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Vor 100 Jahren in der Sowjetunion: Neue Ökonomische Politik

In diesen Märztagen waren es 100 Jahre her, dass die Sowjet­union die Neue Ökono­mische Politik (NEP) ein­geführt hat. Mit der NEP legte die KPdSU die Grund­lage für den Wieder­aufbau der Volks­wirtschaft nach den verheerenden Zerstörungen im Bürger­krieg. Im nach­folgenden kurzen Kommentar würdigt JURI AFONIN, Stell­ver­tretender Vor­sitzender des ZK der Kom­munis­tischen Partei der Rus­sischen Föderation (KPdRF), die Bedeu­tung der NEP für die Ent­wicklung der Sow­jet­union. Und er weist darauf hin, dass grund­legende Erfah­rungen aus der NEP heute in den sozia­listischen Volks­wirt­schaften Chinas und Viet­nams wieder zum Zuge kommen.

100 Jahre NEP – ein Wirtschaftsmodell, von dem wir heute noch viel lernen können. Vor genau einhundert Jahren – am 14. März 1921 – beschloss der Zehnte Parteitag der russischen Kommunistischen Partei der Bolschewiki die Neue Ökonomische Politik (NEP).

Die bisherige Politik des sogenannten Militärkommunismus hatte sich unter den extremen Bedingungen des Bürgerkrieges bewährt. Sie hatte es Sowjetrussland ermöglicht, die Intervention von Truppen aus 14 kapitalistischen Staaten abzuwehren, die Weissgardisten und verschiedene nationalistische Horden zu besiegen und das Land, das in mehrere Teile zu zerfallen drohte, wieder zu vereinigen. Die Prodrazviorstka (mehr darüber in der Seitenspalte), das wichtigste Element des Kriegskommunismus, rettete die Bevölkerung der Städte buchstäblich vor dem Verhungern.

Doch was unter extremen Bedingungen funktionierte, nützte in Friedenszeiten wenig, wenn es darum ging, die durch den Krieg zerstörte Volkswirtschaft wieder aufzubauen. Die Bolschewiki suchten nach einem neuen Modell. Das war die NEP.

Was ist die NEP? Es ist ein multi-ökonomisches System. Die Kontrolle der Wirtschaft obliegt dem Staat. Ein expandierender Genossenschaftssektor. Privates Unternehmertum. Bauerngemeinschaften (in den 1920er Jahren waren 90% der Bauern in Gemeinschaften).

Die Errungenschaften dieses Modells? Eine schnelle und vollständige Erholung der Volkswirtschaft nach 7 Jahren Krieg, dem Ersten Weltkrieg und dem Bürgerkrieg. Sättigung des Landes mit Lebensmitteln und Konsumgütern. Reduktion der Sterblichkeit um das Anderthalbfache im Vergleich zum zaristischen Russland im Jahr 1913. Stabilisierung des Rubels. Umsetzung des GOELRO-Plans.

Der Goelro-Plan war eines von Lenins bedeutendsten Entwicklungsprojekten. Es handelt sich um einen Staatsplan zur Elektrifizierung Russlands, der in den ersten Jahren der Sowjetunion verabschiedet wurde, um das damals wirtschaftlich rückständige und vom Bürgerkrieg gelähmte Land auf den Weg der wirtschaftlichen Modernisierung zu bringen. Unser Bild Grigori Jefimovitsch Schpolansky zeigt die Einsetzung der Staatlichen Kommission für die Elektrifizierung Russlands. Sie arbeitete einen auf 10 bis 15 Jahre berechneten Plan aus, der den Bau von 30 Kraftwerken vorsah. Bis Anfang der 1930er-Jahre war der Goelro-Plan erfüllt. Aus dieser Zeit rührt der russische Begriff «Iljitschs Lämpchen» für die Glühlampe her, in Anerkennung von Lenins Einsatz für die Elektrifizierung der Sowjetunion. (Bild: Lempertz)

Ende der 1920er Jahre gab die UdSSR die NEP auf. Dies war ein notwendiger Schritt. Die einzige Möglichkeit, sich auf den neuen Weltkrieg vorzubereiten, der von den grossen kapitalistischen Ländern vorbereitet wurde, war eine superintensive Industrialisierung und, als absolut notwendige Voraussetzung, eine schnelle Kollektivierung der Landwirtschaft. Aber die Erfahrungen der NEP sind und gingen nicht verloren. Das sozialistische China und Vietnam haben ihre heutigen vielgestaltigen Volkswirtschaften weitgehend auf der Grundlage dieser Erfahrung aufgebaut. Lassen Sie uns auch diese Periode unserer Geschichte sorgfältig studieren. Dieses Wissen wird uns beim Aufbau unseres Sozialismus des 21. Jahrhunderts gute Dienste leisten.

Juri Afonin

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Erstmals erschienen im Blog von Danielle Bleitrach Histoire et Société. Aus dem Russischen übersetzt von Marianne Dunlop.