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Papst Benedikt umarmt die verlorenen Söhne

Der Papst hat die Exkommunikation der abtrünnigen Lefebvristen aufgehoben. Die offenen Arme, die Seine Heiligkeit der Pius-Bruderschaft entgegenstreckt, bedeuten einen weiteren Schritt auf einem seit Jahrzehnten beharrlich verfolgten Weg des derzeitigen Papstes.

Einer der an die vatikanische Brust geschlossenen Bischöfe, der Brite Williamson, Professor in Argentinien, goss Oel auf das Feuer, indem er in den gleichen Tagen mit einem Interview von sich reden machte, worin er die Ermordung von vielen Millionen Juden im Dritten Reich ebenso wie die Gaskammern leugnet. Die Pius-Bruderschaft will den Schritt des Papstes als Folge von 1,7 Millionen gebeteten Rosenkränzen deuten, nach Williamsons Lesart: mehr als Juden umgebracht worden seien.

Der Vatikan war natürlich über die Auffassungen von Bruder Richard Williamson genauestens unterrichtet. Auch ohne dass es dazu noch des besagten Interviews bedurft hätte, musste Benedikt XVI. bei der Aufhebung der Exkommunikation damit rechnen, dass Williamson aufgrund der absehbaren Kritik zur Heldenfigur der Neonazis aufsteigen würde, was inzwischen geschehen ist.

Fieberhafte Bemühungen im Vatikan

Wie nicht anders zu erwarten, wird die Aufhebung der Exkommunikation von verschiedenen Seiten schwer kritisiert oder jedenfalls als peinlich angesehen. Der Vatikan scheint geradezu fieberhaft bemüht, den Schaden zu begrenzen.

Das Dekret der Bischofskongregation über die Aufhebung der Exkommunikation trägt die Unterschrift des Kardinals Giovanni Battista Re. Inzwischen soll dieser schwere Vorwürfe gegen den Präsidenten der Kommission –Ecclesia Dei”, Kardinal Dario Castrillón Hoyos, geäussert haben, der die Federführung in diesem Dossier innehatte. Der alte Castrilón, ein 80-jähriger Kolumbianer, den er als Stümper (ital.: Pasticción) betitelte, habe das Verfahren überhastet und Re nur wenige Stunden Zeit gelassen, um die Dokumente zu lesen.

Was derzeit die Gemüter bewegt, sind Interviews von Bischof Williamson und anderen Piusbrüdern minderen Ranges, welche die Tatsache und den Umfang der Massenmorde in den Konzentrationslagern der Hitlerfaschisten leugnen. Benedikt wusste natürlich sehr gut, mit wem er sich einlässt. Aber im Vatikan wird die Geschichte nun so dargestellt, als sei der Papst von den Lefebvre-Anhängern getäuscht worden. Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone sprach von einem “unerwarteten Schlag” Williamsons gegen die Kirche. Die Piusbrüder haben inzwischen Williamson öffentliche Öusserungen zu politischen und historischen Fragen verboten.

Vatikansprecher Federico Lombardi erklärte, die Aufhebung der Exkommunikation und die Geschichtslügen bildeten zwei verschiedene “Vorgänge”, die getrennt anzugehen seien. Die nun aufgehobene Kommunikation sei nicht wegen Lügen ergangen. Verschiedene Prälaten erinnern daran, dass die Aufhebung der Exkommunikation noch lange keine Wiederherstellung der Einheit bedeute, sondern nur einen ersten Schritt. Der Vatikan verlange nach wie vor, dass die Piusbrüder sein Primat und Lehramt anerkennen usw.

Der Papst selbst hat sich indirekt von Williamsons Interview distanziert:

“In diesen Tagen, in denen wir der Shoah gedenken, kommen mir Bilder meiner wiederholten Besuche in Auschwitz wieder in Erinnerung, einem der Lager, in dem der höhnische Mord an Millionen von Juden, den unschuldigen Opfern eines blinden Rassen- und Religionshasses, verübt wurde. Während ich erneut aus ganzem Herzen meine volle und unbestreitbare Solidarität mit unseren Brüdern, den Trägern des ersten Bundes, zum Ausdruck bringe, wünsche ich, dass die Shoah die Menschheit dazu anstiftet, nachzudenken über die unvorhersehbare Macht des Bösen, wenn es das Herz des Menschen ergreift. Die Shoah sei für alle eine Mahnung gegen das Vergessen, gegen die Leugnung oder die Reduzierung.”

