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Aufruf der Comunisti uniti: Fangen wir bei uns an !

20.04.2008 – Nach dem Wahldesaster der italienischen Kommunisten (mit und ohne Anführungsstriche) ist Zeit für eine Neubesinnung angebrochen. Diese Entwicklungen wollen wir auch von hier aus aufmerksam verfolgen. Es geht unter anderem um die Frage, ob und wann sich eine marxistisch-lenistischer Kern für eine neue Partei herausbilden kann und wie wir Spreu von Weizen trennen. Praktisch geht für die PdA auch um die Frage, welche Kräfte und Organisationen in Italien und unter den italienischen Einwanderern in der Schweiz wir als den authentischen Ausdruck der bewussten italienischen Arbeiterklasse betrachten.

In einem Aufruf, der die Unterschriften von Philosophen, Polikern, Journalisten und Wissenschaftlern trägt, und der von der Zeitschrift “L’Ernesto” unterstützt wird, tritt nun eine Gruppe namens “comunisti uniti” an die linke Öffentlichkeit und fordert die Schaffung einer Kommunistischen Partei, die diesen Namen verdient. Ihr Appell richtet sich besonders an die traditionelle Anhängerschaft von kommunistischen Parteien und an die Mitglieder der “Rifondazione comunista” und der “Partito dei Comunisi Italiani”.

Die “Comunisti uniti” erinnern an die Manifestation vom 20. Oktober 2007, wo Massen unter einem Meer von roten Fahnen auf die Strasse gingen, und an andere imposante Aufmärsche der kampfbereiten und geschlossenen Arbeiterschaft. Diese Arbeiterklasse ist für eine kampfbereite kommunistische Partei zu haben und verlangt eine solche. Die Initianten würdigen den hoffnungsvollen Ansatz und die Erfahrung, die mit der Gründung der “Rifondazione” gemacht worden sind. Aber sie stellen fest, dass dieser im Grunde genommen gescheitert ist. Von dort her ist keine Initiative mehr zu erwarten.

Der Aufruf betont, dass der Aufbau einer starken und einheitlichen Partei Zeit braucht.

Siehe auch:

Externe Links:

Appell (resistenze.org) Cominciamo da noi
Initianten des Appells: Communist uniti

NACHTRAG vom 23. April 2008: In der Tageszeitung «junge Welt» erschien heute die Übersetzung des Aufrufs aus dem Italienischen von Hermann Kopp mit folgendem Wortlaut:

»Beginnen wir bei uns«

Nach dem Zusammenbruch der »Regenbogenlinken« – Aufruf an die Mitglieder und Leitungen der PdCI und der PRC und an die Kommunistinnen und Kommunisten überall in Italien

Wir sind Kommunistinnen und Kommunisten von heute. Wir haben unseren Platz in den Bewegungen und in der Klassenauseinandersetzung. Wir haben unterschiedliche Lebensgeschichten und Gefühlslagen: Wir wissen, daÖ dies keine Zeit der GewiÖheiten ist. Wir haben ein Verhältnis, auch ein kritisches, zu unserer Geschichte, die wir nicht verleugnen; aber unser Blick ist auf die Gegenwart und die Zukunft gerichtet. Wir haben nicht Sehnsucht nach der Vergangenheit, sondern allenfalls nach einer besseren Zukunft.

