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Es ist schon wieder soweit: deutsche Armeestäbe planen den Zug nach Osten.

Taurus-Planspiele deutscher Generäle: Teil einer Anti-Kanzler-Intrige?

Grosses Lamento im deutschen Mainstream über die enthüllte Beratung deutscher Generale über den möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern in den Tiefen Russlands. Der Publizist GILBERT DOCTOROW fragt sich im folgenden Artikel, ob das Gespräch der Generale gar nicht geheim bleiben sollte – mit der Absicht, die zögerliche Haltung Scholz’ in dieser Frage oder sogar seine Kanzlerschaft zu unterminieren? Führte vielleicht Victoria Nuland dabei die Regie? Und steht deren plötzlicher Rücktritt mit dem Scheitern dieser Strategie in Zusammenhang?

Es gibt viele «offene Fragen» in der Geschichte über die deutschen Armee-Generäle, die darüber diskutiert haben, wie Taurus-Raketen unter anderem zur Zerstörung der Brücke von Kertsch (Verbindung des russischen Festlandes zur Krim) eingesetzt werden könnten. Nicht zuletzt ist es die Frage, wie die Russen die angeblich gesicherten Kommunikationsleitungen angezapft haben, um an die Aufnahme zu gelangen, die Margarita Simonyan von RT veröffentlicht hat. Wie kompliziert und voller Spekulationen der ganze Skandal ist, machte ein gewisser Alexander Sosnovsky bei seinem Auftritt in der [russischen] Talkshow «Abend mit Vladimir Solovyov» deutlich.

Der in Kiew geborene Sosnovsky ist eingebürgerter Deutscher, der in den 1990er Jahren ins Land kam und als Dozent für internationale Politik an Universitäten und Think Tanks Karriere gemacht hat. Ausserdem ist er Herausgeber der Internet-Zeitschrift World Economy. Sosnovskys Nebenbeschäftigung ist die Teilnahme an Talkshows des russischen Staatsfernsehens, entweder im Studio in Moskau oder per Fernübertragung aus Berlin, wie gestern, als er hinter dem Steuer seines geparkten Autos sprach. Man kann davon ausgehen, dass Sosnovsky für seine Zeit im russischen Fernsehen gut bezahlt wird, im Gegensatz zu den einheimischen russischen Diskussionsteilnehmern, die mit einer Tasse Kaffee, einem kleinen Sandwich und einem Händedruck bedacht werden.

Die meisten von Sosnovskys Auftritten in der Solovyov-Show waren aus meiner Sicht inhaltsleer. In Anbetracht seines Wohnorts und seiner jüdischen Identität gibt Sosnovsky dem Moderator regelmässig verbale «High Fives» und wenig mehr. Aber seine zehn Minuten am Mikrofon gestern Abend haben meine volle Aufmerksamkeit erregt.

Sosnovsky tat das, was die Journalisten der Financial Times in ihrem Artikel über den Skandal versäumt hatten: Er fragte, wer die Generäle auf den Aufzeichnungen sind, welche Beziehungen sie zu den zivilen Behörden in Deutschland und zu Big Brother in Washington haben. Wenn man das tut, wird die Sache richtig interessant.

Der Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, Generalleutnant Gerhartz, steht dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius sehr nahe. Dieser lässt sich in militärischen Fragen von ihm beraten, da er, Pistorius, davon keine Ahnung hat. Pistorius hat ein Hochschulstudium der Politikwissenschaft absolviert und hat eine Regierungskarriere auf kommunaler Ebene (in der westfälischen Stadt Osnabrück) gemacht, gefolgt von einer Tätigkeit als Innenminister in Niedersachsen von 2013 bis 2023. Vor etwas mehr als einem Jahr wurde er von Scholz zum Verteidigungsminister ernannt.

Natürlich ist es nicht verwunderlich, dass in Deutschland eine in militärischen Angelegenheiten völlig inkompetente Person mit der Leitung des Kriegsministeriums betraut wurde. Schliesslich war Ursula von der Leyen, bevor sie an die Spitze der Europäischen Kommission versetzt wurde, deutsche Verteidigungsministerin und hat eine Ausbildung als … Gynäkologin.

Pistorius ist Mitglied derselben Partei wie Scholz (Sozialdemokraten) und wird in der breiten Öffentlichkeit als beliebter wahrgenommen [bzw. in den Medien gemacht]. Sicherlich wird er in Bezug auf Russland als härter und entschlossener eingeschätzt als der Bundeskanzler.

Sosnovsky vermutet, dass die von Gerhartz moderierte Diskussion über die Möglichkeiten des Einsatzes der deutschen luftgestützten Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 km zum Angriff auf die Brücke von Kertsch (Krim) dazu gedient hat, die Argumente des Kanzlers gegen die Übergabe dieser Waffen an die Ukraine zu entkräften [Scholz’ Argumentation gründet darauf, dass der Taurus-Einsatz deutsche Truppen in der Ukraine nötig machen würde, was von Moskau wiederum als Kriegseintritt taxiert werden könnte.]. Dass das Gespräch von Aussenstehenden mitgehört, d.h. «abgehört» wurde, war möglicherweise kein Zufall, sondern die eigentliche Absicht. [Die Sandkastenübung der Generäle sollte wohl zeigen, dass der Taurus-Einsatz von Deutschland aus gelenkt werden kann]. Kurzum, Sosnovsky deutet an, dass ein Putsch zur Entmachtung von Scholz die wahre Absicht der Verschwörer gewesen sein könnte.

