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Thomas Näf: Zur Kampagne gegen Rolf Zbinden

1. Was war in der Nacht auf den 3. März 2007 los?
2. Gewalt gegen Beamte? Im Zweifel für das Unmögliche!
3. Was geschah am 6. Oktober 2007?
4. Landfriedensbruch und Nötigung?
5. Entlassung nach 25 Jahren
6. Solidarität mit Rolf wächst
7 Die politische Bedeutung des 6. Oktober
8. Wie berichtete die Presse über den 6. Oktober 2007?
9. Akteure, Ziele, Mittel und Begleitumstände der Kampagne
10. Warum gerade Rolf?

Fussnoten

 

I. DIE MASSREGELUNG

1. Was war in der Nacht auf den 3. März 2007 los?

Rund 15 Personen protestierten vor der dänischen Botschaft in Bern gegen die mit massiver Polizeigewalt durchgesetzte Schliessung des Ungdomshuset in Kopenhagen, um ein Zeichen der Solidarität mit diesem autonomen Jugendzentrum zu setzen. Die spontane Kundgebung war nach unbestrittener Darstellung völlig harmlos und beschränkte sich auf das Absingen von Liedern. Aber bald sahen sich die Singenden eingekesselt. Einzelne wurden herausgegriffen. Die PdA Bern protokollierte die Vorgänge noch am gleichen Tag, dass die Polizei die gesamte Thunstrasse absperrte, die Personalien aller Singenden erfasste.1 Rolf Zbinden sollte mit der Polizei das weitere Vorgehen in der gegebenen Lage aushandeln. Anstatt hierauf einzugehen, liess man ihn sofort packen und in Handschellen legen. Der Vorwurf, er habe einen Polizisten geschlagen, entbehrt jeder Grundlage, weil er dazu gar nicht die Möglichkeit hatte.

2. Gewalt gegen Beamte? Im Zweifel für die Unmöglicheit!

Obwohl Rolfs Aussagen von Zeugen (und von den physikalischen Gesetzen) bestätigt werden, wogegen die Aussagen unter den Polizisten widersprüchlich sind, und ihr Rapport offenbar erst Monate nach dem Vorfall niedergeschrieben wurde, hält die Richterin die Version der Polizei für glaubwürdig: «Es scheint nicht, dass sie die Geschichte erfunden haben.» (Berner Zeitung, 28.10.08). Das Urteil stützt sich auf diesen losen Nichtanschein und die Richterweisheit, dass die Polizei «niemanden ohne Grund (verhaftet)». (Berner Zeitung, 29.10.08) Solche “Begründungen” sprechen jedem Rechtsempfinden Hohn. Beizufügen bleibt, dass zufällige Passanten als potentielle Zeugen ausgeschaltet wurden, indem die Polizei diesen drohte, dass sie wie die anderen Demonstranten behandelt werden würden, wenn sie sich nicht umgehend von der Szene entfernten.2

3. Was geschah am 6. Oktober 2007?

Die SVP Schweiz hatte mit vielen millionenschwerem Einsatz und jahrelang eine extrem rassistischen, fremdenfeindlichen Hetzkampagne geführt, welche eine gefährliche Spaltung in die Städte und Dörfer bringt. In den 90er Jahren ist es bekanntlich serienweise zu schweren Verbrechen wie Brandanschlägen gegen Asylantenunterkünfte gekommen. Immer wieder gibt es rassistische Provokationen und schwere Gewalttaten. Die SVP-Kampagnen zielen auf die Entrechtung, Ausgrenzung und Kriminalisierung der Immigranten. Sie sollen isoliert und eingeschüchtert werden. Genau dasselbe erleben Arbeitslose und Armutsbetroffene, wenn sie sich wehren. Am 6. Oktober 2007 wollte die SVP ihre ausgesprochen rassistische und ausländerfeindliche Wahlkampagne krönen. Bekanntlich hatte es der Berner Gemeinderat verpasst, nach dieser Provokation der SVP den SVP Umzug zu verbieten. Dafür hatte er aber die Gegendemo verboten. Aber dennoch widersetzte sich die Bevölkerung in grosser Anzahl dem Marsch auf Bern. Einer der Vielen ist der PdA-Stadtrat Rolf Zbinden.3

