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Linke rufen zur Unterstützung der Neutralitätsinitative auf

Linker Support für die noch bis Mai 2024 laufende Volksinitiative zur Wahrung der schweizerischen Neutralität ist nicht ganz neu. Schon bald nach der Lancierung der Initiative hatten die Kommunistische Partei sowie die Partei der Arbeit Basel (PdA) zum Unterzeichnen aufgerufen. Ein Anliegen, das für Linke eigentlich selbstverständlich sein müsste, hat nun mit einem innerhalb der Linken breit abgestützten Aufruf neuen Schub erhalten.

Die Bundesverfassung erwähnt zwar die Neutralität des Landes, definiert sie jedoch nicht, wie im linken Aufruf zur Unterzeichnung der Initiative festgehalten wird. Denn genau dieses Manko in der Verfassung holt die Initiative nach. Sie will der Aussenpolitik der Schweiz eine Richtung vorgeben, die gerade in Bezug auf die jüngsten Konfliktherde schmerzlich vermisst wird. Damit würde dem Ausland signalisiert, was von der Schweiz in solchen Fällen zu erwarten ist. Die Volksinitiative will die Bundesverfassung um den folgenden Artikel ergänzen:

Art. 54a Schweizerische Neutralität”

  1. Die Schweiz ist neutral. Ihre Neutralität ist immerwährend und bewaffnet.
  2. Die Schweiz tritt keinem Militär- oder Verteidigungsbündnis bei. Vorbehalten ist eine Zusammenarbeit mit solchen Bündnissen für den Fall eines direkten militärischen Angriffs auf die Schweiz oder für den Fall von Handlungen zur Vorbereitung eines solchen Angriffs.
  3. Die Schweiz beteiligt sich nicht an militärischen Auseinandersetzungen zwischen Drittstaaten und trifft auch keine nichtmilitärischen Zwangsmassnahmen gegen kriegführende Staaten. Vorbehalten sind Verpflichtungen gegenüber der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) sowie Massnahmen zur Verhinderung der Umgehung von nichtmilitärischen Zwangsmassnahmen anderer Staaten.
  4. Die Schweiz nutzt ihre immerwährende Neutralität für die Verhinderung und Lösung von Konflikten und steht als Vermittlerin zur Verfügung.

Für eine international orientierte Schweiz

Als Begegnungsort und Schnittstelle unterschiedliche Kulturen und Weltanschauungen wäre die Schweiz dazu berufen, den Frieden in der Welt aktiv zu fördern. Dazu muss jedoch, wie der Aufruf hervorhebt, «unsere Neutralitätspolitik auch gegenüber den Ländern des Südens und solchen ohne das westliche Demokratiemodell glaubwürdig sein». In ihren Friedensbemühungen dürfe sich daher die Schweiz als Staat nicht den Standpunkten des einen oder anderen Lagers anschliessen, sondern müsse gegenüber allen Konfliktparteien Verständnis und Dialogbereitschaft aufbringen. Denn so allein kann sie allseitig Vertrauen gewinnen und dauerhaft behalten. Nur so ist es auch möglich, jedem Staat der internationalen Gemeinschaft als Verhandlungsort zur Verfügung zu stehen.

Aktive Neutralität der Schweiz als europäisches Friedensprojekt

Im linken Aufruf wird kein sentimentales Bild der schweizerischen Neutralitätsgeschichte verbreitet. Es wird daran erinnert, dass während der beiden Weltkriegen unsere Neutralität stark unter Druck geraten war und ihr nur bedingt nachgelebt wurde bzw. werden konnte. Aber diese defizitäre Neutralitätspolitik hat es dem Land immerhin ermöglicht, nicht in die Kriegsstrudel hereingezogen zu werden. Während des Kalten Krieges jedoch habe, heisst es im Aufruf, «die Schweiz wesentlich dazu beigetragen, dass die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zu einem den Frieden und die Verständigung fördernden Abschluss kam». Darauf könne das Land stolz sein. Daher sollte das Versprechen der Eidgenössischen Tagsatzung von 1815, «die immerwährende Neutralität anzuerkennen und zu gewährleisten, welche das gemeinsame europäische Staateninteresse zu Gunsten der Eidgenossenschaft erheischt», nach mehr als 200 Jahren glaubhaft erneuert werden: «Mit ihrem Neutralitäts-Knowhow kann die Schweiz zudem Staaten in ähnlicher geopolitischer Situation unterstützen: mit anderen neutralen und bündnisfreien Staaten ein Netzwerk bilden, das sich für die De-Eskalation zwischen verfeindeten Nationen einsetzt.»

