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Wen wundert’s: Israel beschuldigt den IGH des Antisemitismus …

Der Internationale Gerichtshof hat am Freitag (26. 1. 2024) den Antrag Israels abgelehnt, die von Südafrika angestrengte Völkermordklage abzuweisen. Er entschied mit überwältigender Mehrheit, dass das Verfahren fortgesetzt werden soll, und wies Israel an, in der Zwischenzeit keine Palästinenser mehr zu töten oder zu verletzen. Israelische Minister bezeichnen das als Antisemitismus.

Von CAITLIN JOHNSTONE

Viele Palästina-Unterstützer haben ihre Bestürzung darüber geäussert, dass der IGH nicht ausdrücklich einen Waffenstillstand angeordnet hat, während viele andere (einschliesslich südafrikanischer Beamter) argumentieren, dass das Urteil sehr positiv sei und einem Waffenstillstandsbefehl gleichkomme, da es das Ende der Schädigung von Mitgliedern der geschützten Gruppe fordere.

Die imperialen Medien betonen in ihren Schlagzeilen penetrant das Fehlen eines Waffenstillstandsverfügung, und viele Israel-Apologeten stellen dieses Fehlen als einen Sieg für ihren verherrlichten Ethnostaat dar. Aber dieses performative Brustklopfen wird durch die Art und Weise untergraben, in der hochrangige israelische Beamte den IGH derzeit des Antisemitismus beschuldigen und dazu auffordern, Israel solle seine Urteile ignorieren.

«Der internationale Gerichtshof ist über das Ziel hinausgeschossen, als er dem antisemitischen Antrag Südafrikas stattgab, den Vorwurf des Völkermords in Gaza zu diskutieren, und weigert sich nun, die Petition rundheraus abzulehnen,» beschwerte sich der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant als Reaktion auf das Urteil.

«Die Entscheidung des antisemitischen Gerichts in Den Haag beweist, was bereits bekannt war: Dieses Gericht sucht nicht nach Gerechtigkeit, sondern nach der Verfolgung des jüdischen Volkes,» sagte der israelische Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir. Ben Gvir twitterte auch gleich nach der Urteilsverkündung «Haager Schmague», was wahrscheinlich als der israelischste Tweet aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird.

Alle streiten sich darüber, ob das Urteil des IGH hilfreich ist oder nicht, und ich kann im Moment seine Dimensionen auch nicht ganz abschätzen, und ich weiss nicht genug, um mir darüber im Klaren zu sein, aber so wie die Dinge im Moment stehen, scheint es mir unwahrscheinlich, dass die Manager der israelischen Kriegsmaschinerie so ausflippen und ihr altes Lied vom «Antisemitismus» anstimmen würden, wenn nicht etwas Substanzielles daran wäre.

Der Völkerrechtler Francis Boyle, der 1993 vor dem IGH einstweilige Massnahmen gegen Jugoslawien erwirkt hatte, äusserte sich zu dem Urteil wie folgt:
«Dies ist ein massiver, überwältigender juristischer Sieg für die Republik Südafrika gegen Israel im Namen der Palästinenser. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen kann nun Israel von der Teilnahme an ihren Aktivitäten ausschliessen, wie sie es bei Südafrika und Jugoslawien getan hat. Sie kann Palästina als Vollmitglied aufnehmen. Und – vor allem, da der Internationale Strafgerichtshof eine Farce ist – kann sie ein Tribunal einrichten, um die höchsten Offiziellen der israelischen Regierung, sowohl zivile als auch militärische, strafrechtlich zu verfolgen.»

Jeder halte davon, was er will. Auf jeden Fall muss das Gemetzel in Gaza dringend beendet werden, und nur die Zeit wird zeigen, ob die Entwicklung vom Freitag irgendeinen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang dieses Grauens hat.

Was hätte ich nicht alles dafür gegeben, bei den Sitzungen im US-Aussenministerium am Freitag dabei gewesen zu sein. Es sind Tage wie dieser, die vor Augen führen, warum die Manager des Imperiums nicht mehr von «internationalem Recht» sprechen, sondern den nichtssagenden Ausdruck «regelbasierte internationale Ordnung» verwenden.
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Der Text ist am 27. Januar im Blog von Caitlin Johnstone erschienen.