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Tessiner Gemeinden ein bisschen rot-grüner?

Drei Wochen sind bald vergangen, seit im Kanton Tessin die Wahllokale für die Kommunalwahlen geschlossen haben: Zeit nun mit kühlem Kopf die Ergebnisse zu analysieren, die im progressiven Bereich des Kantons erzielt wurden. Dies zu tun ist wichtig, denn die Gemeindepolitik sollte von denjenigen, die für eine soziale Transformation einstehen, nicht unterschätzt werden: Auch dort kann die Theorie in eine Praxis umgewandelt werden, die von der Bevölkerung effektiv wahrgenommen werden kann.

Die Sozialdemokratische Partei hält sich in den Zentren und wächst in der Peripherie

Der Partito socialista gewann 11 neue Gemeinden und 31 neue Gemeinderatssitze, wobei die SP in den kleinen und mittelgrossen Gemeinden einen deutlichen Zuwachs verzeichnete und in den grossen Zentren des Kantons das Vertrauen der Wähler behielt (Anzeichen für eine Schwächung gab es allerdings auch, zum Beispiel in Lugano). Der kantonale Co-Präsident der SP, Fabrizio Sirica, bezog am 28. April für den kantonalen Parteivorstand Stellung: «Die Linke hat die Wahlen gewonnen, unter den politischen Gruppierungen haben wir das beste Ergebnis erzielt, was den Zuwachs an Sitzen sowohl in der Exekutive als auch in der Legislative betrifft». Der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär verbirgt einige Befürchtungen nicht: «Die SP steht in den Parlamenten der Städte objektiv unter Druck. Es gibt hier eine Zersplitterung, die in der Zukunft zu der Gefahr der Übertragung von Stimmen an die Grünen oder die alternative Linke führen kann.»

Zufrieden mit dem Wahlergebnis ist der sozialdemokratische Co-Vorsitzende Fabrizio Sirica.

Grüne Partei wächst, schafft aber keinen Durchbruch

Die Grüne Partei hat nicht die Ergebnisse erzielt, die sie sich erhofft hatte, denn die berühmte «grüne Welle», die in der Binnenschweiz auftrat, scheint die Alpen nicht überquert zu haben. Die Spitze der Grünen beglückwünschte sich schnell zu dem Ergebnis und verwies auf die Verdoppelung der Anzahl der Exekutivmitglieder (von 2 auf 4) und der grünen Gemeinderäte (von 30 auf 60). Doch bei genauerem Hinsehen scheint dieses scheinbar hervorragende Ergebnis undurchsichtiger zu sein, als die Grünen es vorgeben.

Der Fall Locarno ist emblematisch: Pierre Zanchi, der einzige von den Grünen gewonnene Stadtrat (Exekutive) in einer der grossen Städte des Kantons, kandidierte eigentlich als Unabhängiger, und es ist noch nicht klar, wie sehr er mit der kantonalen Führung zusammenarbeiten wird. Aber auch die in den Gemeinderat (Legislative) Gewählten scheinen wenig Verbindung zur Partei zu haben, die sie eigentlich vertreten sollen: Einer von ihnen ist sogar ein Überläufer von den Liberalen, während der regionale Koordinator der Grünen, Matteo Buzzi, in der Legislative von Locarno nicht bestätigt wurde. In den anderen Zentren war das Ergebnis nicht so beeindruckend wie erwartet: in Lugano stiegen die Grünen von 3 auf 5 Sitze und in Bellinzona von 2 auf nur 3 Sitze.

Trotz der Abwahl von Matteo Buzzi hat Samantha Bourgoin die Strategie der Grünen bekräftigt.

Was für Samantha Bourgoin der Schlüssel zum Erfolg war, nämlich «den Besonderheiten jeder Gemeinde Raum zu geben und den Sektionen die Freiheit zu lassen, sich mit der extremen Linken in Bellinzona, mit der SP in Mendrisio oder in Chiasso zu verbünden und in Locarno allein zu kandidieren», scheint das Ergebnis einer Partei etwas getrübt zu haben, von der viele (nicht alle) ein viel spektakuläreres Resultat erwartet hatten. Während es zweifelsohne erhebliche Fortschritte gab, hat diese auf kommunaler Ebene gewährte Freiheit in der Bündnispolitik daher aber die ohnehin latente politische Zweideutigkeit der Grünen verstärkt.

Der Flop der Trotzkisten und des ForumAlternativo

Die «harte und reine» Opposition, die von den Trotzkisten der Bewegung für den Sozialismus (BfS) betrieben wird, und das Neue, das das ForumAlternativo (FA) vertritt, ist in der Tat bei ihrem Versuch des «Sturms auf den Fleiss» gescheitert: Trotz den grossen Erwartungen ist die Bilanz sehr bescheiden, wie die in den Zentren erzielten Ergebnisse zeigen.

Für die BfS ist in Bellinzona, wo die Trotzkisten mit den Grünen kandidierten und wo die Wahl von Matteo Pronzini zum Stadtrat von den Führern der Bewegung als selbstverständlich angesehen wurde, ein äusserst begrenztes Wachstum zu verzeichnen: Sie schaffte es nicht in die Exekutive, die BfS glänzte nicht einmal im Stadtrat, wo sie nur einen Sitz gewann. Deutlich schlimmer erging es ihnen in Lugano: Die Trotzkisten haben trotz dem medialen Rückenwind, den sie mit der Lancierung eines Referendums über den Polo Sportivo Cornaredo erhielten, keinen einzigen Sitz im Stadtrat erhalten. Ein echtes Strohfeuer, wenn man bedenkt, dass die BfS ihre Strategie nur auf diese beiden Zentren ausgerichtet zu haben schien.