Solidarisch mit den Ärmsten der Welt

Die Rückkehr zur integralen Neutralität würde die Schweiz international wieder glaubhaft machen. Daher schliesst der neue Verfassungsartikel – vielleicht als wichtigste Neuerung – die Beteiligung der Schweiz an nichtmilitärischen Zwangsmassnahmen aus, sofern sie nicht völkerrechtlich gedeckt sind. Der Aufruf weist auch darauf hin, dass Wirtschaftssanktionen eines mächtigen Landes oder Länderblocks willkürlich sind. Sie bedrohen den Frieden und führen zu Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen. Mit Sanktionen werden zudem die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichgewichte zwischen dem Westen und dem ärmeren Rest der Welt nicht behoben, sondern verschärft. Solidarität nur mit Staaten und Menschengruppen zu zeigen, die einen vergleichbaren Lebensstandard haben und die westlichen Werte teilen, sei ein Unding. Das müsse sich ändern und die Schweiz sich deshalb allparteilich solidarisch zeigen allen Staaten, die in Not sind, ihre Solidarität erweisen. Praktisch läuft dies auf mehr Solidarität mit den Armen dieser Welt hinaus.

Verzicht auf Nato-Beitritt als zentraler Beitrag zum Weltfrieden

Die Nato ist längst kein Verteidigungsbündnis mehr (sofern sie das überhaupt einmal war). Sie ist definitiv zu einer aggressiven Formation geworden, die weit über den Nordatlantik hinausgreift. Sie dient dem Ziel des Westens, seine Vormachtstellung aufrechtzuerhalten und auszubauen, was durch die Nato-Einsätze im Irak, in Afghanistan und in Libyen zum Zusammenbruch dieser Staaten geführt hat. Da in diesen Ländern durch die Interventionen nun die nackte Not herrscht, sieht sich Europa mit gewaltigen Flüchtlingsströmen konfrontiert. Und wenn die Nato sich zunehmend als Organisation versteht, die «unseren Lebensstandard verteidigt», kann ein Nato-Beitritt der Schweiz keinesfalls eine Option sein. Die Zukunft der Schweiz müsse daher weiterhin in ihrer Neutralität zu finden sein. Je mehr Länder unabhängig und neutral bleiben, umso sicherer wird der Friede. Insofern setzt der Aufruf auch Fragezeichen zum völkerrechtlichen Prinzip der kollektiven Selbstverteidigung und stellt ihm die bewaffnete Neutralität gegenüber. Der Aufruf schliesst mit folgendem Absatz:

Die Schweiz weist die kollektive Selbstverteidigung zurück und verspricht, bei keinen Kriegen mitzumachen: Sie bleibt pazifistisch, egal wie gross der wirtschaftliche und moralische Druck aus dem Ausland ist. Weil die Wahrheit über Kriegsursachen und Kriegsgründe immer erst Jahrzehnte danach ans Tageslicht kommt, verzichtet die Schweiz aus Prinzip auf Kriegsbündnisse. Sie beteiligt sich weder an der Kriegshetze gegen andere Länder noch an deren Dämonisierung — das hoffen wir: Die Schweiz soll kein Land von selbstgerechten und selbstherrlichen Kriegsmitmachern werden. Fertig mit dem Lagerdenken, befreit für die Sachdebatte plädieren wir: Ja zur Neutralitätsinitiative!