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Die kommunistische Bewegung des 21. Jahrhunderts entwickelt sich und wächst in den Kämpfen

Eine Stellungnahme der Kommunistischen Initiative Österreich (KI), Oktober 2009

Dass es dem Imperialismus letztlich gelang, die Hegemoniefrage in weiten Teilen der Welt vorerst für sich zu entscheiden, hat sicher nicht eine, sondern mehrere, miteinander verwobene Ursachen:

  • Da ist ein Abgehen vom sozialistischen Entwicklungsweg (wo als eine Weichenstellung in die falsche Richtung der XX. Parteitag der KPdSU betrachtet werden kann), da ist die Übernahme von wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Termini und Zielvorgaben des Gegners;
  • da sind theoretische Fehleinschätzungen, die zu Ungleichgewichten, und eine fehlgeleitete Praxis, die zu Ineffizienz in der Ökonomie führten und einer gleichmäÖigen, proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaften zuwiderliefen;
  • da sind UnregelmäÖigkeiten in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den einzelnen sozialistischen Staaten, wodurch bestimmte nationale Ökonomien zusätzlichen Belastungen ausgesetzt wurden;
  • da sind Erscheinungen wie Erstarrung, Karrierismus, Entpolitisierung, Korruption und Defätismus, die zum Vertrauensverlust und zum Verlust der führenden Rolle der kommunistischen Parteien führten, so wie Erfahrungen mit Fehlentwicklungen im Bereich der sozialistischen Demokratie ebenso die Arbeiterklasse dem Arbeiterstaat entfremdeten und die politische und gesellschaftliche Hegemonie der kommunistischen Parteien beschädigten;
  • und da ist nicht zuletzt die militärische, politische und wirtschaftliche Macht des Imperialismus, die sich stets jeglicher Mittel bediente, um den Sozialismus zu destabilisieren und zu zerstören, damit verbunden die schon angesprochene, dem Sozialismus aufgezwungene Last der Verteidigungsausgaben.

Aus der Analyse der historischen Verdienste und zugleich der folgenschweren Fehler des Sozialismus des 20. Jahrhunderts entwickelt sich die kommunistische Bewegung weiter, entsteht der Sozialismus des 21. Jahrhunderts, dessen hoffnungsvollsten Impulse heute von Lateinamerika ausgehen, vom sozialistischen Kuba, von den antimonopolistischen Umwälzungen etwa in Venezuela, Bolivien oder Ekuador und vom gemeinsam geschaffenen Bündnis gleichberechtigter, souveräner Nationalstaaten, ALBA.

Zu den Hoffnungs- und Bannerträgern der kommunistischen Bewegung des 21. Jahrhunderts gehören aber ebenso alle klassenverbundenen kommunistischen und Arbeiterparteien auf allen anderen Kontinenten, zu deren gewichtigsten in Europa die kommunistischen Parteien Griechenlands und Portugals zählen.

Was 1917 mit dem Roten Oktober begann, ist nicht mit 1990 zu Ende gegangen. Ja, der Kapitalismus hat gesiegt, er hat die Kommandohöhen der Wirtschaft und der Politik, die ihm über Jahrzehnte entrissen waren, zurückerobert. Er hat in den ehemals sozialistischen Staaten eine neue kapitalistische Oligarchie, eine neue Oberschicht von Reichen, gleichzeitig Armeen von Armen geschaffen. Auch in den kapitalistischen Staaten ermöglichten die bürgerliche Konterrevolution und die kapitalistische Restauration in Osteuropa neue Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse. Doch nicht zuletzt die brachiale Wiedereingliederung Osteuropas in das System des Imperialismus trug dazu bei, dass wir es gegenwärtig weltweit mit einer ökonomischen Krise gewaltigen AusmaÖes zu tun haben.

Gleichzeitig hat die ungehemmte Neuentfaltung des aggressiven und repressiven Wesens des Imperialismus zu einer globalen ökologischen und humanitären Krise in Permanenz geführt. Heute ist mit der stetigen Vernichtung menschlicher Lebensgrundlagen das Überleben des Menschen als Spezies auf unserem Planeten selbst ernsthaft gefährdet. Die Fragestellung: Sozialismus oder Barbarei, hat sich zugespitzt auf die Alternative: Sozialismus oder Untergang.