Dieses Szenario wird dadurch unterstützt, dass dazu Kommunikationsleitungen benutzt wurden, die nicht vollständig sicher waren und sein konnten. Gespräche über solch vertrauliche Sicherheitsfragen dürfen nach militärischen Vorschriften niemals mit Personen ausserhalb der Grenzen der Bundesrepublik geführt werden. Dennoch befand sich einer der Hauptteilnehmer, Erik Gräfe, zu dieser Zeit in Singapur, und die Leitung war eine WebEx-Internettelefonie von Cisco, was bedeutet, dass der US-Geheimdienst sie leicht hätte abhören können, ganz zu schweigen von den Nachrichtendienstlern weiterer 15 Länder, darunter Russland.

Wie Sosnovsky feststellt, machte Gräfe keinen Urlaub in Singapur. Nein, er war nur auf einem Zwischenstopp auf seinem Weg nach Alaska. Nach Alaska? In diesem Zusammenhang ist es höchst relevant zu erwähnen, dass Gräfe enge berufliche Beziehungen zu den Amerikanern unterhielt. Ende 2019 wurde er zum Militärattaché der Bundesrepublik in der deutschen Botschaft in Washington ernannt. Zu diesem Zeitpunkt wurde er in den Rang eines Brigadegenerals befördert. Ich werde einen Schritt über die gebildeten Vermutungen von Herrn Sosnovsky hinausgehen und fragen, ob nicht in Wirklichkeit Washington hinter diesem Putschkomplott steckt, da Scholz in den Augen der rabiaten Russophoben in der Biden-Administration nicht für den Zweck geeignet ist.

Doctorow spekuliert in einem weiteren Beitrag eine Verbindung zwischen dem unterdessen bekannt gewordenen Rücktritt der Hardlinerin Nuland von ihrem Posten im US-Aussenministerium mit den Planspielen der deutschen Generäle und fragt sich, ob da allenfalls ein Zusammenhang bestehen könnte:

Die neueste Nachricht ist, dass Victoria Nuland vom Aussenministerium zurückgetreten ist, wo sie zwar offiziell nur den dritten Rang innehatte, aber einen sehr grossen Einfluss auf die Formulierung der US-Politik in Bezug auf das wichtigste Thema des letzten Jahrzehnts hatte: Russland, Russland, Russland. Wir sollten uns daran erinnern, dass Nuland der führende Geist des Maidan war, der auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew Donuts an die idealistischen Jugendlichen verteilte, die den Sturz des rechtmässig gewählten Präsidenten Janukowitsch anstrebten. Wie wir aus durchgesickerten Telefongesprächen wissen, konspirierte Nuland im Februar 2014 mit dem US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, um die neue Regierung in Kiew aus den Reihen der Oppositionsführer nach dem von den USA unterstützten Staatsstreich auszuwählen.

Obwohl sie während der Trump-Jahre nicht im Amt war, stürmte sie nach Bidens Amtseinführung zurück. Es steht ausser Frage, dass sie als intellektuelle Kraft ihrem nominellen Chef, Antony Blinken, haushoch überlegen war und dass sie hinter jeder Eskalation der Beteiligung der USA und der Alliierten an dem Stellvertreterkrieg in der Ukraine stand. Die Idee, Langstrecken-Marschflugkörper nach Kiew zu schicken, um weit ins russische Kernland vorzudringen, die jetzt sowohl in den USA als auch in Deutschland diskutiert wird, hat Nuland noch vor einem Jahr mit Händen und Füssen unterstützt.

Aus diesen Gründen veranlasst mich ihr Abgang zu diesem Zeitpunkt, meine gestrige Aussage über die mögliche Rolle der USA in dem Bundeswehrkomplott, mit dem Scholz wegen seines Widerwillens, die deutschen Taurus-Raketen an die Ukraine zu liefern, in Verlegenheit gebracht werden sollte, um 180 Grad (nein, Annalena, nicht um 360 Grad) zu revidieren.

Tatsächlich hat sich gestern ein Leser an mich gewandt, um mir zu suggerieren, dass dieselben Fakten, die ich als Hinweis auf die Bemühungen der USA, den vorsichtigen Kanzler Scholz durch den totalen Russlandhasser Pistorius zu ersetzen, dargelegt habe, genauso gut auf die Bemühungen der USA hindeuten könnten, Pistorius und seine kriegsverrückten Generäle loszuwerden, damit Europa und die Welt nicht geradewegs auf eine nukleare Konfrontation mit Russland zusteuern.

Es bleibt abzuwarten, ob Scholz Pistorius entlässt oder zumindest die abtrünnigen Generäle entlassen wird. Aber der Abgang von Nuland in dieser Minute lässt hoffen, dass die Biden-Administration sich von ihrem rücksichtslosen Abenteurertum in der Ukraine zurückzieht.

Ein rührender Hinweis und möglicherweise ein Strohhalm ist der letzte Absatz des Associated Press-Artikels über den Abgang von Nuland, in dem es heisst: «Nuland wird als Staatssekretärin vorübergehend durch einen anderen Karrierediplomaten ersetzt, John Bass, einen ehemaligen Botschafter in Afghanistan, der den Rückzug der USA aus dem Land beaufsichtigt hat.» Es bleibt zu hoffen, dass Bass auch derjenige sein wird, der den Rückzug der USA aus der Ukraine beaufsichtigt.
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Blog von Gilbert Doctorow. Die Originaltexte wurden von Andreas Mylaeus ins Deutsche übertragen.