Diese “unbestreitbare” (indiscutibile) Solidarität von Benedikt hört sich an, als wolle er sagen: Ich habe doch schon mehrmals als Auschwitz-Pilger gebüsst. Ich sage brav die vorgeschriebenen Wörter wie ‘Shoah’. Was wollt Ihr eigentlich noch mehr? Auch die Website des Heiligen Stuhls verbreitet Youtube-Videos mit Besuchen von Konzentrazionslagern.

 

HINTERGRÖNDE:

Rechte wittert Morgenluft

Die Weisswaschung des Faschismus und Leugnung seiner historischen Verbrechen – die meistens mit antikommunistischen Umtrieben Hand in Hand geht – blieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg immer eines der Hauptanliegen von einflussreichen reaktionären Kräften in- und ausserhalb der katholischen Kirche.

Angesichts der Kräfteverhältnisse, welche im Ergebnis der Niederwerfung des Hitlerfaschismus entstanden waren, hielten sich die Klerikalfaschisten langezeit in der Öffentlichkeit zurück. Sie verloren Einfluss, und mussten auch innerhalb der Kirche viele Konzessionen an den antifaschistischen Konsens machen, der sich in Europa herausgebildet hatte und auch Teile des Klerus ergriff. Unter den Päpsten Johannes XXIII. und Paul VI. fand dieser Umschwung auch Niederschlag in Form einer Zunahme von vergleichsweise fortschrittlichen Haltungen und Öusserungen des Vatikans zu verschiedenen politischen Fragen.

Doch nun, unter dem deutschen Papst, wittern die Ultrarechten Morgenluft.

Ratzinger als Hoffnungsträger der Ultras

Er war dem Vatikan von den schwerreichen rheinischen Kirchen aufgedrängt worden, welche Hand in Hand mit US-Kapitalistengruppen eingesprungen waren, um die seinerzeit erschütterten Finanzen des Vatikans zu sanieren. Kardinal Ratzinger bot sich dem vereinigten Kirchenkapital als der beste Gewährsmann zur Durchsetzung seiner Interessen in Rom an.

Der Erzbischof von München und Freising wurde 1981 zum Präfekten der Glaubenskongregation (vormals: Heilige Offizien) berufen. Im letzten Jahrzehnt des Pontifikats von Johannes Paul II. war es bereits Ratzinger, der in der Kurie die Fäden knüpfte, während der volkstümliche Pole Karol Wojtyła nach dem Attentat als Märtyrer auf dem Papamobil herumgeschoben wurde.

Bernard Fellay und drei weitere Anhänger des schismatischen Erzbischofs Marcel Lefebvre waren von diesem am 30. Juni 1988 zu Bischöfen geweiht und tags darauf von Johannes Paul II. exkommuniziert worden. Wer könnte diesen ultrakonservativen Anhängern des 1991 verstorbenen Lefebvres jemals bessere Eintrittsbedingungen verschaffen, als der erzkonservative Joseph Ratzinger, der derzeit den Heiligen Stuhl einnimmt?

Bereits im Juli 2007 ist der Heilige Vater nach den Worten des Vatikans “aus eigenem Antrieb den Anliegen der Priesterbruderschaft Pius X. und der ihr nahe stehenden Gläubigen weit entgegengekommen”, indem er die sogenannte tridentinische Messe auf breiter Basis wieder zuliess. Wie so oft in Kirchenspaltungen dreht sich der Streit, welcher zur Exkommunikation Pius-Brüder geführt hatte, auch um liturgische Dinge. Streitfragen sind etwa: Soll der Priester die Messe in Latein oder in Landessprache lesen? Und soll er den Gläubigen dabei sein Gesicht oder den Hintern zuwenden?

Josef Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation

In seiner Eigenschaft als vatikanischer Chefideologe und Präfekt der Heiligen Offizien hat sich Kardinal Ratzinger vor allem durch den Eifer hervorgetan, mit welchem er die Befreiungstheologie enthauptete und zerschlug. In diesem jahrelangen harten Kampf schickte er Heere von Inquisitoren nach Lateinamerika und griff zu Hunderten von Schlichen griff, wie zum Beispiel Zusammenlegungen und Trennungen von Diözesen, Aufhebung von Institutionen, Versetzungen usw. Er entzog den Zentren der Befreiungstheologie die finanziellen Mittel und schmälerte ihre Kompetenzen.

Er spaltete die volksnahe Kirche in gezähmte Formen der ‘Kirche der Armen’ zum Unterschied von der bitter verfolgten Befreiungstheologie. Er führte die Angriffe auf die fortschrittliche Kirche in Lateinamerika gemeinsam mit (protestantischen) nordamerikanischen Priestern, die eine grosse Offensive mit Live-Shows und TV-Predigten auf dem südlichen Kontinent eröffneten.

