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Palästinenser werfen Steine auf israelische Streitkräfte, als diese während einer Razzia der israelischen Armee in der Stadt Nablus im Westjordanland am 4. Mai 2023 3 Männer erschiessen.

Gazainfo: Eskalationen in Palästina – Kriegshetze in Europa

Es geht in Gazainfo 120 primär um die Eskalation im sogenannten Nahen Osten, aber auch die Kriegspropaganda in den europäischen Ländern wird berührt. Der erste Teil des Interviews wurde bereits am 8. April 2023 geführt; der Nachtrag zu den jüngsten Eskalationen wurde am 4. Mai 2023 aufgenommen.

Vor allem zu Ostern wurde viel über die Auseinandersetzungen um die Al-Aqsa-Moschee und Zusammenstössen mit den zionistischen Siedlern berichtet. Derzeit erfährt man in den hiesigen Medien wieder kaum etwas darüber. Wie beurteilst du die derzeitige Eskalation in Palästina?

Es ist wirklich kein neues Phänomen, aber zu Ostern gab es die Beteiligung von Regierungsmitgliedern an der Demo rechtsradikaler Siedler und Ereignisse wie die Ermordung eines fünfzehnjährigen Jungen in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Jericho.

Immer wieder versuchen die Siedler die Palästinenser zu vertreiben, wie in Evyytar (Eviatar) in der Nähe des Sabih-Bergs im Süden von Nablus. Dabei gab es 70 Verletzte. Aber auch so wie in Huwara im Süden von Nablus, das wurde bereits am 26. Februar von hunderten ultrarechten Siedlern überfallen. Sie haben ein Pogrom veranstaltet. Sie verfolgen immer diese Taktik, damit sie neue Siedlungen bauen oder bestehende vergrössern können.

Aber sie stehen auch unter Druck, denn alle diese Versuche können die israelischen Widersprüche nicht auflösen. Weder durch Aggressionen nach innen noch nach aussen und weder im Libanon noch im Gazastreifen noch gegen den Iran. Weil: es könnte ein grosser Krieg stattfinden und Israel ist nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen. Weder politisch, noch militärisch, noch finanziell bzw. materiell. Israel hat auch Angst, in zu viele Konflikte verwickelt zu sein, denn es kann ohne die Unterstützung der USA nicht gewinnen.

In den israelischen Medien wurde veröffentlicht, welche Widersprüche es zwischen dem israelischen Sicherheitsapparat und dem Militär gibt. Denn es gab in der rechtsrechten Regierung von Netanyahu Diskussionen, ob sie gegen den Libanon oder gegen Gaza eine Aggression durchführen können oder nicht. Der Mossadchef, David Barnea, hat angeregt, dass nicht nur gegen die Hisbollah im Libanon vorgegangen wird, sondern auch der Gazastreifen bombardiert werden soll. Aber der Armeechef, Verteidigungsminister Galant, hat geantwortet, dass die derzeitige politische Situation gegen eine solche Aggression sprechen würde. Besonders, nachdem Fotos und Videos vom Vorgehen der israelischen Sicherheitsorgane in der Al Aqsa publiziert wurden, wo man sieht, wie betende Gläubige geschlagen und brutal verprügelt wurden. Es sind viele hundert Personen festgenommen worden, obwohl sie nichts verbrochen hatten, ausser im Ramadan zu beten. Die Ashkenazim haben Angst, ihre Privilegien zu verlieren, wenn die rechten Parteien sie entmachten. Sie haben seit der Gründung Israels Einfluss und Macht gehabt und wollen ihre Schlüsselpositionen nicht aufgeben, denn sie haben Israel jahrzehntelang angeführt und besitzen noch immer ihre Stellungen im Militär und der Armee, in der Politik, bei den Banken, in der IT- Branche, auf den Universitäten …

Deshalb versuchen sie jetzt, auf der Strasse, etwas zu erreichen. Sie planen einen Generalstreik oder hoffen, den Likud spalten zu können, denn dann würde die Regierung zusammenbrechen. Umfragen ergaben, das die rechte Regierungskoalition um den Likud von Netanyahu derzeit nur auf etwa 48 Mandate kommen würde. Die Arbeiterpartei und andere «linke» Kräfte kommen nur auf einige wenige Mandate, während eine vereinte Opposition die derzeitige Regierung zu Fall bringen könnte. Der Likud selbst käme nur mehr auf 20 statt auf 32 Mandate bei der letzten Wahl, d. h. er hat 12 Mandate verloren. Er käme nur mehr auf den dritten Platz. Erste ist derzeit die Partei von Lapid. Aber die Regierungskoalition will nicht aufgeben, solange sie ihre Mandate haben und sich irgendwie an der Macht halten kann. Aber sie befinden sich in einer Sackgasse nach innen und nach aussen.

In letzter Zeit gab es mehrere Aufmärsche rechter Siedler. 1500 fanatische Siedler stürmten die Al Aqsa, beschützt von der regulären Polizei.

Wie beurteilst du die derzeitige Kriegshetze in Europa und dabei die Nato-Orientierung vormals neutraler Staaten wie Österreich?