Die Niederlage von 1989/90 ist gewaltig, nicht nur für uns KommunistInnen, in allen Teilen der Erde hat sie zu einer Verbesserung der Verwertungsbedingungen des Kapitals beigetragen und zu einer Verschlechterung der Lage und des Lebens vieler Millionen.

Es geht der Kampf in die nächste Etappe. Für diese – wie für alle – sollten wir Karl Marx beherzigen:

“Proletarische Revolutionen (…) kritisieren beständig sich selbst, unterbrechen sich fortwährend in ihrem eigenen Lauf, kommen auf das scheinbar Vollbrachte zurück, um es wieder von neuem anzufangen, verhöhnen grausam-gründlich die Halbheiten, Schwächen und Erbärmlichkeiten ihrer ersten Versuche, schrecken stets von neuem zurück vor der unbestimmten Ungeheuerlichkeit ihrer eigenen Zwecke, bis die Situation geschaffen ist, die jede Umkehr unmöglich macht, und die Verhältnisse selbst rufen: Hic Rhodus, hic salta!”

Einige Schlussfolgerungen und Perspektiven:

  1. Wir teilen die Einschätzung starker kommunistischer Parteien wie der KP Griechenlands, dass es in der gegenwärtigen Phase des Kampfes sowohl darauf ankommt,
    a) einen breiten demokratischen und antimonopolistischen Volkswiderstand gegen die Offensive des Kapitals und des Imperialismus zu organisieren als auch
    b) am Aufbau eines klassenkämpferischen und revolutionären kommunistischen Pols zu arbeiten.
  2. Wir sehen die Notwendigkeit, auch in Österreich unseren Beitrag zur Erreichung dieser Ziele zu leisten. Die Gründung der KI im Jänner 2005 war ein Schritt in diese Richtung. In der Zwischenzeit hat sich die Richtigkeit unserer Analyse vertieft und bestätigt, dass in absehbarer Zeit aus der KPÖ keinerlei Impulse für eine kommunistische Politik zu erwarten sind. Auch die bedeutendste Kraft in ihr, die steirische KP, scheint sich mit dieser Situation und deren klassenindifferenten bis antikommunistischen Tendenzen strukturell arrangiert zu haben und macht keine erkennbaren Anstalten, verändernd aktiv zu werden oder einzugreifen.
    Zugleich ist es erfreulich, dass die Kommunistische Jugend Österreichs auf dem besten Weg ist, sich zu einer kämpferischen ArbeiterInnen-, Lehrlings- und SchülerInnenorganisation zu entwickeln, und einen dynamischen, selbstbewussten Faktor in der fortschrittlichen und kommunistischen Bewegung in Österreich darstellt.
    Die KI ist seit ihrem Bestehen bemüht, eigenständige kommunistische Politik mit breiter Aktionseinheits- und Bündnispolitik zu verknüpfen. Ein sehr konkretes und erfreuliches Ergebnis ist die Aktionseinheit mit der Föderation der Arbeiter und Jugendlichen aus der Türkei in Österreich (ATIGF) und unorganisierten Linken in der Liste Kommunistische Gewerkschaftsinitiative – International (KOMintern), die seit Mai 2009 mit einem Mandat in der Wiener Arbeiterkammer vertreten ist. Die KI wird dazu beitragen, dass sich diese Aktionseinheit weiter entwickelt, die Möglichkeiten der Vertretung in der AK wahrgenommen und die Arbeit über Wien hinaus ausgedehnt wird.
    Wir sehen die Bündnis- und Aktionseinheitspolitik – sowohl was den innenpolitischen Widerstand gegen die Kapitaloffensive, als auch was die Bildung antiimperialistischer Bündnisse betrifft – nicht als Selbstzweck. Uns kommt es in jeder Frage in erster Linie darauf an, um konkrete, gemeinsam entwickelte Positionen und Forderungen herum möglichst breite Bündnisse zu schaffen. Wir lehnen die Vereinnahmung von Bündnissen für kurzsichtige parteitaktische und wahlpolitische Zwecke ebenso ab, wie sektiererische Verengungen. So wie wir niemandem ideologische Vorbedingungen stellen, wollen auch wir keine ideologischen Bedingungen diktiert bekommen.