4. Landfriedensbruch und Nötigung?

Das Strafurteil krankt von vorne herein an der willkürlichen Auswahl des Angeklagten. Von Anfang an hatte das Rechtsbürgertum darauf gedrängt, gerade die Parlamentarier Zbinden und Jenni auf die Anklagebank zu schieben. Was den Landfriedensbruch betrifft, so waren die Friedensbrecher jene, die den Unfrieden unter die Bevölkerung säen und ungestraft rassistische Plakate verbreiten, was die Justiz zu verhindern hätte. Die ganze Welt hat diesen Friedensbruch wahrgenommen. Die Botschaft des SVP-Plakats war so rassistisch, dass sie von internationalen Persönlichkeiten klar eingestuft und verurteilt wurde und nebenbei auch der rechtsextremen NPD zum Vorbild taugte.

5. Entlassung nach 25 Jahren

Rolf soll offenbar materiell und moralisch kampfunfähig gemacht und aus der Bahn geworfen werden. Mit seiner Entlassung von der Stelle als Lehrer an der Gewerblich-Industriellen Berufsschule Bern (Gibb), wo er seit 25 Jahren unterrichtet, erhält der Skandal eine neue Dimension. Das ist der Rückfall zur Politik der Radikalenerlasse, Berufsverbote und zur Methode der schwarzen Listen. Schon formaljuristisch ist die Entlassung skandalös, da der Spruch der Einzelrichterin gar nicht rechtskräftig geworden ist, nachdem Appellation erklärt wurde. Rolf hat auch gegen die Verfügung seiner Entlassung Beschwerde eingereicht.

6. Solidaritätsbewegung wächst

«You–ll never walk alone!», schrieb Rolf zum antifaschistischen Abendspaziergang 2008. Heute braucht er unsere Solidarität! Zahlreiche Botschaften der Solidarität sind bereits eingegangen und einige öffentlich erschienen. Darunter:
  • aus Gewerkschaftskreisen und namentlich von der Unia-Jugend,
  • aus dem autonomen und libertären Umfeld, wie etwa vom Bündnis «Alle gegen Rechts»4
  • von Lehrerkollegen.
  • Die PdA Bern fordert den Regierungsrat auf, die Entlassung von Rolf Zbinden rückgängig zu machen und ruft alle DemokratInnen dazu auf, sich mit Rolf zu solidarisieren. «Jede und jeder von euch kann der oder die Nächste sein!»5
  • Der Parteikongress der PdA Schweiz hat einstimmig eine Erklärung der Solidariät mit Rolf Zbinden beschlossen. Er sieht das Ganze als Versuch, den Widerstand gegen das rechtsextreme, faschistoide Gebaren der SVP zu kriminalisieren und legt die Botschaft des Urteils eindeutig so aus: «Lehrerinnen und Lehrern wird das Recht abgesprochen, ihr Grundrecht auf freie Meinungsäusserung wahrzunehmen. Die politische Justiz will mit diesem Exempel auch kritische Menschen vom Widerstand abschrecken. Das wird ihr nicht gelingen.»6
 

II. HINTERGRÖNDE DER KAMPAGNE

7. Die politische Bedeutung des 6. Oktober

Die Schlappe vor Bern war die erste Episode in einer langen Serie von Misserfolgen dieser Partei. Mittlerweile wirkt die SVP wie ein Hühnerhaufen. Namhafte SVP-Grössen geben zuhanden der Presse Erklärungen ab, dass Blochers Stellung unangefochten sei oder dass er hinter einem bestimmten Beschluss stehe. Solche Zusicherungen erwecken eher Zweifel. Der SVP-Führung gelingt der Spagat zwischen Patriotismus und Neoliberalismus immer weniger und die inneren Gegensätze brechen auf.7 Der 6. Oktober 2007 wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem der Triumphzug der SVP erstmals deutlich aufgehalten wurde.

