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Auch in Rumänien ist die Regierung an den Krisenfolgen gescheitert

Der Wahlkampf hat begonnen

von Anton Latzo

Knapp zwei Wochen nach dem Verlassen der nur einjährigen Regierungskoalition zwischen der Liberaldemokratischen Partei (PDL) und der Sozialdemokratischen Partei (PSD) durch die sozialdemokratischen Minister ist vor wenigen Tagen auch der verbliebene Rest einer Regierung samt Ministerpräsident durch Mißtrauensvotum gestürzt worden.

Am Dienstag wurde in einer gemeinsamen Sitzung des Senats und der Abgeordnetenkammer über einen Mißtrauensantrag der parlamentarischen Opposition abgestimmt, der von der Nationalliberalen Partei (PNL) und vom Verband der Ungarischen Minderheit (UdMR) eingebracht und von der PSD unterstützt wurde. Für den Mißtrauensantrag stimmten 254 Senatoren und Abgeordnete. Notwendig wären 236 Stimmen gewesen. Dagegen waren 176, bei 4 ungültigen Stimmen. Diesen Ausgang der Abstimmung feierten vor allem die PNL und die PSD als großen Sieg. Sie hoben hervor, daß erstmalig nach 19989 eine Regierung dadurch gestürzt wurde, daß ihr das Mißtrauen ausgesprochen wurde.

Laut Verfassung muß der Staatspräsident jetzt Konsultationen mit den im Parlament vertretenen Parteien durchführen und danach einen Premierminister vorschlagen, der dann seine Regierung zusammenstellen und im Parlament zur Bestätigung vorstellen muß. Die Sozialdemokraten wollen eine Regierung, die sich aus unabhängigen Experten zusammensetzt.

Ins Gespräch als Ministerpräsident wurde von den Liberaldemokraten Klaus Johannis, Oberbürgermeister der siebenbürgischen Stadt Sibiu und Vorsitzender des »Demokratischen Forums der Deutschen aus Rumänien« (FDGR) gebracht. Seine Tätigkeit wurde vor allem in der Zeit bekannt, als Sibiu (deutsch: Hermannstadt) »Kulturhauptstadt Europas« (2007) war. Zugleich sagt man ihm gute Beziehungen zum Ausland, besonders zu deutschen Regierungskreisen und potentiellen Investoren nach. Die anderen bisherigen Oppositionsparteien unterstützen diese Kandidatur.

Der Präsident lehnt eine Technokraten-Regierung ab. Er will höchstens eine mögliche Kandidatur von Klaus Johannis annehmen, aber als Minister nur Politiker sehen. Ansonsten hat er Vorschläge für den Posten des Ministerpräsidenten gemacht, die aus dem Kreis seiner Berater kommen bzw. ihm politisch nahe stehen.

Bis zur Bildung der neuen Regierung bleibt die jetzige Regierung geschäftsführend im Amt. Da die PDL des Premiers Emil Boc dem Präsidenten sehr verbunden ist, bleibt auf diese Weise der gesamte staatliche Apparat unter Kontrolle und zur Verfügung des Präsidenten, der dies im angelaufenen Wahlkampf sehr gut zu nutzen versteht.

Politische Beobachter weisen darauf hin, daß sich der Staatspräsident in einer Zwickmühle befindet. Wenn er eine schnelle Wahl einer neuen Regierung, die von der bisherigen Opposition gestellt wird, ermöglicht, so wird diese mit Sicherheit die unterschiedlichsten Maßnahmen einleiten, aber bestimmt keine, die dem jetzigen Staatspräsidenten im Wahlkampf zugute kommen würden. Damit wären die Unsicherheiten für eine Wiederwahl von Traian Basescu erheblich größer gewesen.

Daß die aktuelle politische Situation im Lande durch Bedingungen charakterisiert ist, die von Berechnungen der Parteien im Präsidentenwahlkampf geprägt sind, das hat Präsident Basescu selbst in einer Stellungnahme zur Abstimmung im Parlament festgestellt. Die Parteien würden nicht die Anliegen des Landes, sondern parteipolitische Interessen verfolgen.

Unter solchen Bedingungen haben alle beteiligten Parteien begonnen, den Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen am 22. November 2009 anzuheizen. Von politischer Relevanz dürfte dabei die Kandidatur von vier Kandidaten sein. Dazu gehört der jetzige Präsident, Traian Basescu, der seine erneute Kandidatur als Unabhängiger angemeldet hat, aber von der Liberal-Demokratischen Partei (PDL) des bisherigen Ministerpräsidenten Emil Boc unterstützt wird. Die Sozialdemokratische Partei (PSD) hat ihren Vorsitzenden Mircea Geoana nominiert. Von der Nationalliberalen Partei (PNL) wurde auch der Vorsitzende Crin Antonescu als Kandidat benannt. Als unabhängiger Kandidat kämpft Sorin Oprescu, der schon 2008 als Unabhängiger angetreten war und zum Oberbürgermeister von Bukarest gewählt wurde. Er will ohne Parteienunterstützung das Rennen bestehen.

Jeder Kandidat behauptet von sich, der Einzige zu sein, der Rumänien und seine Bürger in bessere Zeiten führen kann. Konkrete Aussagen, wie das geschehen soll, hat jedoch keiner gemacht. Das große Minus an Konzept versucht man durch persönliche Angriffe auf die Gegenkandidaten, durch soziale und politische Demagogie und durch das Ausnutzen der wirtschaftlichen und sozialen Krise und der sie überlagernden politisch chaotischen Situation zu kompensieren.

Basescu setzt auf seinen Amtsbonus und auf die mobilisierende Wirkung seines Vorschlages zur Durchführung einer Befragung der Bevölkerung über die Einführung eines um mehr als ein Drittel verkleinerten Parlaments (von jetzt 471 Abgeordnete und Senatoren auf 300 Parlamentsmitglieder) mit nur einer Kammer (jetzt zwei Kammern). In den Medien wird dieser Vorschlag dahingehend kommentiert, daß er damit seine Stellung als alles dominierendes Oberhaupt ausbauen will, dem die Regierung, die Justiz und alle anderen entscheidenden Organe des Staates untergeordnet sein müssen. Er selbst behauptet, durch die Verwirklichung dieses Vorhabens könne er die Versprechen zur Reformierung des Staates in einer zweiten Amtszeit doch noch realisieren. Seine Auffassung vom Abgeordneten verdeutlicht dabei die laut der Tageszeitung »Adevarul« vom 26. September gemachten Aussage, daß durch die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten er »eine Klasse der Privilegierten abbauen« würde, »die über spezielle Einkommen und Pensionen verfügen«. Es ist – wie die gesamte Wahlstrategie – eine Argumentation, die auf Populismus und Täuschung der Wähler ausgerichtet ist.


Quelle: Zeitung vum Letzebuerger Vollem (16.10.2009)


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