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Treibstoffpreise: Es geht um Extra-Mehrwert

Zwei Streikposten in Spanien und Portugal getötet

Bei den anhaltenden Protestaktionen der LKW-Fahrer gegen die hohen Treibstoffpreise sind in Spanien und Portugal zwei Chauffeure getötet worden. In Atarfe bei Granada in Südspanien wurde ein Streikposten tödlich verletzt, als er sich dem Lieferwagen in den Weg stellte. Im portugiesischen Ort Zibreira bei Torres Novas im Bezirk Santarém wurde ein Teilnehmer der Blockade von einem Lastwagenbesitzer überrollt, den er mit einem Stoppschild anzuhalten versuchte. In beiden Ländern hatten Verbände zu einem unbefristeten Streik gegen die hohen Preise des Treibstoffs aufgerufen. Nach der Tötung von zwei Kollegen werden die aufgebrachten Lastwagenfahrer wohl nicht so schnell demobilisieren.

In vielen Teilen Spaniens blockierten die Lastwagenfahrer die Zugänge zu Häfen, Städten und Lagerhallen. In einigen Gegenden sind 50% der Tankstellen geschlossen. In den Supermärkten wird Frischware knapp. Panikkäufe und lange Schlangen vor Geschäften und Zapfsäulen prägen das Bild. In Portugal wird die Blockade der Zufuhrwege zu den Touristenzentren im Algarve angekündigt. In beiden Ländern konnten Zisternenwagen mit Benzinlieferungen nur unter unter starkem Geleitschutz der Polizei zirkulieren. In Schottland haben die Fahrer erklärt, dass sie ebenfalls Kampfmassnahmen in Auge fassen, falls ihre bisherigen Appelle nichts fruchten.

In Irland protestierten zwei Tage vor der Volksabstimmung über den EU-Vertrag die Fischer gegen die hohen Benzin- und Dieselpreise. Zu Dutzenden segelten die Fischerboote in die Küstenstädte, wo sie ihre Fänge an die Bevölkerung verteilten und diese über die trostlose Lage ihres Erwerbszweigs aufklärten.

Die EU will die Kleinen ausschalten

Bisher haben die EU-Regierungen und die Verantwortlichen in Brüssel kein Gehör für die Beschwerden der Betroffenen gezeigt. Mit grossem Polizeiaufgebot und Stacheldraht war eine Protestkundgebung von Fischern aus verschiedenen EU-Ländern in Brüssel verhindert worden. Dem Grosskapital ist es bekanntlich recht, wenn die kleinen Betriebe vom Markt verschwinden, und die lokalen Wirtschaftsstrukturen zugrunde gehen. Angesichts der starken Proteste im eigenen Land fühlen sich aber die französische und einige andere Regierungen verpflichtet, offiziell auf EU-Massnahmen zu drängen. Die Treibstoffpreise sind heute so hoch, dass die Produktionskosten in Landwirtschaft, Fischerei und Lebensmitteltransport massiv mitbetroffen sind. Ein Andauern der katastrophalen Lage der hauptbetroffenen Gewerbe wird unweigerlich die Teuerung der Lebensmittel weiter anheizen und – neben der Zerstörung der regionalen und sektorialen Beschäftigung – verheerende Folgen auf die gesamte Produktion nach sich ziehen.

In vielen Ländern verlangen die Unternehmerverbände des Transportgewerbes von den Regierungen steuerliche Erleichterungen und weitere Zugeständnisse an den Widerstand dieser Kreise gegen eine umweltgerechte Verkehrspolitik. Einige ihrer Forderungen laufen darauf hinaus, die leisesten Anreize zur Umstellung des Personen- und Güterverkehrs von der Strasse auf die Schienen, und damit vom privaten zum öffentlichen Verkehr, rückgängig zu machen.

Die Sicht der Arbeiterklasse

Die Arbeiterklasse kann Forderungen dieser Tendenz nicht unterstützen. Sie kann nicht zulassen, dass private Unternehmer des Transportgewerbes eine Art staatlicher Ausgleichszahlungen einkassieren, ohne dafür eine gemeinwirtschaftliche Leistung erbringen zu müssen. Sie muss gegen Forderungen auftreten, die bezwecken, die Überwälzung der hohen Treibstoffkosten auf die Verbraucherpreise zu vereinfachen.

