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Anti-Imperialismus: Die Aufgaben der Partei der Arbeit1

I. Der proletarische Internationalismus im 19. Jahrhundert

Marx/Engels haben den proletarischen Internationalismus wissenschaftlich begründet und in die revolutionäre Losung verdichtet: –Proletarier aller Länder – Vereinigt Euch!». Die Losung verallgemeinert eine alte Arbeitererfahrung, dass nämlich ein einmal errungenes Recht nicht endgültig und unumkehrbar gesichert ist, solange im gleichen Betrieb, im Konkurrenzbetrieb, im Nachbarland … oder irgendwo auf der Welt einem Proleten dasselbe Recht vorenthalten wird. Denn solange ein Gefälle zwischen den Arbeiterrechten bestehen bleibt, solange dient es dem Kapital zur Flucht und kann für Dumpingangriffe auf beliebige Errungenschaften und ähnliche Manöver ausgenützt werden. Marx/Engels untersuchten auch die Frage der Migration von irischen Arbeitskräften nach England in diesem Zusammenhang und verwiesen die englischen Arbeiter auf die Notwendigkeit der Solidarität mit den Eingewanderten. In der nationalen Befreiung Irlands sahen sie eine Vorbedingung zur Befreiung des englischen Proletariats. Marx und Engels waren es überhaupt, die im Proletariat den Träger des Sozialismus erkannt und seine historische Aufgabe umrissen haben. Dabei verwiesen sie auf die wichtige Frage der Bauernklasse, von deren Kämpfen auch in Deutschland die ganze Sache abhing, und erarbeiteten die Rolle der Zwischenschichten als Bündnispartner und Reserven des Proletariats.

II. Erweiterter Begriff der internationalen Solidarität im 20. Jahrhundert

(Unser Begriff der “Solidarität” ist der Juristensprache entnommen: “Zwei Schulder haften solidarisch”, will sagen, dass jeder der beiden dem Gläubiger für den Vollbetrag gradstehen muss, etwa für den Fall, dass der andere nicht bei Kasse ist.)

Lenin betonte, dass den revolutionären Arbeiterklassen im Ergebnis der Oktoberrevolution zwei neue starke Bündniskräfte erwachsen sind. Die Kunde vom Sieg der Arbeiter- und Bauernmacht in Russland wirkte wie ein Signal auf die asiatischen Völker. Die Bolschewiki unterstützten die nationalen Befreiungs- und Unabhängigkeitsbewegungen in Indien, China, Persien und vielen anderen Ländern. Diese Bewegungen entstanden damals unter der Führung von patriotischen Armeekreisen und fortschrittlichen Teilen der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums und hatten die Bauernmassen auf ihrer Seite.

Das antiimperialistische Lager verfügt seither über drei Hauptkräfte:

  1. die Staatsmacht der Arbeiter und Bauern in einem oder mehreren Ländern
  2. die revolutionäre Arbeiterbewegung in den kapitalistischen Ländern
  3. die nationalen Unabhängigkeitbewegungen der imperialistisch unterdrückten Völker.

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat Lenin vollauf bestätigt. Sie hat nicht nur die Proletarier aller Länder, sondern noch weitere Klassenkräfte in ein und dieselbe Solidarhaft genommen, neben Besitzlosen auch solche, die eigene Produktionsmittel besitzen. Wenn es in Moskau schlecht um unsere Sache steht, so fällt auch ein Stück Bürgschaft für unsere demokratischen und sozialen Errungenschaften dahin. Aus demselben Grund sehen sich die früheren Kolonialvölker heute herausgefordert, alles noch einmal zu verteidigen, was sie nach 1945 unter den damaligen Kräfteverhältnissen an Unabhängigkeit gewonnen haben. Wenn nur einer einzigen der anti-imperialistischen Hauptkräfte schwere Fehler unterlaufen, so erleiden auch die anderen einen Rückschlag. Das Versagen der (weitgehend sozialdemokratisch dominierten) Arbeiterbewegungen Westeuropas im Kampf gegen den Faschismus hat auch die Sowjetunion existenziell bedroht. Umgekehrt haben solche militärischen oder wissenschaftlichen Triumphe des sozialistischen Lagers wie der Sieg bei Stalingrad oder der sowjetische Vorsprung in der Eroberung des Weltalls in einigen Ländern wahre Schübe von Verbesserungen der materiellen Lage der meisten Arbeiter ausgelöst. Wenn es nur einer der Widerstandskräfte gelingt, die Imperialisten zu schwächen oder zurückzuschlagen, so verbessern sich damit auch die Kampfbedingungen für alle anderen.