Das Wahlresultat der Regenbogen-linken ist verheerend: Diese hat nur ein Viertel der Stimmen erhalten, welche 2006 die drei Parteien [ausser den beiden kommunistischen Parteien die Grünen – d. Ö.] zusammen erhielten (10,6 Prozent), sie erzielte auch weniger als die Hälfte der über acht Prozent Stimmen, die vor zwei Jahren auf die beiden kommunistischen Parteien (PRC und PdCI) entfallen waren, und nur wenig mehr als ein Drittel des besten Resultats, 8,6 Prozent, von Rifondazione, als die Partei noch nicht gespalten war. Drei Millionen Stimmen gingen gegenüber 2006 verloren. Und zum ersten Mal im Nachkriegsitalien fehlt es an jeglicher parlamentarischer Vertretung: Kein einziger Kommunist zieht ins Parlament ein. Das Wahlergebnis hat wesentlich tiefere Wurzeln als die bloÖe Verlockung der »nützlichen Stimme«: Es spiegelt die verbreitete und tiefe Enttäuschung der Anhänger der Linken und der Bewegungen wider – Enttäuschung über die Politik der Regierung Prodi sowie darüber, daÖ von Teilen des Regenbogens die Liquidierung der politischen, theoretischen und organisatorischen Autonomie der Kommunisten zugunsten einer neuen nicht-kommunistischen, nicht-antikapitalistischen, auf neoreformistische Positionen und Gepflogenheiten orientierte Formation angestrebt wurde. Eine Formation, die keinerlei alternative Bedeutung mehr hätte und sich dem »gemäÖigten« Projekt der Demokratischen Partei und der Logik des parlamentarischen Wechselspiels unterordnen würde.

Parteilose Kommunisten

Die Zeit der Entscheidung ist gekommen: dies ist die unsere. Wir teilen nicht die Idee einer einzigen Formation der Linken, deren »Beschleunigung« einige ungeachtet des wahlpolitischen Desasters hartnäckig fordern. Wir schlagen dagegen eine Perspektive der Einheit und Autonomie der kommunistischen Kräfte in Italien vor, in einem ProzeÖ der Sammlung, der, ausgehend von den Hauptkräften (PRC und PdCI), ohne Sektiererei oder Selbstgenügsamkeit andere politische und soziale Subjekte einbezieht. Wir appellieren an die Mitglieder und Leitungen der Rifondazione, der PdCI, anderer Assoziationen oder Netze, und an die Hunderttausenden Kommunistinnen und Kommunisten ohne Parteibuch, die in diesen Jahren in den Bewegungen und in den sozialen Kämpfen dazu beigetragen haben, die Grundlagen für eine zum Kapitalismus alternative Gesellschaft zu legen, die organisierten Ausdrucksformen der Kommunisten nicht aufzugeben, sondern einen offenen, auf den Bau eines »gemeinsamen Hauses der Kommunisten« ausgerichteten ProzeÖ der Erneuerung einzuleiten. Unser Appell richtet sich:

  • an die Arbeiterinnen, die Arbeiter und an die Intellektuellen der alten und neuen Berufe, an das Prekariat, an die Gewerkschaftsbewegung und die Basiskomitees, an die sozialen Schichten, die heute »davon nicht mehr leben können« und für welche die »Krise der vierten Woche [am Ende des Monats, wenn das Geld nicht mehr reicht]« nicht nur eine Schlagzeile in der Zeitung ist: die also zusammen die unabdingbare strukturelle und Klassenbasis jeglichen Kampfs gegen den Kapitalismus darstellen;
  • an die Bewegungen der Jugend, der Frauen, für Umweltschutz, für die Bürgerrechte und des Kampfes gegen jegliche sexuelle Diskriminierung, im Bewusstsein, daÖ heutzutage der Kampf für den Sozialismus und den Kommunismus seine ursprüngliche Aufgabe der umfassenden Befreiung nur erfüllen kann, wenn er fähig ist, innerhalb seines eigenen Horizonts auch die Problemstellungen der feministischen Bewegung aufzugreifen;
  • an die Antikriegsbewegung und die internationale Solidaritätsbewegung, die gegen die Stationierung von Atomwaffen und ausländische Militärstützpunkte in unserem Land kämpfen und die an der Seite der Länder und Völker (wie des palästinensischen) stehen, welche das militärische, politische und ökonomische Joch des Imperialismus abzuschütteln versuchen;
  • an die Welt der Migranten, die den Einbruch des schrecklichen Unrechts, das der Imperialismus im WeltmaÖstab ständig hervorbringt, in die reichsten Gesellschaften repräsentieren; denn nur aus der multiethnischen und multikulturellen Begegnung kann – im gemeinsamen Kampf – eine kosmopolitische, nicht-integralistische, antirassistische, für »Verschiedenheiten« offene solidarische Kultur hervorgehen, welche die ganze Menschheit den hohen Zielen friedlichen Zusammenlebens entgegenführt.

