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Gemeindewahlen in einem der 14 gefährlichsten terroristischen Länder

AP. Ende April finden in Kuba Gemeindewahlen statt. Ein Blick auf die Vorwahlzeit, die Wahlen an und für sich, sowie die Aufgaben der Gemeindeparlamente. Kubas Revolution und der Kampf Demokratie.

Ein Dienstagabend Ende Januar in Havanna. Eneida[*] ist von ihrem Arbeitstag zurück und trinkt einen Kaffee, als es an der Tür klopft. Die Klingel ist mal wieder kaputt. Eine Kommission des CDR (Komitee zur Verteidigung der Revolution) steht vor der Tür. Sie haben die WählerInnenlisten von vor zweieinhalb Jahren dabei, um sie zu aktualisieren. Eneida zeigt ihren Ausweis, dessen Nummer notiert wird. Ihre Tochter, Tania, ist gerade 16 geworden, so wird auch sie für ihre erste Wahl in die Liste eingetragen. Der kürzlich verstorbene Grossvater wird aus der Liste gestrichen. Das andauernde kalte Wetter und die Gemüseversorgungsprobleme werden noch kurz diskutiert, dann zieht die Kommission weiter zum Nachbarn Gerardo. Die fertigen Listen werden in Kürze im Quartier ausgehangen, damit jedeR überprüfen kann, ob er / sie eingetragen ist, wer sonst noch wählen darf, …

Einige Wochen später hängt der CDR Nummer 1, in dessen Bereich Eneida und Tania wohnen, DIN A4 Zettel als Einladungen auf: Asamblea de nominación de candidatos al poder popular, Versammlung zur Nominierung der KandidatInnen für die Volksmacht. Am Donnerstag, den 25. Februar werden auf der Versammlung KandidatInnen vorgeschlagen und diskutiert. Etwa 200 Menschen sind um acht Uhr abends anwesend. Per Hand heben wird am Ende der / die FavoritIn dieser Versammlung gewählt. Carlos, Eneidas Favorit, unterliegt; Tania dagegen hat für Maria gestimmt, die Kandidatin, die die Mehrheit der Stimmen bekommt. Sie arbeitet als Chirurgin im örtlichen Krankenhaus. Ihr Name wird sich, zusammen mit denen der anderen fünf KandidatInnen des Wahlbezirks, die auf ähnlichen Versammlungen gewählt wurden, auf dem Wahlzettel wieder finden.

Für die Wahlkampagne werden während eines Monats an prominenten Orten DIN A4 Blätter ausgehangen, auf denen die KandidatInnen mit Foto und kurzem –Steckbrief» vorgestellt werden. So hat jedeR KandidatIn die gleichen Möglichkeiten und alle WählerInnen können sich informieren. Zwei bis acht KandidatInnen gibt es in Kuba / Wahlbezirk bei mehr als 15–000 Wahlbezirken in 169 Gemeinden.

Am Sonntag, den 25. April 2010 können alle Wahlberechtigten in geheimer, direkter Wahl ihr Wahlrecht nutzen. An einem Sonntag, damit niemand arbeiten muss. Anders ist dies z.B. in den USA. Es findet ausserdem eine Personenwahl statt, keine Parteienwahl. Die Kommunistische Partei Kubas legt Wert auf die Feststellung keine Wahlpartei zu sein. Das gilt auch für die Wahlen in die Provinz- oder Nationalversammlung, die alle fünf Jahre stattfinden, in zweieinhalb Jahren wieder. Natürlich gehören trotzdem viele der Kandidierenden zu der etwa eine Million Mitglieder starken Partei. Bei allen Wahlen muss die / der GewinnerIn im ersten Wahlgang mindestens 50% + eine Stimme bekommen. Angesichts der Menge an KandidatInnen ist dies selten und so findet eine Woche später in vielen Wahlbezirken eine Stichwahl zwischen den beiden mit den besten Resultaten statt. Der oder die letztlich Gewählte ist also einE DelegierteR der Mehrheit der WählerInnen, und so heisst es denn auch –Delegado–. Das gibt ihr / ihm die Autorität, z.B. in einer Fabrik die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren.

Die Teilnahme der Bevölkerung endet aber nicht mit dem Wahltag, beschränkt sich nicht auf den Wahlprozess. Ein Mandat kann von den WählerInnen jederzeit annulliert werden; d.h. der / die Delegierte ist abwählbar, wenn die Arbeit nicht zufrieden stellt. Um dies beurteilen zu können, muss der / die Delegierte regelmässig vor den WählerInnen Bericht erstatten über die geleistete Arbeit. 2x / Jahr ist eine entsprechende Versammlung zwingend vorgeschrieben. Zusätzlich müssen wöchentliche Sprechstunden stattfinden, bei denen Anliegen vorgebracht werden können. Eine Antwort auf diese Anliegen zu geben, ist eine Verpflichtung. Die Delegierten wohnen zudem in den Bereichen, in denen sie gewählt wurden; sie werden also auch im Alltag angesprochen. Leider verselbstständigen sich Delegierte trotzdem ab und zu: Diese werden dann meist entweder ab- oder beim nächsten Mal nicht wiedergewählt.

Wenn Maria gewählt wird, ist sie Mitglied des Consejo popular, des Volksrats ihres Wahlkreises und eine von 108 Abgeordneten im Gemeindeparlament. Dieses wählt aus seinen Reihen den Vorsitzenden, Sekretäre und Stellvertreter, die Exekutive. Als BeisitzerInnen sind die VertreterInnen der Schulen, Hochschulen, wichtigsten Betriebe und öffentlichen Einrichtungen in der Gemeinde bei den Sitzungen anwesend. Das Gemeindeparlament bestimmt über das Budget und die Ausgaben. Es ist auch zuständig für die Verteilung von Nahrungsmitteln, bei der Entwicklung der Gastronomie, der Bewilligung von Kleinbetrieben, dem lokalen öffentlichen Verkehr usw. Da es auch für die Verteidigung verantwortlich ist, organisiert es auch die Massnahmen im Falle von Wirbelstürmen oder Orkanen. Um die Arbeit der Consejo popular genauer vorzustellen, bräuchte es einen eigenen Artikel.

–Es gibt halt noch einiges zu verbessern» lautet Eneidas Fazit, aber das Ziel ist klar, Selbstbestimmung und Teilhabe, Partizipation. Kubas Revolution, auch ein Kampf um das demokratische Recht selbst zu bestimmen, wer regieren soll und wie.

[*] Im Gegensatz zur Beschreibung der Demokratie sind die handelnden Personen frei erfunden.

Quelle: Vorwärts – die sozialistische zeitung, Nr. 13/14/15/2010 (3. April 2010)


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