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Der 1. Mai 2009 im Zeichen der kapitalistischen Krise

Grosse kämpferische Maikundgebungen in Europa

In ganz Europa gingen am 1. Mai dieses Jahr einige Hunderttausende mehr auf die Strasse als in den vorangehenden Jahren. Erstmals hatten die französischen Gewerkschaftsbünde geschlossen zur den traditionellen Mai-Kundgebungen aufgerufen. Allein in Paris folgten 160’000 folgten ihrem Aufruf zum Protest gegen die Regierung. Schon bei den beiden eintägigen Generalstreiks waren in diesem Jahr je zwei bis drei Millionen Franzosen gegen die Krisenpolitik Sarkozys auf die Strasse gegangen. Sehr hohe Teilnehmerzahlen werden auch aus Spanien gemeldet, wo die Arbeitslosenzahl im letzten Monat auf über 4 Millionen angestiegen ist.

In Moskau und Petersburg beteiligten sich mehrere Hunderttausend an den Demonstrationen. Die Teilnehmerzahlen schlugen alle Rekorde seit der Auslösung der Sowjetunion. In Moskau zählte man über 70’000 Personen, die im Umzug selbst mitschritten. Die Zunahme wird als Ergebnis der wachsenden Sorge der Russen über die kapitalistischen Krise und über die steigenden Arbeitslosigkeit bewertet. Zahlreiche Transparente unterstrichen, dass es nur eine Lösung gibt, nämlich den Sozialismus. Während es in Petersburg zu Zusammenstössen mit rechtsextremen Provokanten kam, verlief die Feier in Moskau, wo die Behörden nur die Kundgebungen der Kommunistischen Partei und der Regierungspartei “Einiges Russland” bewilligt hatten, ohne nennenswerte Zwischenfälle.

Polizeigewalt in der Türkei und in Griechenland

In Istanbul griff die Polizei die Demonstrierenden mit Kampfhunden an und setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, um sie zu zerstreuen und am Erreichen des zentralen Versammlungsortes auf dem Taksim-Platz zu hindern. Die Medien berichten von regelrechten Strassenschlachten zwischen den Manifestanten und der Polizei, die etwa 70 Manifestanten festnahm. Erst diese Woche hatte das türkische Parlament hatte den 1. Mai wieder zu einem gesetzlichen Feiertag erklärt. Er war nach dem Militärputsch 1980 von der Liste der offiziellen Feiertage gestrichen worden. Am 1. Mai 1977 waren bei einer Demonstration am Taksim-Platz in Istanbul 34 Menschen getötet worden.

In der griechischen Hauptstadt Athen wurden linke Gruppen mit Schockgranaten angegriffen. Dabei handelt es sich um Körper, welche bei der Explosion einen Knall in der Lautstärke von 170-180 Dezibel und ein extrem helles Licht (6-8 Mio Candelas) produzieren, daher auch Blendgranaten genannt. Personen im näheren Umkreis der Detonation verlieren vorübergehend den Orientierungssinn, da Seh- und Hörwahrnehmung aussetzen. Die Einführung solcher Waffen wurde seinerzeit mit ihrer Unverzichtbarkeit bei Spezialkommandos (insbesondere bei Aktionen der Geisel-Befreiung zur Unschädlichmachung der Geiselnehmer) begründet. Der heutige Einsatz beweist, dass man sich niemals auf solche Begründungen verlassen kann. Jedes Machtmittel, das diesem Staat gegeben wird, löst sich mit der Zeit von den offiziellen Beteuerungen und kehrt sich in ein Mittel einer Klasse gegen die andere, je mehr sich die Klassenkämpfe zuspitzen. Beim Einsatz zur Auflösung einer Demonstration gegen den schnellen Brutreaktor Superphénix waren im Jahre 1977 zwei Teilnehmer getötet worden, indem die Druckwelle der Schockgranate Löcher ihre Lungenflügel zerfetzte.

Deutschland: Staat schützt faschistische Provokationen gegen den Tag der Arbeit

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) meldet, dass sich insgesamt 484.000 Menschen an einer der mehr als 400 landesweit veranstalteten Kundgebungen beteiligt haben. Die Kundgebung standen unter einer Hauptforderung, die sich an den Staat richtet: «Wer in kürzester Zeit einen dreistelligen Milliardenbetrag für den Giftmüll der Banken bereitstellen will, der muss auch die Kraft haben, Geld im dreistelligen Milliardenbereich für die Zukunft unseres Landes und für die Zukunft der Arbeit bereitzustellen.», erklörte DGB-Chef Sommer in Bremen.