Die Hauptaufgabe besteht darin, diesen geschichtlich an sich objektiv wirksamen Zusammenhang zu begreifen und für sich in ein subjektives Bündnis zu verwandeln und zusammenzuschweissen. Dieses Bündnis beruht nicht auf dem dem Gedanken, dass der jeweilige Feind meines Feindes mein bester Freund sein müsste, es handelt sich hier nicht um zufälliges Zusammenraufen in beliebig auswechselbaren Koalitionsparteien, sondern das Bündnis entspricht der Logik der Dinge als notwendige Folge eines inneren Zusammenhangs der verbundenen Kämpfe. Diese gelten dem freiheitlichen Ziel aller Völker und Klassen, die um Frieden, Fortschritt, Unabhängigkeit und das Recht auf Selbstbestimmung über ihre Zukunft kämpfen. Sie richten sich gegen einen gemeinsamen Feind, der höchst gefährlich und so übermächtig ist, dass er nur durch gemeinsame Anstrengungen gebremst und bezwungen werden kann.

Nach wie vor bildet die Arbeiterschaft aufgrund ihrer gesamten Klassenlage den naturwüchsigen Gegenpol zum Grosskapital. Zum anti-imperialistischen Lager zählen nächstens auch die weiteren Lohnabhängigen, Kleinbauern und halbproletarische werktätige Schichten in Stadt und Land, ferner die meisten Globalisierungsgegner, grosse Teile der Frauen-, Jugend- und Friedensbewegung, grüne und linke Bewegungen unterschiedlicher Richtung, religiöse, patriotische, fortschrittlich-demokratische, humanistische Elemente. Im antiimperialistischen Lager sind auch zahlreiche bürgerlichen Intellektuelle, Politiker, Journalisten, Lehrer, Kulturschaffende, Theologen usw. anzusiedeln. Alle diese Tendenzen widerspiegeln allesamt den wachsenden Widerstand der breiten Bevölkerungsmassen einschliesslich des Kleinbürgertums und von Teilen der unteren und mittleren Bourgeoisie gegen die zunehmende Konzentration und Zentralisation des Kapitals in den Händen einer dünnen Schicht von Monopolkapitalisten, gegen deren oligarchische Herrschaft und gegen die von ihnen diktierte reaktionäre Regierungspolitik. Eine konsequent anti-imperialistische Politik der PdA setzt eine zuverlässige Klassenanalyse und Hellhörigkeit für anti-imperialistische Regungen innerhalb des Bürgertums voraus.

III. Die Frage im 21. Jahrhundert gestellt

Solidarisch mit wem? Unklarheit besteht ferner darüber, unter welchen Bedingungen die internationale Solidarität gelten soll und wem konkret gegenüber sie in welcher Form zu Tragen kommt. Eine Reihe von unbeugsamen Staaten wie Iran, Korea, Weissrussland, Kuba und Venezuela stehen im Visier der imperialistischen Kriegstreiber und Mordbuben. Einige der genannten Staaten haben einen sozialistischen Weg eingeschlagen. Dort liegt die Solidarität auf der Hand. Wie steht es aber mit unserer Haltung gegenüber dem Iran und mit den gemarteten Völkern Afghanistans, Iraks, Palästinas, Libanons, Somalias, die in vorderster Front gegen imperialistische Kriegsdrohungen oder gegen Besatzungs- und Marionettenregimes kämpfen. Dort nähren sich die Widerstandskräfte zu einem grossen Teil aus Volksbewegungen mit religiösem Einschlag. In der neueren Debatte wird diese Frage von der KP Libanon, der türkischen TKP, der griechischen KKE , der zypriotischen AKEL, der portugiesischen PCP und anderen Arbeiterparteien gründlich untersucht und auf internationalen und regionalen Konferenzen erörtert. Aufgrund des gesichteten Materials stehen folgende Thesen und Erwägungen im Vordergrund:

