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Jorge Cadima: Klassenzensur


Die größte Demonstration der portugiesischen Arbeiter der letzten 20 Jahre wird von den Medien mit äußerster Diskretion behandelt.

Die Tatsache, dass mehr als 200.000 Werktätige auf die Straße gegangen sind, um gegen den EU-Gipfel in Lissabon zu protestieren, wird aus der internationalen Kommunikation einfach ausgelöscht. Ihr Stillschweigen ist umso schockierender, wenn wir bedenken, dass über 1300 Journalisten aus aller Welt nach Lissabon gekommen waren, um dem EU-Gipfel Deckung zu geben. Sie wurden Zeugen der Massenproteste vor dem „Park der Nationen“, wo die EU-Regierungschefs tagten. Aber am Abend des 18. Oktober müssen die Chefredaktoren und Verantwortlichen übereinstimmend festgestellt haben, dass ihnen allen die Tinte ausgegangen ist.

Die Unterschlagung der großen Manifestation der Gewerkschaft CGTP zeigt, dass jede Diskussion über die Unabhängigkeit der Presse in der freien Welt der westlichen Demokratien realitätsfremd ist. Sie beweist, dass die Zensur existiert.

Die soziale Kommunikation wird immer mehr in den Händen des Großkapitals und der ihm ergebenen Regierungen konzentriert. Sie wendet als Klasse die Zensur an, um die offenkundige Tatsache zu verstecken, dass die portugiesischen Arbeiter die Projekte der EU nicht akzeptieren und den neoliberalen Politiken (Prekarisierung, Flexicurity, Vertiefung der sozialen Ungleichheit) den Kampf ansagen, die im EU-Vertrag verankert werden.

Das Problem betrifft nicht nur die Zensur über Vorgänge in Portugal.

Wieviele wissen, dass am 2. Oktober in Kopenhagen 100.000 Dänen auf die Straße gingen, um gegen die Kürzungen von Sozialprogrammen zu demonstrieren? Es war schon die dritte große Manifestation innerhalb eines Jahres in diesem Land, wo die Wiege der „Flexicurity“-Konzepte steht.

Wie viele wissen, dass auch in Rom Zehntausende auf die Straßen gingen, und – obwohl die Umstände der Demonstration widersprüchlich waren – mit einem Meer von roten Fahnen mit Hammer und Sichel jeden Zweifel über ihre Auffassungen beseitigten?

Wie viele von uns wissen von der großen Streikwelle in Bulgarien, unter führender Beteiligung der Lehrer, welche eine Erhöhung ihrer 60-Euro-Renten verlangen?

Wer weiß, dass am 22. September in der Schweiz die seit Jahrzehnten größte gewerkschaftliche Manifestation stattfand, als 20.000 Bauarbeiter in Zürich ihren Willen manifestierten, einen kollektiven Arbeitsvertrag zu erkämpfen?

Wer hat davon gehört, dass die britischen Arbeiter, nach Jahrzehnten von Stillstand, Niederlagen, Rückzügen und Klassenkollaboration vieler Gewerkschaftsführer nun einen Aufschwung erleben? Dass der hohe Erfolg ihrer geheim organisierten und manchmal illegalen Streiks die Regierenden überrascht, wie im Beispiel des fast geschlossen befolgten Streiks der britischen Gefängniswärter?

Der Zensur unterlag auch die Berichterstattung über den von großen Manifestationen begleiteten 24 stündigen Transportstreik, der am 18. Oktober Frankreich lahmlegte. Die enorme Kampfbereitschaft der Streikenden, besonders die Tatsache, dass sie den Streik an vielen Orten um mehrere Tage ausdehnten, wurde völlig unter den Teppich gekehrt.

Die Klassenzensur der beherrschenden Medien versucht die Idee auszustreuen, dass jeder der kämpfen will, allein für sich steht. Die Zensur will den Widerstandswillen brechen und damit den Widerstand besiegen. Die Zensoren versuchen, eine ihnen nicht passende Tatsache weg zu manipulieren. Und zwar die Tatsache, dass in der Arbeiterklasse das Bewusstsein für die Herausforderungen wächst, vor denen sie steht. Dass sie sich über den Charakter der antisozialen Offensive des Großkapitals und der EU bewusst wird. Mit ihren Manipulationen entlarven sich die Medien als Werkzeug der Klassenherrschaft im Dienste des Großkapitals. Dieses manipuliert, lügt und betrügt, sei es um soziale Rechte zurückzunehmen, sei es um imperialistische Kriege zu entfesseln.

Original («Jornal Avante!», 1.11.07): Jorge Cadima: Censura de classe


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