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Für demokratische Patrioten wird es eng in der SVP

Natürlich erleichtert es den Konkurrenten die Arbeit, wenn eine Partei geschwächt wird und auseinander bricht. Deswegen sollte sich niemand auf linker Seite mit Gedanken der Schadenfreude aufhalten. Viel wichtiger ist es, die Bewegungen innerhalb der Bürgertums zu beobachten, ihre Gründe tiefer zu erfassen und die zugrunde liegenden Bewegungsgesetze zu entdecken. Dabei handelt es sich keineswegs bloss darum, den “Feind” zu beobachten. Vielmehr hat die Arbeiterklasse einiges Interesse an einer bürgerlichen Partei, welche die Interessen ihrer sozialen Basis unverfälscht zum Ausdruck bringt. Zudem: Gerade unter der heutigen Korrelation der Klassenkräfte zwischen Imperialismus und antiimperialistischem Lager könnte und müsste eine solche Partei in einigen Dingen zur wichtigen Verbündeten einer konsequenten Arbeiterpartei werden. Wenden wir uns aber vorab den Kräfteverhältnissen in der heutigen Berner SVP zu und fragen nach den klassenmässigen und ideologischen Triebkräften.

In der SVP brechen Gegensätze auf, welche langezeit mit lauten Parolen und Wahlerfolgen übertüncht worden sind. Die grosse SVP des Kantons Bern hat kürzlich nur mit knappem Mehr eine Resolution gutgeheissen, worin sie ihre politische Distanz zu Entwicklungen in der Mutterpartei darlegte und namentlich den Ausschluss der Sektion Graubünden durch die Parteizentrale missbilligte. Zitat daraus: “Die SVP Kanton Bern widersetzt sich mit Entschiedenheit einem allfälligen Ausschluss der SVP Kanton Graubünden aus der SVP Schweiz. Ein solcher Entscheid würde Gesetz und Statuten klar verletzen.” Da nun die Zentrale den Entscheid trotzdem gefasst hat, sieht eine Gruppe von SVP-Würdenträgern im Kanton Bern die Zeit für einen organisatorischen Bruch mit der SVP Schweiz für gekommen und wirbt unter dem Namen “Aktion Bubenberg” dafür, diesen Schritt endlich zu vollziehen. Die Mehrheit der SVP-Grossräte will demgegenüber den heutigen Rechtszustand belassen. Vieles deutet darauf hin, dass die Berner Oberländer die Fäden in der Hand haben. Eine von Walter Messerli aus Interlaken angeführte Liste von Oberländer Grossräten fordert in einem Gegenpapier zu den abtrünnigen Bubenbergern von der Berner SVP unter anderem, dass sich diese energisch und prompt gegen «verbale Entgleisungen der Mutterpartei» zur Wehr setzen soll. Demnach zeichnet sich derzeit eine breite Mehrheit dafür ab, dass die Kantonalpartei ihren eigenständigen Kurs konsequenter als bisher fortsetzen soll, ohne sich von der Zentale organisatorisch zu lösen. Für demokratische Patrioten könnte es eng in der SVP werden, wenn sie zur Wahl zwischen zwei alternativen Öbeln gezwungen werden. Entweder Blochers Rechtsaussenkurs oder den von EU-hörigen Kräften geführten “liberalen” Gegenkurs. Wer die so gestellte Wahlfrage zurückweist, der findet seinen (SVP-) Standpunkt wohl am ehesten im Oberländer Papier zum Ausdruck gebracht. Was fehlt ist ein Papier, welches gleichzeitig dem Antidemokratismus und Neoliberalismus eine allgemeingültige Absage erteilt, woher er auch komme – ob von Blocher oder vom EU-Lager.

