hat, an eine privatrechtliche Stiftung abgezweigt haben, die zufällig mit denselben Richtern von Curitiba in Verbindung steht, und damit die brasilianische Verfassung umgangen haben. Diese sieht vor, dass solche Einnahmen dem öffentlichen Haushalt zugeführt werden.

Wie sich zeigen sollte, waren Moros Aktionen im Wesentlichen von klaren politischen Zielen geleitet, unter Missachtung der Grundregeln des brasilianischen Rechtssystems. Die Nachricht, dass Lula da Silva bei den nächsten Präsidentschaftswahlen wieder kandidieren kann, ermutigt alle, die in Südamerika für ihre nationale Unabhängigkeit, für soziale und ökologische Gerechtigkeit und für wahre Gerechtigkeit kämpfen!

1 Stefano Araujo, geboren 1993, hat einen Master-Abschluss der Universität Genf in Politikwissenschaften. Derzeit arbeitet er als Assistent am Global Studies Institute der gleichen Universität. Er ist Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (Schweiz).

Erstmals veröffentlicht am 12. März 2021 in sinistra.ch.