8. Wie berichtete die Presse über den 6. Oktober 2007?

Die Gegner des Marschs auf Bern wollten die Stadtbevölkerung vor denen schützen, die auch hier die einen gegen die anderen aufhetzen wollen. Die einheimischen Medien haben sich im wesentlichen darauf beschränkt, das Bild über den Widerstand vom 6. Oktober negativ zu prägen, und allenfalls einen Beitrag an das Photomaterial zu produzieren, das auch die Polizei und die Richterin ausgewertet haben, um zu beweisen, dass Rolf dabei war. Die Medien haben die SVP gedeckt und den antifaschistischen Widerstand als Chaotentum angeschwärzt. Sie haben kaum über die Inhalte des antirassistischen Kampfs gesprochen. Sie haben die Vorgänge nicht ins politische Licht gestellt und die Tatsachen entstellt, darunter die Kräfteverhältnisse zwischen den beiden Lagern. Die Mobilmachung auf Seiten der SVP war sichtlich missraten und ihr Lager schrumpfte bald wieder, während mehrere Tausend Antirassisten sich in den Gassen der Altstadt zusammen drängten, um dem Marsch der SVP einen Riegel zu schieben. Das Lager des Widerstands wuchs von Stunde zu Stunde durch den hundertfachen Zulauf von Einheimischen oder Besuchern mit und ohne Schweizer Pass.8

9. Akteure, Ziele, Mittel und Begleitumstände der Kampagne

Sofort gab die NZZ den Tarif durch, wie die Ereignisse in Bern zu werten seien und erwärmte sich für “zugespitzte Botschaften”, die der SVP erlaubt sein müssen. Und: “Dass die Chaoten das Recht auf freie Meinungsäusserung aufs Gröbste beschädigten und das rot-grün regierte Bern dabei ohnmächtig zusah, dürfte der SVP jedenfalls mehr nützen als schaden.” (NZZ, 7.10.07) Seither lassen Politiker und Medienleute nichts unversucht, um Rolf Zbinden als Krawall-Bruder hinzustellen. Fast keines der grösseren Medien berichtet dagegen über seine Arbeit im Stadtrat, wo er sich einen Namen als Verteidiger der Rechte von Arbeitslosen, prekär Beschäftigten und Armutsbetroffenen gemacht hat und die Einhaltung der demokratischen Verfassungsrechte konsequent einfordert. Frau Calmy-Rey und Couchepin wurden seinerzeit harsch kritisiert, weil sie es gewagt hatten, der SVP eine “Mitschuld an den Ausschreitungen in Bern” zu geben. Damit werde unterstellt, die Krawallmacher handelten politisch, rügte die NZZ (07.10.07). Das Referenzblatt der Neoliberalen gibt dort sehr offenherzig zu, wie es die Rolle der Medien versteht und gibt ein Kernelement der Kampagne gegen Rolf zu: Die Argumente des Widerstand sollen unterschlagen und ihre Träger als Chaoten und Raufbolde hingestellt werden.

  • Vorab die SVP und rechtsbürgerliche lokale Gewerbepolitiker fordern seit dem 6. Oktober 2004 den Kopf von Rolf Zbinden. Er soll für Sachschäden haftbar gemacht werden, er soll seine Stelle verlieren, das Stadtratsmandat soll ihm abgesprochen, und er soll strafrechtlich geahndet werden usw.
  • Die “Mitte-Links”-Mehrheit hatte sich aus dem Staub gemacht und dem Widerstand die Solidarität aufgekündigt. Sie und andere haben das letzte Wort von Daniele Jenni überhört, der alle Demokraten davor gewarnt hatte, mit Kaninchenstarre auf den Biss der Python zu warten. Schlimmer noch: Die rotgrüne Stadtregierung von Bern übernimmt schweizweit die Rolle einer Vorreiterin für den Abbau von demokratischen Freiheitsrechten. Dieser Umstand begünstigt die Lancierung einer Kampagne gegen Rolf und erleichtert der rechtsbürgerlichen Offensive in Sachen Repression das Spiel. Bettelverbote, Rayonverbote, Demoverbote, generelles Verbot von Umzügen, Grosseinsätze der Polizei mit Gewaltmitteln und Massenfichierungen, Ausspionierung von Armutsbetroffenen sind das Ergebnis. Die Stadtregierung hatte es auch versäumt, sich vom SVP-Marsch auf Bern und von den rassistischen Wahlplakaten zu distanzieren, während andere Stadtregierungen sich distanzierten. Mit dem neuen “Sicherheitspapier” zeichnet sich auch die SP Schweiz derselbe Kurs ab, den wir von der SP Bern schon kennen. Zur ihrer Beschämung haben auch prominente bürgerliche Politiker wie Couchepin damals offen gesagt, was sie Marsch der SVP halten.
  • Nach der Anti-WEF-Demonstration im Januar 2008 in Bern warf die Presse Rolf Zbinden vor, er habe einen Polizisten “angepöbelt”. (Der Bund, 21.01.08) Rolf hatte einen Beamten darauf aufmerksam gemacht, dass dieser seine Dienstwaffe nicht reglementsgemäss handhabte, indem er auf Kopfhöhe der Demonstranten zielte.9