In Dortmund wurde eine Gewerkschaftsdemonstration von rund 300 Neonazis mit Steinen angegriffen. Um sich gegen dieselbe Gefahr zu sichern, blockierten Antifaschisten in Berlin blockierten die S-Bahn-Gleise beim Bahnhof Köpenick auf dem Weg zur NPD-Zentrale, von deren Balkon aus der Hitlergruss gezeigt bekam, wurden aber von der Polizei mit Gewalt am Protest gehindert. In Berlin und Hamburg kesselte die Polizei grosse Gruppen von Mai-Demonstranten mit schweren Fahrzeugen ein und nahm Dutzende von ihnen fest, wobei es infolge der polizeilichen Gewalttätigkeiten zu zahlreichen Verletzten kam. Offenbar haben diese sich gewehrt: die Polizei meldet auch auf eigener Seite 32 Verletzte. Während in Mainz der angekündigte Nazi-Aufmarsch offenbar verhindert wurde, konnten etwa 800 Neonazis – von der Polizei gegen die mehreren Tausend Antifaschisten geschützt – durch die Innenstadt von Ulm ziehen. Dabei ist es zu Übergriffen der Polizei mit Hunden, Pfefferspray, Knüppeln und Wasserwerfern gekommen. Die Antifaschisten wurden eingekesselt, zahlreiche von ihnen verletzt oder gruppenweise festgenommen. Nach diesem Muster lief der 1. Mai auch in einer Reihe von weiteren Städten ab. Wo die Antifaschisten den Provokationen der Neonazis die Stirne zu bieten wagten, da wurden sie vielerorts auch in eine Konfrontation mit der Staatsgewalt verwickelt. In Siegen (Nordrhein-Westfalen) wurden Antifaschisten von einem Polizei-Helikopter durch einen Wald hindurch verfolgt und schliesslich festgenommen.

Polizeiexzesse in Linz

Erstmals seit der Befreiung vom Faschismus 1945 konnte in der Arbeiterstadt Linz keine geordnete linke Maifeier durchgeführt werden. Eine harmlose Gruppe teils sehr junger Demonstrationsteilnehmer wurde laut Bericht der Kommunistischen Initative Österreich zum Spielball und Opfer einer wilden Vorführung polizeilicher ZwangsmaÖnahmen, von entwürdigender Identitätsfeststellung” (die Festgenommenen mussten sich Namensschilder anfertigen und umhängen) “über Pfefferspray, Schlagstock, Einkesselung und zügelloser Gewalt. Wohl kaum ein Zufall, meint Otto Bruckner von der Kommunistischen Initiative (KI) und verweist auf Parallelfälle, in denen dieselben Polizeieinheiten mit derselben Begründung (Durchsetzung des Vermummungsverbotes) gegen mit Sonnenbrille “Vermummte” vorgingen. Dazu kommt, dass die Behörden in Österreich aufgrund erdrückender Beweise, die von KI-Vorstandsmitglied Tibor Zenker zusammengetragen wurden, ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NVP einleiten mussten. «Da war es dann – so scheint es in der Logik der rechten Konservativen – doch an der Zeit, auch den Linken zu zeigen, wo der Bartl den Most holt», kommentiert Genosse Bruckner. Aktivisten der türkischen Immigrantenorganisationen sahen sich an die Zustände in ihrem Heimatland erinnert.

In Wien und Graz kam es zu grossen Maikundgebungen der internationalistischen Linken. In Wien fand es die opportunistische Führung der Bundes-KPÖ für nötig, ein Sonderzüglein zu fahren, dem sich etwa 350 Teilnehmer anschlossen, während die Veranstaltung der Linken mit Otto Bruckner als Hauptredner über 2000 Menschen anzog.

Krim: Kommunisten fordern Vereinigung der Ukraine mit Russland

Rund 15 000 Teilnehmer einer Maidemonstration in der Krim-Hauptstadt Simferopol haben am Freitag die Vereinigung der Ukraine und Russlands gefordert. Laut einem Bericht von Novosti forderten die Teilnehmer die Behörden auch auf, den Kampf gegen die Wirtschaftskrise zu aktivieren. Die Kolonne der Demonstranten wurde von Aktivisten der Kommunistischen Partei der Ukraine geführt. Anhänger der Partei Russischer Block trugen Transparente wie “Weg mit dem Regime Juschtschenko!” und “Weg mit amerikanischen Marionetten”. Die Menschen riefen in Sprechchören “Sewastopol-Krim-Russland”. Vertreter der Regierungspartei Unsere Ukraine und des Blocks von Regierungschef Julia Timoschenko blieben der Demonstration fern. Veranstaltungen anlässlich des 1. Mai finden auch in mehreren anderen Städten der Krim-Halbinsel statt.

Deutlich steigende Beteiligung an den Maiumzügen in der Schweiz

In Zürich beteiligten sich nach Angaben der Organisatoren 15’000 Personen am Maiumzug. In seiner Rede rief Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), zum Widerstand gegen Liberalisierung und Sozialabbau auf und kritisierte die Politik des Bundesrats und der bürgerlichen Parteien in der Wirtschaftskrise, wobei er Bundespräsident Merz mit einem “Ausläufer” [schweizerisch für: Botenjunge] der UBS verglich. In Basel, wo etwa 2500 Personen an der Kundgebung teilnahmen, verwies der Soziologe Ueli Mäder auf die Unmöglichkeit, die Krise mit den gleichen Mitteln zu lösen, welche die Probleme verursacht haben. Mehr als 3’000 Personen marschierten auch im Umzug in Bern mit und verteilten sich anschliessend auf verschiedene Kundgebungen.