  • Der Angriff auf die Arbeiterrechte hier in Europa ist Teil einer gewaltigen globalen Offensive, die das Grosskapital seit 1990 entfesselt. Der Umschwung der internationalen Korrelation der Klassenkräfte zuungunsten des Sozialismus bildet die materielle Basis dieser Offensive. Sie hat zum Ziel, den Imperialismus als weltweit einziges und endgültiges System der Geschichte durchzusetzen.
  • Der weltumspannende Charakter dieser Offensive bringt es mit sich, dass sich Völker und Klassen von höchst unterschiedlicher Kultur, Wirtschaft, Religion usw. unter den Opfern befinden. Damit sind teilweise bedeutende weltanschauliche Unterschiede innerhalb des antiimperialistischen Lagers unausbleiblich. Wer daraus ein Hindernis für die unverbrüchliche Solidarität konstrurieren möchte, meint den ganzen Kampf offenbar nicht ernst oder hat ihn nicht verstanden.
  • Dort wo der Arbeiterklasse entsprechend der Wirtschaftsentwicklung des Landes und der eigenen Stärke noch keine Führungsrolle im antiimperialistischen Kampf zukommt, gebührt die Führung dieses Kampfes naturgemäss den nichtproletarischen Kräften, so wie eben den religiös gefärbten Volksbewegungen.
  • In unserer historischen Beurteilung und aus unserer Sicht als fortgeschrittene Klasse stellen wir bei praktisch allen Kämpfen von bürgerlichen Nationalisten und auch bei religiösen Kräften immer auch gewisse reaktionäre Züge fest, die indessen entsprechend dem diffusen Klassencharakter breiter Volksbewegungen unvermeidlich sind. (vgl. Luther, Napoleon, Ata Türk, Nasser, Hamas, Hisbollah)
  • Zudem sind diese rektionären Züge oft vorübergehender Natur, denn der gemeinsame Kampf mit anderen, weniger fortschrittlichen Kräften ist geeignet, eine Dynamik in Gang zu setzen, welche jene Kräfte näher an uns heranführt und ihr Bewusstsein hebt. (Das hängt natürlich in jedem Fall von der Stärke der revolutionären Kräfte, beziehungsweise die Frage ab, ob diese im Bündnis hegemonialen Einfluss auszuüben im Stande sind. In den Ruhr) Die TKP trifft diese Feststellung im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an (nichtreligiösen) Manifestationen zur Trennung von Kirche und Staat. Sie findet Bestätigung durch die KP Libanon, welche auf militärischem Gebiet und in Massenstreiks mit der (religiösen) Hisbollah zusammenarbeitet. Die richtige Taktik ist die des gemeinsamen Kampfs.
  • In Palästina erscheint die Erstarkung des religiösen Flügels und die Verschiebung der Wählergunst von Fatah auf Hamas als Ergebnis der jahrzehntelangen Politik Israels, welches alles beitrug, um die Fatah-Regierungen und ihre Autorität zu schwächen. Israel förderte den sogenannten Islamismus, ebenso wie dies die USA weltweit taten, als Waffe gegen die demokratischen Linkskräfte. Zudem wurde die Fatah durch Privilegienwirtschaft und Kollaboration der Kader mit den Besatzern geschwächt und korrumpiert. Dem palästinensischen Volk hat dieser Politik eine demokratische Antwort erteilt. Es will die volksverbundenen und kampfbereiten Hamas-Kräfte ans Ruder kommen lassen.
  • Zu verwiesen ist noch auf historische Anwendungsbeispiele dieser Taktik gegenüber nichtproletarischen Oppositionskräften. Obwohl Lenin dem Popen Gapon, welcher eine Manifestation vor dem Zarenpalast organisiert hatte, nicht über den Weg traute, beteiligten sich die Bolschewiki an dieser friedlichen Kundgebung von Arbeitern, die dem Zaren eine salbungsvolle Bittschrift überreichen wollten. Die Manifestation endete im Massaker und ging als “Blutsonntag” von 1905 in die Geschichtsbücher ein. Dabei trugen diese Vorgänge und Lenins entsprechende Taktik viel zur Ernüchterung der unterdrückten Klassen über den Charakter des Zarenregimes bei und förderten die Einsicht der Ausgebeuteten in ihre Klassenlage.
  • Etwas anderes liegt das Beispiel der Bekämpfung des Faschismus in der Zeit der Komintern. Die Kommunisten griffen zu breiten Einheitsfronten und, als Hitler einmal an der Macht war, gingen sie überall zur Taktik der Volksfronten unter Einschluss bürgerlicher Kräfte über. (Dass der Friede von Brest-Litowsk 1918 oder der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt von 1939 nicht hierher gehören, bedarf wohl unter uns keiner langen Worte.) Sie schreckten nicht einmal vor dem Anti-Hitler-Pakt mit dem imperialistischen Wallstreetkapital und der Londoner City zurück, als es darum ging, den deutschen und japanischen Faschismus militärisch niederzuwerfen. Auch heute droht wieder die Barbarei, und die einzige Chance, den menschenfresserischen Imperialismus zu stoppen, zu schwächen und zu entmachten, liegt im Kampfbündnis aller antiimperialistischen Kräfte. Das Beispiel liegt insofern “anders”, als derzeit kein imperialistisches Land bereit scheint, in unser Lager zu treten und als Partner für uns in Frage kommt.
  • Zur Bestätigung der hier vertretenen Position vgl. die Geburt des Kantons Jura. Der Jura war langezeit geprägt durch den Katholizismus und die daherige Opposition gegen die reformierte bernische Obrigkeit. Im Kampf um einen eigenen Kanton vereinigten sich drei Minderheiten (Französischsprechende, Katholiken und Linke) und im Ergebnis ihrer gemeinsamen Kämpfe haben wir einen politisch weit links stehenden Jura, der, um ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit zu nehmen, in der Volksabstimmung 2007 als einziger Kanton neben Neuenburg der Einheitskrankenkasse mehrheitlich zugestimmt hat.