Aber die Heiligen Offizien produzierten auch zahlreiche dogmatische Schriften gegen prominente Ketzer wie Küng und gegen die Bischöfe und Priester Lateinamerikas, welche sich auf die Seite der Unterdrückten schlugen. Ein Beispiel dafür ist die Lehrmässige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben, gegeben zu Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 24. November 2002, dem Hochfest Christkönig. Dort lesen wir unter Ziffer 7:

“7. In jüngerer Zeit ist es gelegentlich vorgekommen, dass – auch innerhalb einiger Vereinigungen und Organisationen katholischer Prägung – Positionen zu Gunsten politischer Kräfte und Bewegungen vertreten wurden, die in grundlegenden ethischen Fragen von der Moral- und Soziallehre der Kirche abweichen. Solche Einstellungen und Verhaltensweisen widersprechen grundlegenden Prinzipien des christlichen Gewissens und sind nicht mit der Zugehörigkeit zu Vereinigungen und Organisationen vereinbar, die sich katholisch nennen. In analoger Weise ist zu sagen, dass einige katholische Zeitschriften in gewissen Ländern die Leser bei politischen Wahlen in zweideutiger und unangemessener Weise orientiert, irrige Auffassungen über den Sinn der Autonomie der Katholiken in der Politik verbreitet und die oben erwähnten Prinzipien nicht in Betracht gezogen haben.”

Eindringlich warnte auch die Instruktion Libertatis nuntius der Kongregation für die Glaubenslehre über einige Aspekte der ‘Theologie der Befreiung’ vom 6. August 1984 vor der zersetzenden und zerstörerischen Wirkung der “unkritischen Anleihen bei der marxistischen Ideologie”:

“6. Im Falle des Marxismus, wie man ihn in der Befreiungstheologie zu gebrauchen beansprucht, drängt sich eine vorgängige Kritik um so mehr auf als das Denken von Marx eine Weltanschauung darstellt, in der zahlreiche Daten der Beobachtung und der beschreibenden Analyse in eine philosophisch-ideologische Struktur integriert sind, die bestimmt, welche Bedeutung und relative Wichtigkeit man diesen Daten zumiÖt. Die ideologischen Apriori werden bei der Lektüre der sozialen Wirklichkeit vorausgesetzt. So wird es unmöglich, die heterogenen Elemente auseinanderzuhalten, die dieses erkenntnistheoretisch hybride Gemisch bilden. Man glaubt, nur das aufzugreifen, was sich als Analyse darbietet, und wird dabei verleitet, gleichzeitig die Ideologie anzunehmen. Deshalb geschieht es nicht selten, daÖ unter dem, was viele –Befreiungstheologen– marxistischen Autoren entleihen, die ideologischen Aspekte überwiegen.” (Libertatis nuntius, VII. Die marxistische Analyse, Ziff. 6)

Das “3. Geheimnis von Fátima”: Antikommunismus

Unter Ratzingers Verantwortung wurden auch solche Dokumente veröffentlicht wie der Kommentar zum “Dritten Geheimnis von Fátima”, dessen Veröffentlichung Johannes XXIII. und Paul VI. abgelehnt hatten. Der (damals schon schwerkranke) Papst Johannes Paul II. soll der Glaubenskongregation den Auftrag dazu gegeben haben, heisst es in der Veröffentlichung vom 13. Mai 2000.

Darin vernehmen wir, wie Schwester Lucia, eines der Kinder, denen am 13. Mai 1917 zu Fátima in Portugal die Maria erschienen sein soll, den “dritten Teil ihres Geheimnisses” in einen Umschlag steckte, der erst nach 1960 geöffnet werden dürfe, entweder vom Patriarchen von Lissabon oder vom Bischof von Leiria. Die Nonne wird im hohen Alter befragt. Sie betont ihre Überzeugung,

“… dass sich die Vision von Fátima vor allem auf den Kampf des atheistischen Kommunismus gegen die Kirche und die Christen bezieht, und beschreibt das ungeheure Leid der Opfer des Glaubens im zwanzigsten Jahrhundert.”

Es ist unausweichlich, dass die reale Geschichte des 20. Jahrhundert einige Umschreibungen erleiden muss, wenn sie den Marienerscheinungen und ihren Deutungen angepasst werden soll. So wird denn auch das Papstattentat vom 13. Mai 1981 in den Sinnzusammenhang mit den Marienerscheinungen zu Fátima gestellt.