In Portugal haben sich Kommunisten und Gewerkschafter mit den Streiks der Fischer ausdrücklich solidarisiert und fordern die Regierung auf, rasche Massnahmen zum Schutz der betroffenen Kleinbetriebe zu treffen, die Rechte der Arbeiter zu sichern und die nationalen Interessen an der Erhaltung des Produktivapparats zu vertreten. Allerdings haben sie die Chauffeure davor gewarnt, sich vor den Karren der Transportunternehmer spannen zu lassen. Die der grossen Gewerkschaftzentrale CGTP angeschlossenen Verbände beharren auf der vollen Lohnzahlung für die infolge Blockaden ausgefallene Arbeitszeit. Die Beteiligung der Lastwagenfahrer an der weitgehend von den Unternehmern kontrollierten Blockadebewegung ist zwar verständlich. Ebenso die Wut der Kleinbetriebe gegen die Regierungspolitik. Bei den Arbeitsunterbrüchen handelt es sich aber nicht um Arbeiterstreiks, sondern um von der Kapitalseite verfügte Aussperrungen, die nach portugiesischem Recht verboten sind. Damit bestimmen die Unternehmer nicht nur die Richtung der Kampfforderungen nach ihren Klasseninteressen, sondern sie überwälzen auch die Kosten ihres Kampfes gegen die Regierungspolitik auf die Arbeiter, die ihren Lohnanspruch während der Ausstände aufs Spiel setzen. Zahlreiche Unternehmer des Transportgewerbes sind zudem als ausgesprochen gewerkschaftsfeindlich bekannt und fürchten sich von gewerkschaftlichen Kontrollen über die Einhaltung der technischen Sicherheitsvorschriften und insbesondere der Bestimmungen über Arbeitszeiten und Pausen ihrer Chauffeure. Die Arbeiterklasse muss heute das Streikrecht gegen zwei Fronten verteidigen. Einige wollen es unterdrücken und aushöhlen. Die anderen versuchen, diese Waffe den Händen der Arbeiterklasse zu entwinden und für ihre Zwecke einzusetzen.

Es geht um Extra-Mehrwert

Die Einnahmen der ölfördernden Länder haben sich nach jahrzehntelangem Stillstand der Preise in den letzten Jahren wieder etwas verbessert. Aber die Explosion der Treibstoffkosten ist nicht durch die Erhöhung der Förderkosten oder der Einnahmen der Produzenten zu erklären. Die bestimmenden Faktoren für die Preisentwicklung liegen vor allem in den ungeheuren Profiten der Erdölgesellschaften, in der Zunahme des spekulativen Charakters des Geschäfts und in der – vom politischen und militärischen Arm der transnationalen Konzerne betriebenen – Verschärfung der internationalen Spannungen.

Der hohe Preis enthält als wichtigste Komponente den Extramehrwert, den die transnationalen Konzerne in Form des Monopolprofits von der tributpflichtigen übrigen Gesellschaft (auch vom Transportgewerbe) einkassieren, ohne einen Finger zu rühren. Betroffen ist die breiteste Gesellschaft, was erklärt, wieso wir in diesen Klassenkämpfen viele kleinere und mittlere Unternehmer auf der gleichen Seite wie die Arbeiter finden, wobei die Führungsrollen abwechseln können. Nicht der Mehrwert, sondern der Extra-Mehrwert bildet hier die Problemursache und den Streitgegenstand. Mit dem Zankapfel haben wir auch den Schlüssel zur ökonomisch und politisch richtigen Antwort in der Hand.

Was ist zu fordern?

Neben dringlichen Massnahmen zur Regulierung der Preise, allenfalls Festlegung von Höchstpreisen für flüssige Brennstoffe und Verbot von Tariferhöhungen im öffentlichen und privaten Verkehr, ist vor allem eines zu fordern: die Abschöpfung der Extra-Profite, welche der gesamten tributpflichtigen Gesellschaft entzogen worden sind, und zurückerstattet werden müssen. Die aus Spekulationsgewinn und Aufwertung der Lagerbestände fliessenden, ohne jeden produktiven Beitrag entstandenen Bereicherungen sind mindestens zu 80% weg zu besteuern. Eine solche Steuer könnte einmal jährlich erhoben werden, solange es bei geringfügigen Preisbewegungen bleibt. Bei rasanten Preisbewegungen wäre eine Erhebung in kurzen Abständen vorzusehen. Damit erhält der Staat genügend Mittel zur Finanzierung von Massnahmen zur Sicherung der Produktion, der Beschäftigung und der Löhne in den hauptbetroffenen Wirtschaftszweigen, sowie zur Stärkung und Verbilligung des öffentlichen Verkehrs. Zum anderen würden diese Massnahmen den Spekulanten die Lust an ihrem Treiben vergällen. Diese antimonopolistischen Massnahmen sollten von Arbeiterseite so propagiert werden, dass nicht nur im Kleinbürgertum, sondern auch in den nicht imperialistischen Teilen des Bürgertums, unter ganz gewöhnlichen Ausbeutern und bei dahergelaufenen Millionären, sich die Einsicht in die Unerträglichkeit der Diktatur der Finanzoligarchie verbreitet. Mittelfristig liegt jede Massnahme richtig, welche die transnationalen Konzerne zu Wasser und zu Land zurückdrängt und die Produktionsbedingungen für die nicht imperialistischen Wirtschaftssektoren verbessert. Wo immer solche Massnahmen von Seiten der Kleinbauern und des Gewerbes, der Bauern und Fischer erhoben werden, verdienen sie die lebhafteste Unterstützung durch die Arbeiterklasse. Zudem muss die Arbeiterklasse alles tun, was in ihrer Kraft steht, um die imperialistischen Pläne zur Fortsetzung und Ausweitung der Kriege gegen die Rohstoffländer zu sabotieren und zum Scheitern zu bringen. (11.06.2008/mh)

Siehe auch:

»¢ Fischer, Bauern und Gewerbe stöhnen unter Treibstoffpreisen
Ȣ Zur Explosion der Weltmarktpreise von Grundnahrungsmitteln
»¢ Nahrungsmittel-Multis: imperialistisch, reaktionär, chauvinistisch
Ȣ Themendossier Kapitalistische Krise