IV. Patriotismus und Internationalismus

Langezeit wurde der Satz aus dem kommunistischen Manifest, wonach die Arbeiter kein Vaterland hätten, missverstanden. Einige Genossen fassten Patriotismus und Internationalismus wie zwei verfeindete Positionen auf, die einander gegenseitig ausschliessen würden. Auch heute pflegen viele Kommunisten und andere fortschrittliche Menschen eine betont antipatriotische Sprache und misstrauen jedem nationalen Gedanken und scheuen sich, ein Wort wie “national” überhaupt nur in den Mund zu nehmen. Einige sehen im Nationalbewusstsein so etwas wie eine Vorstufe zum Faschismus und manch einer tut dies ohne dabei zu merken, dass er praktisch zu den meisten konkreten Kämpfen eine durchaus patriotische Haltung bezieht. Viele kämpfen nämlich gegen die Auslagerung der Produktion in Billiglohnzonen und setzen sich für die Erhaltung des nationalen Produktivapparats ein, indem sie etwa den Streik der Metallarbeiter in Reconvilier unterstützen. Viele handeln im Nationalinteresse, indem sie für eine stärkere Rolle des öffentlichen Wirtschaftssektors und seiner Infrastrukturnetze eintreten und indem sie die einheimische Orientierung und demokratische Kontrolle des service public verteidigen.

Viele Kämpfe der Kommunisten dienten und dienen in der Praxis der Verteidigung und Weiterentwicklung der revolutionären, fortschrittlichen und demokratischen Traditionen der nationalen Kultur und Geschichte. Vieles am heutigen Bestand an demokratischen und Freiheitsrechten wurde in der Zeit der bürgerlichen Revolution erkämpft. Als wichtigstes Grundrecht der Arbeiterklasse wurde später die Koalitionsfreiheit erstritten, also das Recht zum gewerkschaftlichen Zusammenschluss zwecks kollektiver Aushandlung der Vertragsbedingungen. Besonders in Zeiten des weltweiten revolutionären Aufschwungs wurden weitere Grundrechte und soziale Garantien in die Verfassung geschrieben. Auch in unserer Schweizerischen Bundesverfassung finden sich die Errungenschaften aus Klassenkämpfen früherer Generationen festgeschrieben.

Die Gesetzesänderungen und die Gesetzesanwendung nehmen seit 1990 einen immer offener volksfeindlichen Charakter an. Allerdings hat das Schweizer Volk einigen der schlimmsten Vorlagen eine Abfuhr an der Urne erteilt. In allen bürgerlich-demokratischen Ländern geraten Regierungen zunehmend unter Druck, wenn sie so offensichtlich gegen die Interessen der Bevölkerungsmassen regieren. Damit steigt die Neigung, demokratisch kontrolliertes Landesrecht durch internationale Vorschriften (3%-Haushaltsklausel, Bolkestein-Richtlinie, Flexicurity usw.) abzulösen, die in Brüssel abgekartet werden und hinter denen sich die Minister der Einzelstaaten dann verschanzen können, als hätten sie nichts mit diesen angeblichen Sachzwängen zu tun, so dass sie vor dem eigenen Volk nicht mehr für ihre Politik geradestehen müssten. Vor Generationen war das internationale Recht entsprechend der internationalen Korrelation der Kräfte überwiegend fortschrittlich, gerade auch gemessen jeweiligen schweizerischen Landesrecht. Für die Entwicklung des Arbeits- und Sozialrechts hat speziell die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) kontinuierlich wertvolle Impulse vermittelt und Standards geschaffen. Seit Ende des 20. Jahrhunderts bläst auch im internationalen Recht ein anderer, rauher Wind. Die alten verbürgten Rechte und Freiheiten werden allenthalben in Frage gestellt, ausgehebelt, ausgehöhlt und geschmälert. Bewährte ILO-Schutzabkommen werden aufgekündigt. Gewisse Organisationen verlieren an Bedeutung, andere gewinnen an Einfluss.