Aus dem Wirken von Papst Benedikt XVI.

Wer immer gegen dieses Ungeheuer des Kommunismus angetreten ist, wie es uns im dritten Geheimnis von Fátima offenbart wird, und sei es nur in der Uniform eines Hitlerjungen, der darf gemäss Ratziger nun auf die allerhöchste Weihe von der Muttergottes pochen.

Folgerichtig hat der ausgesprochene Marienverehrer und Papst Benedikt im Jahr 2008 die Seligsprechung von Hunderten von Franco-Anhängern angeordnet, die im Spanischen Bürgerkrieg als christliche –Märtyer» gegen den gottlosen Kommunismus gefallen sind. Ein konkreter Beitrag zur Rehabilitierung des Faschismus.

Ratzinger intensiviert die Berufung reaktionärer Kirchenfürsten. Der rechtsgerichtete Klerus entfaltet seine Aktivitäten auf verschiedensten Feldern. In einigen katholischen Ländern überlassen die Regierungen Aufgaben in Erziehung, Sozialhilfe und -versicherung, Gesundheitswesen, Sportförderung, Kultur zunehmend den Kirchen. Unter grossem Medienaufwand wird weitherum die Gesellschaft der –zivilen Netzwerke» propagiert. Die Kirche gehört dabei zu den allergrössten Akteuren und nutzt im Konkurrenzkampf den Vorsprung, der im hohen Grad ihrer Zentralisierung und Hierarchisierung liegt.

Ratzinger segnet die Theorie vom –intelligent design», das ist aufgewärmter Kreationismus, den man in früheren Jahrhunderten Vitalismus, Finalismus, Teleologie oder anders nennen mochte. Traditionell antidarwinistisch, überwand sich der Hl. Stuhl 1996 zur Aussage: –L–evoluzione non è più una ipotesi» (will sagen: Die Evolution hat aufgehört, eine blosse Annahme zu bilden, sie ist heute eine erwiesene Tatsache). Brisant ist nun, dass die Kurie den Darwin neuerdings (von seiner Heiligkeit angedeutet, durch Kardinal Schönborn verdeutlicht) nur noch in der Form –akzeptiert», dass sie ihm gerade seinen fortschrittlichen Kern (die natürliche Entstehung der belebten Materie und ihrer Arten) abspricht, und nur soviel von Darwin zulässt, wie den reaktionären Interessen der Klassenherrschaft dienlich. Neben dem –Kampf ums Dasein» dient denen eine weitere Einseitigkeit Darwins: das Evolutionsprinzip oder Prinzip der Allmählichkeit, welches die Rolle von plötzlichen Umwälzungen und Brüchen schon in der naturgeschichtlichen Entwicklung herabmindert, um das revolutionäre Element dann auch in der gesellschaftlichen Entwicklung zu leugnen und aus jedem Denken zu verbannen; endlich um den Kapitalismus als letzte Vollendung der Entwicklung und als Verwirklichung eines von überirdischem Willen gesetzten ZIeles erscheinen zu lassen. Das politisch Neue am modernen Kreationismus liegt darin, dass er eine Brücke der Verträglichkeit schlägt zwischen den bibelbezogenen und den bibelferneren Ideologien des Imperialismus (Sozialdarwinismus, Elitetheorien usw.). In Sachen Karikaturenstreit, Kopftuchverbot usw. zeigt sich, wie weit diese imperialistische Oekumene schon gediehen ist. So gibt etwa die –Freidenker-Vereinigung der Schweiz» solche Dinge zum besten wie: –Wenn … religiöse Symbole … im Zusammenhang mit terroristischen Vorhaben verwendet werden, dann ist es den Gläubigen … zuzumuten, sich auch optisch … zu distanzieren.» Frei denkste?

In seiner Regensburger Rede vom 12. September 2006 überzog das Oberhaupt der Katholischen Kirche den Islam mit schweren Beleidigungen, indem er diesem mithilfe eines mittelalterlichen Zitats einseitig Gewaltbereitschaft unterschob.

Im Mai 2007 verkündigte der Pontifex in Brasilien, dass die Indiovölker sich insgeheim nach der christlichen Mission gesehnt hatten, die ihnen endlich die spanischen Eroberer brachten.

Diese Beispiele aus dem Schaffen des heutigen Papstes mögen genüglich dartun, dass seine Verbrüderung mit den Lefebvristen gewiss keine Überraschung darstellt.

(30.01.2009/mh)

 

Externe Links zu Dokumenten des Vatikans (www.vatican.va):

 

Siehe auch: