kommunisten.ch

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Im Namen meiner gefallenen Genossen

Eine Erklärung von Minis Theodorakis (Ende 2005)

In einer Sitzung der Politischen Kommission der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am 14. Dezember in Paris wurde ein Beschlussentwurf mit dem Titel “Über die Notwendigkeit der internationalen Verurteilung der Verbrechen totalitärer kommunistischer Regimes” verabschiedet. Dieses “Dokument” soll der Parlamentarischen Versammlung, die vom 23. bis 29. Januar zusammentreten wird, zur Beschlussfassung vorgelegt werden. In dem Beschlussentwurf, der lediglich von einigen konservativen und liberalen Abgeordneten unterzeichnet wurde, wird dazu aufgefordert, beim Europarat und in allen Mitgliedsländern des Europarates “Kommissionen zur Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus” einzusetzen. Sie sollen die Aufgabe haben, “Fakten zusammenzutragen und konkrete Maßnahmen vorzuschlagen”. Dazu erklärt der griechische Widerstandskämpfer und Komponist Mikis Theodorakis:

Der Europarat hat entschieden, die Geschichte abzuändern. Sie zu verdrehen, indem die Opfer mit den Tätern auf eine Stufe gestellt werden. Die Helden mit den Verbrechern. Die Befreier mit den Besatzern und die Kommunisten mit den Nazis.
Er ist der Meinung, dass die größten Feinde der Nazis, also die Kommunisten, Verbrecher seien und sogar gleichwertig mit ihnen. Und jetzt ist er besorgt, und er beklagt sich, dass die Schergen Hitlers von der internationalen Gemeinschaft verurteilt wurden, gleiches noch nicht mit den Kommunisten geschehen ist.

Aus diesem Grunde schlägt er vor, diese Verurteilung jetzt durch die Vollversammlung des Europarates vollziehen zu lassen.
Inzwischen macht er sich darüber Sorgen, dass “das öffentliche Bewusstsein für die von den diktatorischen kommunistischen Regimes begangenen Verbrechen sehr unterentwickelt ist”. Und auch darüber, dass “kommunistische Parteien immer noch legal und in einigen Ländern immer noch aktiv sind und sich nicht von den Verbrechen distanziert haben”.
Mit anderen Worten, der Europarat verkündet im voraus die Verfolgung von Kommunisten in Europa, die noch keinen Widerruf geleistet haben, wie er ihnen dereinst schon von den Henkern der Gestapo oder den Folterern auf der KZ-Insel Makronisos abverlangt worden war.

Vielleicht beschließen sie morgen, die kommunistischen Parteien zu verbieten, und auf diese Weise die Tür zu öffnen für den Geist von Hitler und Himmler, die ja bekanntlich ihre Karriere mit dem Verbot der kommunistischen Parteien und dem Einkerkern von Kommunisten in die Todeslager begannen.
Am Ende jedoch ertranken sie selbst im Blut ihrer Opfer, dem der 20 Millionen Toten der kommunistischen Sowjetunion und dem von Tausenden und Abertausenden ermordeter Kommunisten, die ihr Leben opferten und die sich in Griechenland und in ganz Europa an die Spitze des nationalen Widerstandes stellten.

Aber die Herren im Europarat sind nicht die ersten in ihrem Verlangen, die von der Geschichte und den Völkern verurteilten Methoden wiederaufleben zu lassen, weil ihnen schon ihr großer Bruder zuvorgekommen ist, die USA, die mit Hitler-Methoden ganze Völker hinopfern, wie im Irak, das sie in ein zerstörtes Land verwandelt haben, voll mit amerikanischen Gefängnissen, in denen täglich Tausende unschuldiger Opfer auf grauenvolle Weise gequält werden.
Über dieses große Verbrechen gegen die Menschlichkeit verliert der Europarat kein Wort, und ebensowenig über das moderne hitlerische Folterlager von Guantanamo.

Warum also sollten wir diesen Leuten glauben, dass sie ernsthaft wegen der Menschenrechte besorgt sind, wenn sogar ihr eigenes Haus, Europa, zu einem Tummelplatz für die Flugzeuge der CIA geworden ist, die beladen sind mit Menschen, die jeglicher Rechte beraubt wurden und die in Spezialgefängnisse in eben dieses Europas gebracht werden, um dort gefoltert zu werden?
Solche Bürger können keine Ankläger sein. Vor dem Gericht der Geschichte, das eines Tages die unzähligen Verbrechen ihres großen Bruders von Vietnam bis Chile und von Südamerika bis Irak verurteilen wird, werden sie sich wegen Tolerierung, wenn nicht gar Mitschuld verantworten müssen.

Unglücklicherweise bin ich heute gezwungen, eher im Namen der Toten als im Namen der Lebenden zu sprechen. Im Namen meiner gefallenen kommunistischen Genossen, derer, die die Gestapo kennengelernt haben, die Todeslager und die Hinrichtungsplätze erduldet haben, um den Nazismus auszulöschen und die Freiheit zum Sieg zu führen, habe ich diesen “Herren” lediglich ein Wort zu sagen: SCHANDE!

Quelle: «Junge Welt», 03.01.2006 [Übersetzung aus dem Griechischen: Heike Schrader, Athen]

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