Stimmung gegen Zürcher SVP wächst. Weite Teile der SVP-Basis lehnen die Hetzkampagnen nach Zürcher Manier ab und erkennen die Gefahren, die dem Land von den SVP-Scharfmachern drohen. Viele verurteilen den Stil und Umgangston der SVP-Zentrale. Einzelne Ortsparteien im Kanton Bern haben Stellungnahmen veröffentlicht, die bei allem Misstrauen gegen Immigranten dennoch eine ausdrückliche Absage gegen Rassismus und Fremdenhass enthalten. Sogar im Berner Oberland, wo die Lust zur Spaltung der SVP gering eingeschätzt wird, haben zahlreiche Gemeinden die SVP-Parolen bei den letzten Volksabstimmungen sehr deutlich bachab geschickt. Ein krasses Beispiel dafür bietet der Amtsbezirk Interlaken. Hier erreichte die SVP in den Nationalratswahlen 2007 einen Wähleranteil von 38%, zusammen mit den rechten Splittergruppen (SD und EDU) kam sie sogar auf 46%. Nicht einmal dieser Wähleranteil, nur gerade 44% stimmten am 1. Juni der pseudodemokratischen Einbürgerungsinitiative zu. Blosse 28% bzw. 37% folgten den SVP-Parolen bei den anderen beiden Abstimmungsvorlagen. Der Tourismus als strategischer Wirtschaftszweig des Oberlandes lässt sich auch schwerlich mit Ausländerhass kombinieren. Dass die Oberländer gastfreundlich und weltoffen sind, darüber braucht man kein weiteres Wort zu verlieren.

Begründete Vorbehalte gegen Spaltung: Aus Kreisen der kleingewerblichen und landwirtschaftlichen Produktion bestehen nachvollziehbare Vorbehalte gegenüber einer Abspaltung. Eine Trennung von der SVP Schweiz wäre unter den heute gegebenen Umständen vielleicht gleichbedeutend mit der Auslieferung der bernischen SVP an bundesratstreue Kräfte. Besonders in ausgesprochen patriotisch gesinnten ländlichen Gegenden konzentrieren sich auch die EU-Gegner und sammeln sich in der SVP. Diese Patrioten müssen nun im Fall einer Abnabelung von der Mutterpartei befürchten, dass die SVP des Kantons Bern ins Fahrwasser der Bundesratsparteien und verbündeter Elemente geraten könnte, die allzeit nach Brüssel schielen und bereit sind, die politischen und wirtschaftlichen Zustände in der Schweiz in Zukunft immer deutlicher nach den Diktaten der internationalen Vereinigungen des Grosskapitals, besonders der Nato, EU und WTO, umzugestalten. Diese Gefahr lässt viele Kritiker des Blocherkurses vor einem Bruch mit der Zentrale zögern. Dass sich die Befürworter des Bruchs als “Aktion Bubenberg” vorgestellt haben, zeugt von einer gewissen Verlegenheit. Vor mehr als einem halben Jahrtausend hat einer von Bubenberg sich um die Festigung der absoluten Landesherrschaft der städtischen Aristokratie verdient gemacht und gleichzielende Pläne von fürstlichen Konkurrenten zurückgeschlagen. In den Dörfern ist auch schwer verständlich, wieso eine demokratische Opposition gegen die Gesslerhüte aus Zürich auf die Idee kommt, sich ausgerechnet unter dem Banner eines Berner Patriziers zu scharen. Diese Geschmacklosigkeit deutet an, wie wenig die Urheber der Aktion Bubenberg in der Basis dieser Partei verankert sind. Nicht verwunderlich, dass sich schon wieder Absetzbewegungen und Schwankungen unter den Abtrünnigen bemerkbar machen.

Stadt- gegen Landbourgeoisie?: Bekanntlich ist die städtische SVP schon vor Jahren auf strammen Rechtskurs geschaltet worden und hat ihren von Gemeinderätin Begert angeführten gemässigten Flügel abgestossen. Das gleiche Spiel wiederholt sich derzeit in der städtischen FdP, wo Gemeinderat Hügli ausgebootet wird, während Nationalrat Wasserfallen als Vertreter des Kasernenhof-Freisinns an Börsenwert gewinnt. Beide Stadtparteien haben lange Öbung darin, die von ihnen selbst vorgeschlagenen Gemeinderäte fallen zu lassen. Das hauptstädtische Bürgertum hat sich bis heute nicht vollständig von seinem einstigen Dasein im Schatten der absoluten Landesherrschaft der Berner Patrizier gelöst. Im Vergleich mit den bürgerlichen Kantonalparteien stehen die städtischen Sektionen der SVP und FdP so weit rechts aussen, dass die Frage naheliegt: Warum macht das stockreaktionäre Stadtbürgertum nicht seine eigene vereinigte Bude auf? Und warum schliessen sich die SVP und FdP in den Dörfern nicht dagegen zusammen, um alldas zu verteidigen, was sie in Jahrhunderten in bäuerlichen und bürgerlichen Parteien und später vielfach dank den Kämpfen der Arbeiterklasse errungen haben?