Der rechtslastigen Schweizerischen Volkspartei (SVP) gelingt es in dieser Lage, sich zur Alleinvertreterin der Interessen der Landes und seiner Bevölkerung aufzuspielen. Sie gibt vor, die freiheitlichen und demokratischen Traditionen der Schweiz gegen die EU zu verteidigen. Faschistische Gruppen missbrauchen den Patriotismus als Einfallstor für ihre Propaganda. Sie haben ein leichtes Spiel, solange die Linke ihre ungeschützte nationale Flanke darbietet und diese Blösse auch noch zelebriert. Die ideologische Luftherrschaft der Grossbourgeoisie ist in vielen Lebensbereichen knüppeldicht, und in einigen Teilen des Landes prägt das ausgesprochen reaktionäre Gedankengut der SVP die Köpfe.

In der breiten Bevölkerung der Schweiz regt sich ein patriotischer Widerstand gegen die Gefahren, die der Schweiz als Drehscheibe des Imperialismus drohen. Viele Schweizer aus allen Klassen lehnen den kalten NATO-Anschluss in Form der sogenannten “Partnerschaft für den Frieden” und ebenso den schleichenden Beitritt zur EU ab, weil sie die demokratischen Elemente und sozialen Sicherungen der Bundesverfassung sowie die Unabhängigkeit und Neutralität des Landes gefährdet sehen.

Was die Haltung der Linken zur EU betrifft, so wurde diese massgeblich in der Zeit vor der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1991 über den Beitritt der Schweiz zur EWR geprägt. Die Meinungsbildung vollzog sich damals nach der Methode des gegenseitigen Abwägens von 1000 Vor- und Nachteilen. Nach solchen Kriterien wurde geprüft, ob die seinerzeit kursierenden EU-Rechtsvorschriften etwa eine bestimmte Materie besser oder schlechter als die geltenden Bestimmungen des Schweizerischen Rechts regeln. Ein hohes Gewicht kam dabei zum Beispiel dem Vergleich zwischen Vorschriften über Sozialversicherungen und über die Migration von Arbeitskräften zu. Mit der »¹bernahme von EU/EWR-Recht hätten sich auf einen Schlag verschiedene Forderungen erfüllt, welche die Linke bis dahin in der Schweiz noch nicht durchzusetzen vermocht hatte.

Heute ergibt die Beurteilung der EU nach solchen pragmatischen Kriterien ein völlig anderes Bild: Meistens befinden sich die für das arbeitende Volk günstigeren Regeln im älteren Landesrecht (der Schweiz oder eines EU-Landes), während die neuen Vorschriften aus Brüssel (wie EU-Verfassungen, Bolkestein-Richtlinie, Bologna-Reform, flexicurity-Konzepte) jeweils die Gangart der Ausbeutung verschärfen und unsere gewohnten ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Rechte vielfach schmälern. Die Entwicklung gibt heute jenen Recht, die sich immer schon gegen die EU ausgesprochen und diese richtig charakterisiert haben, nämlich als Europäische Union der Hochfinanz oder (frei nach Marx) als Ausschuss, der die konzernübergreifenden gemeinschaftlichen Geschäfte der Klasse der Monopolkapitalisten verwaltet. Die EU fördert die Konzentration und Zentralisation der ökonomischen und politischen Macht in wenigen Händen und stärkt die Grossmächte auf Kosten der schwächeren Länder.

V. Zu was für einer Praxis verpflichtet die internationale Solidarität?

Als geistesgeschichtliche “Vorläufer” des proletarischen Internationalismus kann man unter anderem die in verschiedenen Religionen entwickelten Vorstellungen von Nächstenliebe und Barmherzigkeit anführen. Ebenso ist das humanistisch-aufklärerische Weltbild des früheren, aufstrebenden Bürgertums zu erwähnen. Die entwicklungsfähigen Seiten dieser Weltanschauungen, etwa die Tendenz zur Integration von Randgruppen, zur Hilfsbereitschaft, zur Brüderlichkeit und Toleranz usw., werden im Begriff der internationalen Solidarität aufgegriffen, von mythologischem Beiwerk entrümpelt und auf eine höhrere Stufe gehoben. Die internationale Solidarität verpflichtet, im Unterschied an solchen “Vorläufern”, zu einem aktiveren, gesamtheitlichen und zielgerichteten Herangehen, um die politischen Zustände zu verändern.

Nach Lenin hat eine Arbeiterklasse die internationalistische Pflicht, “das Höchstmass dessen zu tun, was sich zur Entfachung und Unterstützung der proletarischen Revolution in anderen Ländern tun lässt.” Er sprach diese Worte 1917 zur russischen Arbeiterklasse, als diese gerade die Staatsmacht erobert hatte. Lenins Definition des proletarischen Internationalismus ist dennoch hilfreich, um auch die praktischen Aufgaben zu umreissen, die sich uns in einer nichtrevolutionären Lage, in einem kapitalistischen Land und im 21. Jahrhundert stellen.

In unserem eigenen Interesse liegt die Stärkung aller antiimperialistischen Kämpfe, denn die weltweite Schwächung und endlich Brechung der imperialistischen Macht bildet eine Vorbedingung für den zukünftigen Erfolg des Sozialismus wie auch für die Absicherung aller bisherigen Fortschritte. Die Stellung zu einzelnen Kräften kann aber nur aufgrund der konkreten Lage festgelegt werden. Die Bewegungen sind daher namentlich abzuhandeln. Auch wenn die folgende Liste für weitere Fälle offen bleiben muss, gilt demnach unsere solidarische Unterstützung namentlich:

  • der Festigung des Sozialismus in Weissrussland, China, Korea, Vietnam und anderen Ländern, deren Verfassungen und Staatsführungen erklärtermassen am Ziel des Aufbaus des Sozialismus festhalten; wie uns der Stützpunkt Kuba beispielhaft vor Augen führt, bilden sozialistische Staaten eine materielle Basis für die Entfaltung des revolutionären Prozesses in anderen Ländern. (Ein Wort zur widersprüchlichen Entwicklung in China: die einzige Alternative zur KP besteht in der Herrschaft von chinesischen Jelzin-Figuren und im Sieg des Imperialismus.)
  • dem dynamischen Aufschwung der Demokratie in Verbindung mit Stärkung der nationalen Souveränität und Unabhängigkeit in grossen Teilen Lateinamerikas und der Karibik, darunter in Bolivien und Nicaragua; und den vielversprechenden beginnenden Aufbau eines starken sozialistischen Venezuela. Wir begrüssen die Fortschritte der FARC im bewaffneten Kampf gegen die faschistische Diktatur in Kolumbien und den Widerstand der Völker Mexikos.
  • dem Widerstands- und Befreiungskampf des seit Generationen gemarterten Volkes von Palästina.
  • dem Freiheitskampf der Völker Afghanistans, des Iraks, Somalias und anderer Länder gegen die Besatzer und deren fremden oder einheimischen Söldner.
  • der Islamischen Republik und anderen nichtsozialistischen Staaten in ihrem Kampf um Behauptung der Unabhängigkeit und des Recht auf technische Entwicklung und Kontrolle über die Reichtümer ihres Landes gegen jede Herausforderung durch das imperialistischen Räuberpack;
  • dem um seine Existenz ringenden Serbien (das sich heute in einer ähnlichen Lage befindet wie die Tschechoslowakei 1938, als sie im Münchner Abkommen Hitler zum Frass dargeboten wurde).
  • den kommunistischen und anderen Parteien in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, welche gegen die Macht der Oligarchen und gegen die von westlichen Geldern angezettelten bunten “Revolutionen” ankämpfen.
  • den baskischen Patriotismus: Unter abwechselnden Regierungen der rechtsextremen PP und der sozialdemokratischen PSOE entwickelt sich Spanien mehr und mehr zum Völkergefängnis. Noch und noch werden Parteien verboten und Wahlvorschläge ausgeschlossen, welche sich auf breite Teile der baskischen Bevölkerung abstützen.

Darüber hinaus gilt unsere Solidarität den Antiimperialisten aller Länder. Wir lehnen den Faschismus ab, der sich als Antiimperialismus zu verkaufen sucht und erteilen jedem Antisemitismus und Antiamerikanismus eine klare Absage. Wir machen einen grossen Unterschied zwischen dem amerikanischen Volk einerseits, und anderseits jenen reaktionären Kräften des Grosskapitals, die heute das Volk von einem Krieg in den anderen stürzen. Wir ehren jeden Antiimperialisten und halten als Antifaschisten auch die amerikanischen Soldaten im ewigen Andenken, welche im Zweiten Weltkrieg zu Tausenden und Abertausenden ihr teures Leben opferten.

Für jede KP wichtig und für die PdA dringlich ist die Aufnahme von Beziehungen mit anderen Kommunistischen und Arbeiterparteien, darunter mit den grossen Arbeiterklassen der USA, Russlands und anderer Länder. Von höchstem Nutzen wären nicht zuletzt engere und regelmässige Kontakte mit den befreundeten starken Parteien in den EU-Ländern, namentlich KSCM, PCP, KKE, AKEL.

VI. Konkrete Kampfziele, Richtungen, Ansatzpunkte, Forderungen usw.

Die PdA Bern bekämpft jede Zentralisation und Konzentration des Kapitals und unterstützt alle geeigneten Massnahmen zur Schwächung und schliesslichen Brechung der geballten ökonomischen und politischen Macht des Grosskapitals.

Wir fordern die Ausrichtung der gesamten Aussenwirtschaftspolitik auf den Aufbau einer bevorzugten wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit sozialistischen und anderen antiimperialistischen Staaten; wir fordern die Stärkung des nationalen Produktionsapparates und Herauslösung der schweizerischen Volkswirtschaft aus ihrer heutigen Rolle als Drehscheibe und Dienstleistungszentrum des Imperialismus.

Wir wirken in allen Bereichen von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur dahin, dass mit diesen Völkern freundschaftliche Beziehungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Gegenseitigkeit aufgenommen werden.

Wir widersetzen uns allen imperialistischen Versuchen, den Sozialismus mit militärischen, wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Mitteln niederzuzwingen. Wir weisen alle scheinheiligen Resolutionen der EU und anderer Organisationen zurück, die den Aufbau und die Festigung des Sozialismus in irgendeinem Land anzuschwärzen versuchen.

Wir bekämpfen Versuche zur Leugnung und Neuschreibung der Geschichte des 20. Jahrhunderts: Wir erinnern an die grosse sozialistischen Oktoberrevolution, das schwindelerregende Tempo beim Aufbau des Sozialismus in einem Lande, an den Kampf auf Leben und Tod zwischen dem Hitlerfaschismus und den von Stalin geführten Sowjetvölkern. Sie mussten ihren Triumph unermesslich teuer erkaufen und haben sich für alle Zukunft das Andenken und den Dank der Menschheit verdient.

Wir widersetzen uns dem Antikommunismus, der Hand in Hand geht mit Versuchen zur Umschreibung der Geschichte und zur Weisswaschung des historischen Faschismus. Diese Tendenz ist im Begriff, sich in Europa zu verallgemeinern und ist in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Ungarn bereits vorherrschend. Dort sind die Regierungen längst vom ideologischen Kampf um Neufassung der Schülbücher zu sehr handgreiflichen juristischen und anderen Massnahmen übergegangen. (Die antikommunistische Kampagne ist aber europaweit vernetzt, wird von zentralen Generalstäben gelenkt und über Debatten im EU-Parlament und in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats propagiert. Die EU hat kürzlich auch die Schändung von antifaschistischen Denkmälern durch Estlands Regierung gedeckt und intensiviert derzeit ihre Hetzkampagnen gegen Kuba und Venezuela.) Wir fordern konkret, dass kommunistische und Arbeiterparteien zu den gleichen Bedingungen am öffentlichen Leben teilnehmen können wie andere politische Kräfte.

Auch in den eigenen Reihen der PdA wehren wir uns gegen den Gebrauch der von Klassenfeinden in Kurs gesetzten falschen Münzen, darunter gegen Begriffskonstruktionen wie “Totalitarismus” oder “Stalinismus”. Wir verweisen auch auf die Ausdehnung, die der Begriff des “Stalinismus” im Laufe der Zeit erfahren hat. Er richtete sich von jeher gegen den wissenschaftlichen Sozialismus schlechthin. Mittlerweile wird er von vielen praktisch als Synonym für die sowjetische Gesellschaft verwendet. Heute wird die Grenze zwischen Böcken und Schafen immer weiter nach rechts verschoben.

Wir entlarven die Hetzkampagnen gegen den Islam als Bestandteil des Propagandafeldzugs der imperialististischen und zionistischen Kriegstreiber. Wir weisen die von einer gewaltigen Propagandamaschinerie serienmässig fabrizierten Kunstbegriffe und Scheinargumente zurück, wie etwa die Theorie vom “Existenzrecht von Israel” in Kombination mit der Konstruktion einer angeblichen Notwendigkeit zur Anerkennung desselben als Vorbedingung für Verhandlungen. Wir verurteilen die ständigen Rückgriffe auf den historischen Antisemitismus, welche über die Medien verbreitet werden, um die faschistische Politik Israels zu decken und ihre Opfer anzuschwärzen.