  3. Die KI sieht es auch als ihre Pflicht an, in ideologischer Hinsicht für die Verteidigung und schöpferische Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus zu wirken. KommunistInnen müssen ihre Theorie und Programmatik stets aus den Grundpositionen des Marxismus-Leninismus entwickeln und auf ihnen aufbauen. Wir wenden uns ebenso gegen Revisionismus und Opportunismus wie gegen linken Radikalismus und ideologische Erstarrung.
  4. So wie es keine kurzen Wege zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse gibt, gibt es sie auch nicht zur Einschätzung der Vorgänge der Vergangenheit. Wir lehnen die Etikettierung –Stalinismus– als Kampfbegriff des Gegners zur Diskreditierung des Marxismus, der kommunistischen Idee und Weltanschauung ab. Wir bezeichnen uns selbst als Marxisten-Leninisten und erstreben als solche die klassenlose Gesellschaft, den Kommunismus.
  5. Die Periode des Sozialismus im 20. Jahrhundert ist Teil unserer Geschichte und unserer Erfahrung, so wie revolutionäre Politik sich niemals im geschichtsleeren Raum bewegen kann. Das schlieÖt auch ein, sich offen nicht nur mit der Erfolgsbilanz, sondern auch mit politischen und ökonomischen Fehlern, Verbrechen und Verstössen gegen die sozialistische Gesetzlichkeit auseinanderzusetzen.
  6. Als KommunistInnen sehen wir jedoch keinen Anlass, uns vor dem politischen Gegner, dem kapitalistischen System, für historische Begebenheiten zu rechtfertigen. Die Geschichte der Klassenkämpfe ist eine Geschichte härtester Auseinandersetzungen mit unzähligen Opfern. Der Kapitalismus verursacht tagtäglich den Tod von Menschen und unter zugespitzten Bedingungen – sei es im unmittelbaren konterrevolutionären Klassenkampf gegen das Proletariat oder in innerimperialistischen Auseinandersetzungen – nimmt der Kapitalismus Millionen Opfer im Kauf, so z.B. mit seinen Weltkriegen und den faschistischen Diktaturen. Der Kapitalismus ist verantwortlich für die Verfolgung und Unterdrückung von RevolutionärInnen in allen Teilen der Welt, für Elend, Hunger und Krieg, und mit ihm haben wir daher nur eine Rechnung zu begleichen: ihn zu stürzen.
  7. Die gegenwärtige kapitalistische Krise erfordert es, sowohl in Tageskämpfen aktiv zu sein als auch die grundsätzliche Kritik am kapitalistischen System zu verstärken. Jetzt in der Krise versucht das Kapital, seine Bedingungen zur Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnabhängigen zusätzlich zu verbessern, was nur durch breiten Widerstand abzuwenden sein wird. Jetzt in der Krise gilt es aber auch, die Menschen auf den Zynismus und die Menschenverachtung des kapitalistischen Systems hinzuweisen, das nicht dazu geschaffen und daher nicht einmal gewillt ist, ihnen dauerhaft Frieden, Wohlstand und Entwicklung zu sichern. Es gilt, die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes für eine Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg zu propagieren.
  8. Dass es dazu einer kommunistischen Formation bedarf, die sich als Klassenpartei des Proletariats versteht und im Proletariat fest verankert ist, liegt auf der Hand. Dass eine solche in Österreich gegenwärtig nicht existiert, ebenso. Wir halten deshalb die Intensivierung der – zunächst innerorganisatorischen – Debatte über die Schaffung einer solchen Partei für nötig. Nach der erfolgreichen Konsolidierung der KI in ihrem bald fünfjährigen Bestehen, nach der Herausbildung von Landesorganisationen und nach dem erfolgreichen – gemeinsam mit anderen initiierten Projekt KOMintern – halten wir das für den notwendigen nächsten Schritt.

Die Neuschaffung einer kommunistischen Klassenpartei des Proletariats in Österreich erfordert unseren ganzen Einsatz, die Mobilisierung unserer ganzen politischen, ideologischen und organisatorischen Fähigkeiten und Möglichkeiten, denn sie ist eine historische Notwendigkeit.

Quelle: Kommunistische Initiative (KI): Die kommunistische Bewegung des 21. Jahrhunderts entwickelt sich und wächst in den Kämpfen (08.11.2009)


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