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ILO rechnet mit dramatischer Verschlechterung der Beschäftigungslage

Globale Beschäftigungstrends 2009 (Dokument der ILO):

Starke Zunahme von Arbeitslosigkeit, ungesicherter Arbeitsverhältnisse und der Zahl der arbeitenden Armen in Folge der Finanzkrise

ILO (28. Januar 2009) – Die globale Wirtschaftskrise dürfte zu einem dramatischen Anstieg der Zahl der Arbeitslosen, der ungesichert Beschäftigten und derer, die trotz Arbeit nicht über die Armutsgrenze kommen, führen. Das ist das Ergebnis des jährlichen Berichts über Globale Beschäftigungstrends der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der in Genf vorgestellt wurde.

Je nach der Tiefe der Rezession und der Wirkung der Konjunkturprogramme könnten 2009 zwischen 18 und 30 Millionen Menschen weltweit ihre Arbeit verlieren – ja sogar mehr als 50 Millionen, wenn sich die Situation weiter verschlechtern sollte. Überdies schätzt die ILO die Zahl derer, die vor allem in den Entwicklungsländern in absolute Armut zurückfallen könnten, auf rund 200 Millionen.

“Wir stehen vor einen globalen Beschäftigungskrise”, sagte ILO-Generaldirektor Juan Somavia bei der Vorstellung des Berichts. “Viele Regierungen sind sich dessen bewusst und handeln entsprechend, aber um eine globale soziale Rezession zu verhindern, sind noch entschiedenere und international koordinierte Anstrengungen nötig.” Somavia warnte, dass die erzielten Fortschritte bei der Armutsbekämpfung zunichte gemacht werden könnten. Auch die Mittelschicht gerate weltweit zunehmend unter Druck, mit möglicherweise dramatischen Folgen für die Politik und die globale Sicherheit.

Die Krise zeigt nach Ansicht Somavias die Bedeutung der ILO-Agenda für menschenwürdige Arbeit. Viele Elemente der Agenda fänden sich jetzt in den MaÖnahmen zur Bekämpfung der Krise wieder, insbesondere die Förderung neuer Arbeitsplätze sowie die Verstärkung des Sozialschutzes und des Dialogs zwischen den Sozialpartnern. Somavia forderte die Teilnehmer am geplanten Finanzgipfel der G20 am 2. April in London auf, MaÖnahmen zur Förderung von produktiven Investitionen, menschenwürdiger Arbeit und sozialem Schutz zu beschlieÖen und ihre Politik entsprechend zu koordinieren.

Im ILO-Bericht werden mehrere Szenarien durchgespielt:
  • Auf Grundlage der IWF-Konjunkturprognosen vom vergangenen November ist ein Anstieg der globalen Arbeitslosenrate auf 6,1 Prozent im Jahr 2009 zu erwarten, nach 5,7 Prozent im Vorjahr. Dies wäre ein Zuwachs bei der Zahl der Arbeitslosen um 18 Millionen.
  • Wenn sich die Aussichten gegenüber der IWF-Prognose noch weiter eintrüben, was als wahrscheinlich gilt, dürfte sich die Arbeitslosenrate auf 6,5 Prozent erhöhen, was 30 Millionen mehr Arbeitslosen entspricht.
  • Im schlimmsten Fall könnte die Arbeitslosenrate sogar auf 7,1 Prozent steigen und so zu 50 Millionen mehr Arbeitslosen führen.
  • Die Zahl der arbeitenden Armen – also derer, die trotz Arbeit nicht über die Armutsgrenze von kaufkraftbereinigt 2 Dollar pro Tag kommen – könnte auf 1,4 Milliarden ansteigen. Das wären 45 Prozent aller Beschäftigten weltweit.
  • Der Anteil der ungesichert Beschäftigten könnte im “worst case”-Szenario auf 53 Prozent aller Beschäftigten steigen. Damit sind Menschen gemeint, die im Familiengeschäft mithelfen oder die, meist im informellen Sektor, auf eigenes Risiko ohne Angestellte tätig sind und die deshalb meist keine soziale Absicherung haben.

Rund 190 Millionen Menschen waren 2008 ohne Arbeit. Das entspricht einer Arbeitslosenrate von 6 Prozent, nach 5,7 Prozent im Jahr 2007. Vor allem zum Ende des vergangenen Jahres hin war eine Zunahme sowohl der Arbeitslosigkeit als auch der Zahl ungesichert Beschäftigter und arbeitender Armer zu verzeichnen.

Die höchsten Arbeitslosenraten verzeichnen dem Bericht zufolge Nordafrika und der Nahe Osten (mit 10,3 beziehungsweise 9,4 Prozent), gefolgt von Zentral- und Südosteuropa einschliesslich der ehemaligen Sowjetunion (8,8 Prozent), Afrika südlich der Sahara (7,9 Prozent) und Lateinamerika (7,3 Prozent). Hingegen verzeichnet Ostasien die niedrigsten Arbeitslosenraten (3,8 Prozent), gefolgt von Südasien und Südostasien (5,4 bzw. 5,7 Prozent). Am problematischsten ist die Arbeitsmarktsituation in Afrika und Südasien. Trotz eines leichten Räckgangs in den letzten zehn Jahren gelten dort immer noch vier Fünftel aller Beschäftigten als arbeitende Arme.

Insgesamt wuchs die Zahl der Beschäftigten 2008 noch, wenn auch nur um 1,3 Prozent – deutlich weniger als die 1,6 Prozent, die im Durchschnitt der letzten zehn Jahre erreicht wurden. Die neuen Arbeitsplätze sind zum grössten Teil in Asien entstanden, während in den Industrieländern einschliesslich der EU unter dem Strich mehr Arbeitsplätze weggefallen sind als neue geschaffen wurden. Entsprechend war hier auch der Anstieg der Arbeitslosenrate am höchsten: von 5,7 Prozent 2007 auf 6,4 Prozent im vergangenen Jahr. Die Zahl der Arbeitslosen stieg um 3,5 Millionen auf 32,3 Millionen.

Der Bericht listet eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen Empfehlungen auf, die auch von zahlreichen Regierungen bereits umgesetzt werden, darunter
  • die Ausweitung der Arbeitslosenversicherung, Fortbildung und Umschulung entlassener Arbeitnehmer sowie der Schutz der Altersvorsorge vor den Finanzmarktturbulenzen;
  • öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Wohnen und Umwelt;
  • Unterstützung für kleine und mittelständische Betriebe;
  • sozialer Dialog auf Unternehmens-, Branchen- und nationaler Ebene.

Wenn eine möglichst groÖe Zahl von Staaten unter Einsatz eigener Mittel, von IWF-Krediten und verstärkter Entwicklungshilfe koordinierte MaÖnahmen entsprechend der ILO-Agenda für menschenwürdige Arbeit durchführen, könnten die Auswirkungen der globalen Krise auf Unternehmen, Beschäftigte und ihre Familien besser abgefedert und die Weichen für den Aufschwung gelegt werden.

Quelle: ILO: Globale Beschäftigungstrends 2009

 

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