Prognosen Pino Sergis nicht eingetreten: Matteo Pronzini nicht in der Hauptstadt-Legislative

Was stattdessen das ForumAlternativo (FA) betrifft, haben die Führer der von Franco Cavalli gegründeten Bewegung zwar von einem «historischen Ergebnis» gesprochen. Aber man kann nicht von einer wirklichen Verwurzelung der Bewegung sprechen. Wenn das FA bei seiner ersten Teilnahme an einer Kommunalwahl 8 Sitze in 6 Tessiner Gemeinden errungen hat, ist doch festzuhalten, dass die grosse Mehrheit der Gewählten (7 von 8) aus Locarno – Cavallis Herkunftsregion – kommt. Das Forum hat sich vor allem mit der Sozialdemokratie verbündet und darauf verzichtet, eigene Listen zu bilden. Es ist auch anzumerken, dass das FA nicht in die Legislative von Bellinzona einzog, wo die Bewegung gemeinsam mit den Grünen und der BfS kandidiert hatte. In Lugano ist die Wiederwahl von Demis Fumasoli, der von der SP-Fraktion her kommt, eher auf die Vorzugsstimmen (die übrigens hauptsächlich von rechts kamen) für den einzigen Kandidaten zurückzuführen, der über eine Bekanntheit verfügt, als auf eine gute Performence der Liste FA-POP.

Kommunisten zufrieden: zwischen lokaler Verwurzelung und Verjüngung

Die Ergebnisse der Kommunistischen Partei haben die Begeisterung ihrer Aktivisten geweckt, denn alle drei Ziele, die man sich vor über einem Jahr gesetzt hatte, wurden erreicht: die Wiederwahl von Lea Ferrari als Mitglied der Exekutive in Serravalle, die Sicherstellung der Präsenz der Kommunistischen Partei in den grossen Zentren (Rückkehr in den Gemeinderat von Locarno) und die Verdoppelung der Gesamtzahl der gewählten Mitglieder in den Tessiner Gemeinden. Die KP ist jetzt in Bellinzona, Lugano, Locarno, Chiasso, Serravalle, Gordola, Losone, Capriasca, Alto Malcantone und Morbio Inferiore vertreten. Das ist ein sehr respektables Ergebnis, vor allem angesichts der üblen antikommunistischen Angriffe, die kurz vor den Wahlen in den sozialen Netzwerken und in der Zeitung «LaRegione» zu lesen waren.

Von uns kontaktiert, kommentierte Edoardo Cappelletti, Koordinator der kommunalen Behördenvertreter der Kommunistischen Partei, das Ergebnis der Wahlen: «Das Ergebnis ist voll zufriedenstellend und unterstützt die Strategie, auf kommunaler Ebene die breitesten Übereinstimmungen zu suchen und gleichzeitig die starke politische Identität der Kommunisten zu bewahren. So festigt die Partei ihre Arbeit der territorialen Verwurzelung und überträgt vielen jungen Aktivisten auch an der institutionellen Front Verantwortung. In naher Zukunft wird es darum gehen, die Kommission der lokalen Behördenvertreter wieder ins Leben zu rufen, die durch die Durchführung von Schulungs- und Koordinierungsaufgaben die Intervention der Kommunisten in den verschiedenen Gemeinderäten stärken wird.»

Der Kommunist Edo Cappelletti, der in der Luganesischen Legislative wieder bestätigt wurde, ist mit dem Ergebnis zufrieden.

Schliesslich ist noch das junge Alter vieler gewählter Mitglieder der Kommunistischen Partei zu erwähnen, das auf die nicht unbedeutende Analyse- und Handlungsfähigkeit hinweist, die die KP ihren Mitgliedern, die regelmässig an politischen Schulungen teilnehmen, garantiert: Die gewählten Frauen und Männer haben das Vertrauen der Wähler also nicht nur erhalten, weil sie jung sind, sondern weil sie auf politischer Ebene tatsächlich fähige Leute sind.

Einheitliche Linke gewinnt, sektiererische Opposition läuft auf

Im Grossen und Ganzen haben die Kommunalwahlen vom April 2021 sicherlich den linken Flügel der Tessiner Politik belohnt, der insgesamt gestärkt aus diesem Urnengang hervorging und einen Teil des in den letzten Jahrzehnten verlorenen Bodens zurückgewinnt. Die Gesamtbilanz ist jedoch gemischter: Wir glauben sagen zu können, dass die progressiven Listen, die oft auf einer lokalen Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten beruhen, am meisten von dieser Wahl profitiert haben, während die «harte und reine» Opposition (wenn sie nicht explizit sektiererisch war), die von der BfS und (wo sie nicht mit der SP kandidierte) von der FA verkörpert wurde – hier und da von den Grünen unterstützt –, von den Wählern nicht belohnt wurde. Ein Ergebnis, das einmal mehr die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Reflexion über das Wesen und die Möglichkeiten linker Bündnisse aufzeigt: Über die Geschlossenheit, mit der sie im Allgemeinen auf kommunaler Ebene auftreten, sowie über die Erfolge, die nur auf der Grundlage konstruktiver Beziehungen und gemeinsamer politischer Plattformen erzielt werden können.
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Veröffentlicht am 7. Mai 2021 in sinistra.ch.