Wir wünschen uns einen ProzeÖ, den von Anfang an die Fähigkeit zu problembewusstem, auch selbstkritischem Nachdenken auszeichnet. Dabei ist auch zu untersuchen, warum ein so wertvoller und vielversprechender Versuch wie der ursprüngliche der »kommunistischen Neugründung« nicht in der Lage war, jene kommunistische Partei zu schaffen, welche die Arbeiterbewegung und die Linke brauchten und brauchen; und wie es dazu kam, daÖ dieser ProzeÖ von so vielen Teilungen, Abspaltungen, Austritten geprägt war, die Zehntausende von Genossinnen und Genossen frustrierten und resignieren lieÖen. Wir wollen ein Nachdenken darüber, warum die soziale und klassenmäÖige Verwurzelung der Parteien, die aus diesem Versuch hervorgegangen sind, brüchig und unzureichend wurde, und über die Irrtümer, die uns in eine Regierung geführt haben, welche die Erwartungen der Anhängerschaft der Linken enttäuscht hat, was auch die Ursache der Erholung der Rechten ist. Für dieses Nachdenken werden wir Zeit, Geduld und gegenseitige Achtung brauchen. Würden wir ihm aber ausweichen, wären die Fundamente eines Neuaufbaus viel zu unsicher.

Neuaufbau der KP

Unsere Aufgabe steht nicht im Widerspruch zum richtigen und tief empfundenen Bedürfnis einer breiteren Aktionseinheit aller Linkskräfte, die einer Wende nicht abgeschworen haben. Und sie schlieÖt auch die Suche nach nützlichen Konvergenzen, nicht aus, um den Vormarsch der reaktionärsten Kräfte zu stoppen. Aber ein solches einheitliches linkes Bemühen wird umso erfolgreicher sein, je besser der Neuaufbau einer starken und einheitlichen, auf der Höhe der Zeit stehenden kommunistischen Partei gelingt. Für die es gerade heute darauf ankommt, in der Gesellschaft, mehr noch als in den Institutionen, zu leben und sich zu verankern, denn nur die gesellschaftliche Verankerung kann Festigkeit und die Aussicht auf Wachstum garantieren und die Grundlagen schaffen für eine Partei mit autonomer Organisation und einer autonomen politischen Rolle mit Masseneinfluss, ungeachtet des derzeitigen Ausschlusses vom Parlament und auch für den Fall neuer, verschlechterter Wahlgesetze. Die Kundgebung vom 20. Oktober 2007, bei der sich eine Million Menschen begeistert unter einem Meer von roten Fahnen mit kommunistischen Symbolen versammelt hatte, zeigt – mehr als jeder andere Diskurs –, daÖ im heutigen Italien der soziale und politische Raum für eine autonome, kämpferische, vereinte und einheitliche kommunistische Kraft existiert – eine Kraft, die es versteht, die Stütze einer breiteren linken Volksbewegung zu sein, die es – unter anderem – versteht, zu den 200.000 Menschen zu sprechen, die gegen die [US-]Militärbasis in Vicenza demonstrierten, zu den Gewerkschaftsdelegierten, die sich für ein NEIN zum Vertrag mit der Regierung über Sozialgesetze und Renten verkämpften, zu den zehn Millionen Werktätigen, die das Referendum zu Artikel 18 [Kündigungsschutz] unterstützten.

Wir hoffen, daÖ dieser Appell – auch bei Treffen und in offenen Diskussionen – breite Unterstützung finden wird, in jeder Stadt, in jedem Gebiet, an jedem Arbeitsplatz oder Studienort – wo immer ein Mann ist, eine Frau, ein Junge oder ein Mädchen, die im Kapitalismus nicht das letzte Wort der Menschheitsgeschichte sehen wollen.