Das Bürgertum ist nicht durchwegs imperialistisch: Grosse Bevölkerungskreise aus verschiedenen Teilen der bürglerlichen Klasse und des Kleinbürgertums, und auch nicht wenige Arbeiter und Lohnabhängige, sympathisieren mit einigen Forderungen der SVP und halten die Führungsfiguren der SVP-Zentrale mehr als andere Politiker für glaubwürdige Vertreter der Landesinteressen. Das Aufkommen solcher Ansichten stützt sich weitgehend darauf, dass die SVP die Oppositionsrolle gegen die EU für sich allein gepachtet hat. Ebenso erfolgreich verkauft sich die SVP, unter Ausnützung schwerer Fehler der Linken, in der Rolle als Alleinhüterin der besten demokratischen und freiheitlichen Traditionen, als konkurrenzlose Verteidigerin der Souveränität, Neutralität und Unabhängigkeit gegen Anmassungen der Grossmächte, als Verfechterin der Stärkung des nationalen Produktivapparats usw. Selbstverständlich setzen viele mittlere und kleinere Unternehmer auf eine SVP, welche Schutz gegen die Zumutungen und Raubzüge von Seiten des tributgierigen Finanzkapitals verspricht, mit dessen verschiedene Abteilungen (Grundbesitz, Versicherungen, Banken, marktbeherrschende Lieferanten oder marktbeherrschende Abnehmer, Staat) sich ihre Produktionsbetriebe herumschlagen müssen. Die Interessen dieser Unternehmerklasse stimmen – von allen Sonderfällen abgesehen – nicht mit den Interessen des imperialistischen NATO-Kapitals überein. Diese Unternehmerklasse wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Lösung der Produktionsaufgaben spielen. Solange die Ausbeutung der Arbeit fortbesteht, bleiben auch die grundlegenden Widersprüche zwischen Ausbeuter und Ausgebeuteten ungelöst. Diese Widersprüche nicht zu leugnen, sondern beidseitig zu anerkennen, das wäre eine gute Grundlage für ein antiimperialistisches Bündnis verschiedener Klassenkräfte.

Und die Arbeiter? Nehmen wir als Beispiel einen Betrieb zur Herstellung von nützlichen Produkten wie zum Beispiel altbewährten Heilmitteln für den medizinischen Bedarf der öffentlichen Spitäler. Solche Betriebe werden heutzutage in der Schweiz durch unerfüllbare Vorschriften zum Aufgeben gezwungen. Sollten sich die Werktätigen in den Labors nun etwa auf die Seite der Pharmakonzerne schlagen, die ihre Kontrolle über den Staat unmittelbar dazu einsetzen, um den Kleinbetrieb wie Unkraut zu bekämpfen und um die Ansätze zu Strukturen der regionalen Eigenversorgung zu ersticken? Von solchen und vielen bedeutend grösseren Fällen hört man alle Tage. Vielerorts unterstützen die Arbeiter ihre Ausbeuter und beide vereinigen sich im Kampf um die Erhaltung ihrer Erwerbsmöglichkeiten. Sehr deutlich ist dieser Schulterschluss von Proletariat und unteren Teilen der Bourgeoisie bei bei den Meeresfischern in Frankreich, Spanien und Portugal, wo Zehntausende von Fischerfamilien um ihre Existenz kämpfen, so wie die Schiffsbesitzer um die ihrige.

(6.6.08/mh)

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