Wir bekämpfen den “linken” Kulturimperialismus, wie er uns etwa bei einigen Intellektuellen entgegentritt, welche den revolutionären Weltprozess in das enge Gehäuse ihrer eigenen Konzepte und unabänderlichen “ewigen” Ideen hineinzwängen möchten, etwa die fixe Idee des bürgerlichen Parlamentarismus mit Mehrparteiensystem oder die zwanghafte Vorstellung, dass auch die orientalischen Völker mit denselben Fetischen beglückt werden müssten wie die europäische “Wertegemeinschaft”, von entschleierten Frauengesichtern über Gay-Prozessionen und Porno-TV bis hin zur Prostitution und zum Menschenhandel stück- oder pfundweise. Der gleiche Kampf richtet sich auch gegen die pseudolinke Überheblichkeit von der Sorte, dass über die Formen des Widerstands die Nase gerümpft wird, bevor auch nur der Widerstand begrüsst wird. Unsere unverbrüchliche Solidarität gilt auch den Kämpfern, die sich im Irrtum über die Wahl der Waffen und Einsatzmethoden befinden mögen, auch wenn ihrem Kampf inkonsequente Seiten anhaften mögen, sofern ihr Widerstand dazu beiträgt, den weltumspannenden Kampf in seiner Hauptstossrichtung zu entwickeln. Kommt dazu, dass die Verdammten dieser Erde ihre Peiniger am nächsten kennen und am besten in der Lage sind, die eigene Kampfweise zu bestimmen, zu überprüfen und entsprechend abzuändern oder zu verbessern, kurzum: im Laufe des Kampfs zu “erwachen”. Selbstverständlich knüpfen wir unsere Solidarität nicht an Bedingungen über die Form des antiimperialistischen Kampfes. Die kämpfenden Völker müssen in jeder gegebenen Lage selbst entscheiden, ob sie gewaltlos vorgehen können oder gezwungen sind, zu den Waffen zu greifen. Schliesslich distanzieren wir uns von denen, die die Rechte des palästinensischen oder anderer Völker davon abhängig machen wollen, dass diese Völker sich durch eine dem Westen genehme (“linke”, laizistische usw.) Bewegung oder Regierung vertreten lassen.

Wir klären die Öffentlichkeit über die Verbrechen des Imperialismus auf und bringen jene Tatsachen zur Sprache, welche in den Referenzmedien totgeschwiegen werden; wir rücken die bekannteren Dinge ins richtige Licht. Beispiele dafür sind die Informationskampagne über die Cuban Five oder die Berichte der PdA-Delegation über ihre Reise nach Kuba.

Wir stellen nicht nur die kriegerischen, militaristischen, antidemokratischen, faschisierenden, menschenfeindlichen, kultur- und naturzerstörerischen Wesenszüge und Politiken des Imperialismus dar, sondern auch dessen ökonomisches Wesen als monopolistischer Kapitalismus, seinen verfaulenden Charakter und seinen parasitären Charakter (vgl. Plünderung schwächerer Länder durch Raub, Zinslasten, Patente und andere Tribute).

Heute wähnt der Imperialismus sich seinen Zielen sehr nahe. Fidel Castro vermutet, dass im Pentagon Pläne für einen gigantischen gleichzeitigen Überraschungsangriff auf etwa 60 Ziele in einer ganzen Reihe von Staaten ausgearbeitet werden. Viele US-Raketen sind dazu eingerichtet, dass die Ziele mitten im Flug abgeändert werden können. Durch massive Raketenangriffe gegen Iran oder Korea könnten die USA damit jederzeit auch andere Staaten wie Weissrussland, Russland und China sehr kurzfristig unter ultimativen Druck setzen, ihnen z.B. das Aufsteigen von Flugzeugen verbieten. Bekanntlich kontrollieren die USA von den neuen Raketenbasen in Polen und Tschechien aus den russischen Raum bis an den Ural. An uns ist es, solche Gefahren aufzuzeigen.

Wir hören nicht auf, gegen die Agenten des Imperialismus im eigenen Lager aufzutreten, Halbheiten und Inkonsequenzen zu überwinden und einen scharfen Kampf gegen den Opportunismus innerhalb der Arbeiterbewegung zu führen. Die imperialistischen Extraprofite bilden die materielle Basis, worin der Opportunismus wurzelt. Unter heutiger Kräftekonstellation fällt dem Opportunismus eine besonders erbärmliche Rolle zu, welche in Figuren wie Tony Blair und ihren Nachäffern in allen Landen angemessene Darsteller findet.

Zusammengefasst sollten wir unsere Aktivität noch direkter als bisher auf die antiimperialistische Stossrichtung konzentrieren, jede gegebene Frage soweit wie möglich in diesen Zusammenhang stellen. Ferner sollten wir nicht vorgaukeln, dass die Revolution gerade um die nächste Ecke komme, sondern Forderungen aufzustellen, welche den Interessen der breiten Bevölkerung dienen und ihr bewusst machen, dass ihre vitalen Interessen mit der Macht des internationalen Grosskapitals nicht verträglich sind. Die Leute sollen verstehen, dass die Entmachtung der Monopole eine Schlüsselbedingung für jeden revolutionären Fortschritten und für den Frieden bildet. Unsere klasseneigenen Kräfte sind dahin vorzubereiten, dass sie ihrer Aufgabe dann gewachsen sind, wenn eine revolutionäre Lage heranreift.

1 Referat M. Hostettler, Mitgliederversammlung PdA Bern, Juni 2007


Siehe auch:

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