Österreich war nie wirklich neutral, das hat man bei allen Aggressionen der Nato gesehen und der österreichischen Haltung dazu. Auch verlieren die herkömmlichen Parteien wie die Sozialdemokratie oder die Christdemokraten an Einfluss. Die etablierten Parteien spalten sich oder es kommen neue Parteien, von denen wir vorher noch nichts gehört haben. Und es verschwinden Parteien, die in den letzten 70 Jahren an der Macht waren. Durch diese Krisen sind die Masken gefallen.

Früher hat eine Partei allein eine Regierung gestellt, heute brauchst du mehrere Parteien, die eine Regierung bilden. Man sieht das bei der Regierung in Schweden, es gibt eine Koalition von Rechtsparteien in Italien um Meloni, oder bei Macron in Frankreich. Die Welt ist im Wandel und in 10 bis 15 Jahren werden wir das richtig bemerken. Aber die wichtige Sache ist, dass derzeit die Masken gefallen sind, so wie bei den deutschen Grünen.

In Griechenland gab es eine Regierung von Linken, bis sie von der EU so lang unter Druck gesetzt wurden, dass sie die Macht abgaben. Bei unterschiedlichen Punkten haben sich heute bisher rechte oder linke Positionen trotz grossen Gegensätzen und unterschiedlicher Motivation scheinbar «getroffen», bei Corona, bei der Ukraine und der Haltung zu Russland usw. Nicht zu vergessen, gab es das schon bei Palästina, obwohl die meisten Rechten hinter Israel stehen … Und so wie in Deutschland die AFD steht zumindest teilweise auch eine Fraktion der Linkspartei hinter Russland.

In Zukunft wird die Welt entweder radikal rechts oder links. Dass viele ehemals Linke heute oft stärker die herrschenden Positionen vertreten als die Rechten liegt aber vor allem an den Medien. Abweichende Meinungen werden verteufelt. In den ostdeutschen Städten siehst du aber, wie wieder mehr kritische Menschen auf die Strasse gehen. Die Leute demonstrieren dort gegen die Positionen der deutschen Regierung, gegen die Besteuerung und Teuerung von Energie, Gas und Diesel, das kannst du in allen ostdeutschen Städten beobachten.

Nachtrag am 4. Mai 2023. Auch wenn wir darüber noch ein eigenes Info machen sollten: Kannst du noch kurz die jüngsten militärischen Auseinandersetzungen mit Raketenbeschüssen zwischen dem Gazastreifen und Israel kommentieren? Wir hörten von mindestens 30 Raketen, die auf Israel abgefeuert wurden und von israelischen Luftangriffen?

Die jüngsten Konflikte zwischen dem Gazastreifen und Israel eskalierten, als Khader Adnan, ein sehr bekannter palästinensischer Gefangener und Aktivist, nach 86 Tagen Hungerstreik gestorben ist.

In den israelischen Knästen befinden sich mehr als 4900 männliche und weibliche Gefangene. Davon wurden mehr als 550 zu lebenslanger Haft verurteilt. Mehr als 800 Personen sitzen in Administrativhaft (Anmerkung des Interviewers: ohne Verurteilung und Prozess werden Personen monate- und jahrelang festgehalten). Mehr als 50 Gefangene sind Frauen und Kinder. Seit 1967 wurden mehr als 260 Gefangene in israelischen Knästen getötet. In den letzten Monaten: Nasser Abu Hamid, Abu Ramooz, Ahmad Abu Ali und jetzt Khader.

Auch im Westjordanland kam es zu Auseinandersetzungen. Heute gab es in Nablus ein Massaker, bei dem eine israelische Sondereinheit in Frauenkleidern getarnt war, um reinzukommen. Aber auch mehrere Militärautos waren involviert. Mehr als 200 Angehörige der israelischen Armee und vom Geheimdienst waren beteiligt.

Polizeihund

Israelische Medien beklagen den Tod eines Polizeihundes beim Einsatz in Nablus.

Die Schlacht dauerte 3 Stunden. Sie haben 3 Männer getötet, von denen sie 2 beschuldigten, vor einigen Wochen die 3 Siedler getötet zu haben. Die Hamas hat die Nachricht herausgegeben, dass die Männer Mitglied der Qassambrigaden waren. Ihre Namen sind Hassan Kattani und Moaz Al Masri, das dritte Opfer war der Hausbesitzer namens Ibrahim Jabber. Es gab auch mehrere Verletzte. Ob es auch bei den Israelis Verletzte gab, ist nicht bekannt, in ihren Medien haben die Zionisten nur verlautbart, dass sie die Männer getötet haben. Aber ein berühmter Polizeihund wurde dabei von Kugeln getroffen und getötet, der bei mehr als 100 Operationen der Israelis eingesetzt wurde. Ein deutscher Schäferhund, die werden bei den Israelis gern für Einsätze gegen die Palästinenser missbraucht.
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Herausgeber: Gazainfo, Stiftgasse 8, 1070 Wien