10. Warum gerade Rolf?

Rolf kann keinerlei Beteiligung an Gewalttätigkeiten nachgewiesen werden, wenn er ein Transparent mithält oder ein Lied mitsingt. In der gesamten Kampagne geht es darum, jene Kräfte zu isolieren und zum Abschuss freizugeben, die sich wehren, so wie die PdA Bern und ihr Stadtrat. Rolf ist das Exempel, mit welchem man uns einschüchtern und den solidarischen Widerstand gegen den Neoliberalismus entmutigen will.

Was das Bürgertum Rolf nicht verzeihen kann, ist sein unbeugsamer und hartnäckiger Kampf gegen die Repression und gegen die Militarisierung der Gesellschaft. Für die Rechtsbürgerlichen unverzeihlich ist, dass Rolf seinen Kampf offen als Kommunist und Mitglied der PdA führt, und dass er sowohl in Teilen der ausserparlamentarischen Opposition wie auch unter Demokraten aus verschiedenen parlamentarischen Richtungen einen guten Ruf geniesst.

Rolf wird schlicht Zivilcourage vorgeworfen. Was das Rechtsbürgertum am meisten wurmt, ist offensichtlich gerade, dass einer das Gesicht gezeigt hat. Die gleichen Kreise, die fremdenfeindliche und gegen die Armen gerichtete Kampagnen bezahlen, halten nun ihre Treibjagd auf Rolf Zbinden ab.

Die Kampagne gegen Rolf ist eine Abrechnung mit einem unermüdlichen Kämpfer für die Rechte der von Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung und Armut Betroffenen.10 Unser Kampf gegen Armut und Repression lassen sich nicht voneinander trennen. Am 30. November sind Wahlen in der Stadt Bern. Alle Demokraten sind aufgerufen, Stadtrat Rolf Zbinden, der an der Spitze der kommunistische Liste der PdA zur Wiederwahl in das Parlament vorgeschlagen wird, zweimal auf ihren Stimmzettel zu schreiben.

(November 2008. In gekürzter Fassung gedruckt erschienen im «Vorwärts – die sozialistische Zeitung», 14.11.2008)

Thomas Näf
PdA Bern

 

Fussnoten

1 PdA Bern: Unverhältnismässiges Singen (Pressemitteilung 3.3.07)

2 siehe Eintrag unter dem Datum 3.3.07 im privaten Weblog Mänus Tagebuch: Krawall im Botschaftsviertel

3 zum 6. Oktober siehe auch Auswahl von Presseartikeln zur Kampagne gegen Rolf Zbinden

4 BAgR solidarisch mit Rolf Zbinden

5 PdA Bern fordert die Rücknahme der Entlassung von Rolf Zbinden

6 PdA-Parteitag solidarisch mit Rolf Zbinden

7 siehe dazu: Bröckelt die SVP-Anhängerschaft ab?

8 vgl. zum 6. Oktober 2007: Marsch auf Bern: SVP abgezottelt

9 siehe dazu: Wenn es um Grundrechte geht, hört der Spass auf

10 Der Autor dieses Artikels ist Präsident des Komitees der von Arbeitslosigkeit und Armut Betroffenen und Bedrohten (Kabba).

Siehe auch: