
Die Botschafter Grossbritanniens, der USA und Algeriens stimmten am 30. September 2025 für die Resolution 2793 des Sicherheitsrats, die die «Bandenbekämpfungseinheit» genehmigt. Foto: UN/Loey Felipe
Die USA peitschen ihre «Gang Suppression Force» durch den UN-Sicherheitsrat, trotz Protesten und Warnungen von Russland und China
von KIM IVES, 1. Oktober 2025
«Es gibt keine grössere Krise in der westlichen Hemisphäre … als die in Haiti», sagte der US-Chargé d’Affaires für Haiti Henry Wooster in einer Pressekonferenz am 22. September 2025 in New York am Rande der jährlichen Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Washington verspricht sich viel von seiner neuen «Gang Suppression Force» («Bandenbekämpfungseinheit»), die es dem UN-Sicherheitsrat am 28. August vorschlug, um die Multinationale Sicherheitsunterstützungsmission (MSS) zu ersetzen, deren Mandat am 2. Oktober endet.
Zum einen soll die GSF über 5500 Einsatzkräfte (Soldaten und Polizisten) verfügen und nicht nur über 1000 Polizeibeamte wie die MSS.
Zum anderen will Washington die Logistik der GSF aus dem UN-Treuhandfonds für «friedenserhaltende Massnahmen» bezahlen lassen. Die Logistik war aufgrund finanzieller Engpässe die Achillesferse der MSS. Aber wie US-General Dwight Eisenhower sagte: «Schlachten, Feldzüge und sogar Kriege wurden in erster Linie wegen der Logistik gewonnen oder verloren.»

Demonstranten vor der UNO bei der in letzter Minute einberufenen Demonstration der Black Alliance for Peace (BAP) Foto: Kim Ives/Haïti Liberté
Zudem untersteht die GSF keiner haitianischen Behörde wie etwa der haitianischen Nationalpolizei (PNH). Vielmehr wird sie in der Lage sein, direkt gegen bewaffnete Nachbarschaftsgruppen, von denen viele revolutionäre Bestrebungen haben, Krieg zu führen.
Die Black Alliance for Peace (BAP) rief am 30. September, dem Tag der Abstimmung des UN-Sicherheitsrates über den GSF-Vorschlag, zu einer Notfalldemonstration vor der UNO auf. Etwas mehr als ein Dutzend Demonstranten forderten den Rat auf, «diese vorgeschlagene Militärtruppe abzulehnen, … [die] einen Einsatz nach Kapitel 7 hätte, bezahlt von der UNO und unterstützt von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und den CARICOM-Ländern, in direkter Verletzung der Erklärung der Amerikas und der Karibik, insbesondere als Zone des Friedens», wie JP, ein Mitglied der BAP, in einer Erklärung vor den Versammelten erklärte. «Mit anderen Worten, diese Truppe würde von der so genannten ‹internationalen Gemeinschaft› einen Blankoscheck erhalten, um in Haiti zu tun, was auch immer der US-Imperialismus ihr befiehlt.»
Viele Antiimperialisten und Befürworter der haitianischen Selbstbestimmung hatten gehofft, dass Russland oder China ein Veto gegen die Resolution einlegen würden. Doch dazu sollte es nicht kommen. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete die Resolution 2793 mit 12 Ja-Stimmen (USA, Frankreich, England, Algerien, Dänemark, Griechenland, Guyana, Panama, Südkorea, Sierra Leone, Slowenien, Somalia) und drei Enthaltungen (Russland, China, Pakistan).
Sowohl Russland als auch China erklärten in ihren Stellungnahmen, dass es vor allem der Druck der OAS und der CARICOM war, der sie daran hinderte, ihr Veto einzulegen.
«Trotz Chinas erheblicher Einwände gegen diesen Resolutionsentwurf blockieren wir nicht dessen Verabschiedung angesichts der katastrophalen Sicherheitslage in Haiti und der Bedenken und Appelle der internationalen Gemeinschaft, nicht zuletzt des Generalsekretärs und der Länder der Region [Hervorhebung von Haïti Liberté]», sagte Chinas UN-Botschafter Fu Cong.
«Der entscheidende Faktor für uns war die Meinung der haitianischen Behörden und der Nachbarstaaten, die uns nachdrücklich gebeten haben, die Annahme des Dokuments nicht zu behindern», sagte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja.
Nichtsdestotrotz haben beide Länder ihre Einwände gegen die von den USA entworfene GSF deutlich dargelegt.

Chinas UN-Botschafter Fu Cong: «Ist die überstürzte Entsendung einer weiteren multinationalen Truppe ein verantwortungsvoller Ansatz gegenüber dem haitianischen Volk?» Bild: UN TV
China sagte, die Resolution lasse «sorgfältige Untersuchungen und gründliche Überlegungen» vermissen und sei «in mehreren kritischen Fragen zweideutig». Fu Cong erklärte, dass die USA «zunächst detaillierte Erklärungen zu Schlüsselfragen wie der Zusammensetzung der Truppe, der Ausführung ihres Mandats, der Festlegung der Einsatzregeln, der Vermeidung von Opfern unter der Zivilbevölkerung und der Sicherstellung einer wirksamen Kontrolle und Rechenschaftspflicht bei der Entscheidungsfindung vorlegen sollten».
Washington habe es «durchweg versäumt, aussagekräftige Informationen zu diesen Fragen zu liefern und stattdessen darauf bestanden, dass der Rat zuerst die Resolution verabschiedet», so Fu weiter. «Dieser Ansatz, der vom Rat einen Freibrief für Angelegenheiten verlangt, die für das Leben und die Sicherheit des haitianischen Volkes von entscheidender Bedeutung sind, und sich gleichzeitig vor konkreter Verantwortung drückt, läuft darauf hinaus, dass der Rat wie ein Stempel behandelt wird. Zweitens birgt dieser Resolutionsentwurf die Gefahr, dass sich die ohnehin schon komplexe und katastrophale Lage Haitis noch weiter verschlimmert.»
Er fuhr fort: «Die Anwendung militärischer Mittel, um Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen, ist zu diesem Zeitpunkt nicht nur wenig erfolgversprechend, sondern könnte die ohnehin schon schwierige Situation in Haiti noch weiter verkomplizieren.»
Fu betonte unmissverständlich, dass Washington die UNO für zahlreiche militärische Interventionen in Haiti missbraucht habe: «In den letzten drei Jahrzehnten hat der Sicherheitsrat drei multinationale Truppeneinsätze und sieben friedenserhaltende Operationen in Haiti genehmigt, nur um im Gegenzug anhaltende Instabilität und wiederkehrende Krisen sowie Ressentiments und Missgunst der haitianischen Bevölkerung gegenüber den Vereinten Nationen zu erhalten.»
In seiner Schlussfolgerung erteilte Fu Washington eine scharfe Abfuhr: «Ist die überstürzte Entsendung einer weiteren multinationalen Truppe ein verantwortungsvoller Ansatz gegenüber dem haitianischen Volk? Vor zwei Jahren hat ein bestimmtes Land [die USA] feierlich versprochen, den Erfolg der MSS durch eine dauerhafte Finanzierung zu gewährleisten. Heute hat dasselbe Land seine Zusage bequemerweise vergessen und weigert sich, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, wobei es gleichzeitig verlangt, dass die übrigen UN-Mitglieder die Verantwortung für die von ihm vorgeschlagene neue Truppe mittragen, während es fast 800 Millionen Dollar an unbezahlten Beiträgen zur Friedenssicherung schuldet. Wir können nicht umhin, uns zu fragen, wie es möglich ist, dass man von anderen eine Lastenteilung verlangen kann, obwohl man selbst seinen eigenen Verpflichtungen nicht nachkommt und Pläne nach Belieben auf andere abwälzt. Wenn ein einzelnes Land aus Eigeninteresse über den Einsatz von friedenserhaltenden Massnahmen entscheiden darf, wo bleibt dann der kollektive Wille und die Entscheidungsfindung des Sicherheitsrats?»
Er schloss mit: «Wir sind zutiefst besorgt über den Einsatz und die Aussichten der GSF.»
Als nächster Redner sprach der russische Botschafter Nebensja, der im gleichen Sinne wie Fu fortfuhr: «Vor zwei Jahren haben wir zugestimmt, die MSS einzurichten, trotz unserer damals bestehenden und – wie sich später herausstellte – völlig berechtigten Bedenken. Die Wirksamkeit, die Erfolge und die Misserfolge der MSS wurden nie angemessen bewertet. Stattdessen wurde dem Rat eine neue Idee präsentiert – eine Mission zu schaffen, die unabhängig von nationaler und internationaler Aufsicht ist, mit einem praktisch uneingeschränkten Mandat, Gewalt gegen alle anzuwenden, die mit dem vagen Begriff ‹Banden› bezeichnet werden können.»

Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja: «Unsere Delegation hat zusammen mit anderen versucht, Klarheit über diese und andere wichtige Aspekte der neuen Mission zu erhalten. Diese Versuche wurden mit der Ausrede abgetan, es sei keine Zeit für Diskussionen.» Bild: UN TV
Dann wandte er sich der zentralen Frage der Finanzen zu: «Ein weiteres Problem ist der Vorschlag, das reguläre UN-Budget für die operative und logistische Unterstützung dieser Truppe zu verwenden. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise [der UNO], die grösstenteils durch das unverantwortliche Handeln ihres grössten Beitragszahlers [der USA] verursacht wurde, ist es gelinde gesagt naiv, umfangreiche Mittel zur Unterstützung einer neuen Initiative zu erwarten, die nur auf dem Papier existiert und der es an einer tragfähigen Grundlage und klaren Perspektive fehlt. Um es offen zu sagen: Wenn dieser Geber die versprochenen Mittel für die MSS nicht bereitstellt, welche Garantie haben wir dann, dass es diesmal anders sein wird?»
Anschliessend wies Russland darauf hin, dass Washington seine neue Truppe in letzter Minute eingebracht und dann alle gedrängt habe, sie ohne Überprüfung zu genehmigen. «Unsere Delegation hat zusammen mit anderen versucht, Klarheit über diese und andere wichtige Aspekte der Operationen der neuen Mission zu erhalten. Diese Versuche wurden mit der Ausrede abgetan, es sei ‹keine Zeit für Diskussionen›. Man sagte uns, dass wir handeln müssten, und zwar sofort. Genau das ist mit der MSS geschehen. Deshalb frage ich Sie, liebe Kollegen, … Verstehen Sie nicht, dass schlecht durchdachte und übereilte Schritte zu Ergebnissen führen können, die unseren Zielen völlig zuwiderlaufen?»
Nebensja wies abschliessend darauf hin, dass Washington und seine Verbündeten «wenig Interesse daran zeigen, die Ursachen dieser Krise zu ermitteln oder ihre langfristigen Folgen zu bewerten. Sonst würden sie nicht versuchen, die Verantwortung für die Krise in Haiti von sich selbst auf die gesamte internationale Gemeinschaft abzuwälzen.»
Er warnte auch davor, dass die USA den Einsatz der GSF nutzen könnten, um ihre Operationen auf Aggressionen gegen Haitis Nachbarn auszuweiten. «Angesichts der eskalierenden Spannungen in der Karibik und der Stationierung amerikanischer Streitkräfte in der Nähe der Küste Venezuelas weckt diese Initiative noch weniger Vertrauen in uns. Wir vertrauen nicht darauf, dass es den Verfassern des heutigen Textes nicht in den Sinn kommen wird, ihre militärischen Aktivitäten gegen angebliche Drogenkartelle auf irgendeine ‹kreative› Weise mit der Situation in Haiti zu verbinden.»
Nebensja fasste die aktuelle Situation zusammen, indem er feststellte, dass «zu den Ursachen der Krise die lange Geschichte schädlicher militärischer Einmischungen in die Angelegenheiten [Haitis] gehört. Intervenierende und ausländische Missionen kommen und gehen und hinterlassen oft mehr Probleme als Erfolge.»
Die USA beabsichtigen, die GSF über ein Gremium namens «Standing Group of Partners» (SGP) zu kontrollieren, eine Art neue und verbesserte Version der «Core Group», die sie nach ihrem Putsch gegen Präsident Jean-Bertrand Aristide im Jahr 2004 ins Leben gerufen hatten. Derzeit würden die USA, die Bahamas, Kanada, El Salvador, Guatemala, Jamaika und Kenia zur SGP gehören. Kurz gesagt handelt es sich um einen Neustart mit den Ländern, die an der MSS beteiligt sind.
Ironischerweise versuchten Guyana, Algerien, Sierra Leone und Somalia, eine Formulierung in den Text der Resolution aufzunehmen, die «die uneingeschränkte Achtung der Souveränität und politischen Unabhängigkeit Haitis» forderte, doch ihr Vorschlag wurde laut der unabhängigen Publikation Security Council Report von den USA abgelehnt.
Die Publikation merkte auch an, dass Dänemark, Griechenland, Südkorea und Slowenien «sich dafür einsetzten, den Text mit Formulierungen zur Einhaltung des Völkerrechts, einschliesslich der internationalen Menschenrechtsgesetze, zu verstärken», aber «die USA fügten diesen Ergänzungen offenbar durchweg den Zusatz ‹soweit anwendbar› hinzu».
Die GSF besteht aus einem Gewirr von unklar definierten Nebenbehörden wie dem Unterstützungsbüro der Vereinten Nationen in Haiti (UNSOH), dem bereits bestehenden Integrierten Büro der Vereinten Nationen in Haiti (BINUH), dem SGP, der OAS und der PNH. Das ist kein Zufall. Es ist ein Mittel, um Verwirrung, Überschneidungen und Unklarheiten zu schaffen, damit die USA ihre militärische Aggression in Haiti und ihre finanziellen Machenschaften, durch die sie UN-Treuhandfonds abschöpfen, verschleiern und verbergen können.
«Ich hoffe nur, dass die gesamte Mission noch spektakulärer scheitert als die MSS», sagte Berthony Dupont, Direktor von Haïti Liberté. «Dann werden Russland und China vielleicht erkennen, dass es besser ist, beim nächsten Mal einfach ein Veto gegen die mörderischen Pläne der USA einzulegen. Leider könnte die GSF noch viel mehr Tod und Zerstörung anrichten als ihre Vorgänger. Aber das wird nur dazu führen, dass sich noch mehr Menschen gegen den US-Imperialismus in Haiti und auf der ganzen Welt auflehnen werden.»
Quelle: Haïti Liberté. Übersetzt mit Hilfe von DeepL.