Die Kommunistische Partei ist die einzige linke Partei, die sich auch für die Interessen der Klein- und Bergbauern einsetzt. Am letzten Samstag war sie in Bellinzona präsent an der Demonstration «gegen die Aufgabe der Bewirtschaftung von Alpen und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Agrarsektor». Die KP hat, wie sie im Thesenpapier zum kommenden Parteitag hervorstreicht, ihr Engagement mit dem erfolgreichen Vorstoss zur Ernährungssouveränität unter Beweis gestellt, sich für die Bekämpfung von Grossraubtieren eingesetzt und verschiedene parlamentarische Anträge zugunsten der Alpwirtschaft und Schafzucht im Kanton Tessin eingereicht.
Die KP trifft sich zum Parteitag: «Neutralität, Frieden und Arbeit»
Die Kommunistische Partei (Schweiz) lädt am kommenden Wochenende vom 8. und 9. November in Arbedo TI zu ihrem 25. Parteitag. «Neutralität, Frieden und Arbeit!» ist ein umfangreiches Thesenpapier betitelt, das vom ZK zuhanden des Parteitags verabschiedet wurde. Es stellt eine grosse programmatische Auslegeordnung dar. Zum marxistischen Verständnis für Feminismus, zum grossen Missstand im Gesundheitswesen sowie zur Positionierung der Partei in der Frage «Digitaler Wandel und Souveränität» liegen dem Parteitag Anträge für Resolutionen vor.
Das umfangreiche Thesenpapier, das die Parteileitung der KP Schweiz am kommenden 8. und 9. Dezember 2025 den Delegierten vorlegt, gliedert sich in 4 Teile, die wiederum in übersichtliche Unterabschnitte aufgeteilt sind. Von der strategischen Ausrichtung der Partei im nationalen und internationalen Kontext wird ein Bogen gespannt über Neutralität, Militarismus, Schule, Service public, Kooperationen bis zur parteiinternen Arbeit.
Die strategische Ausrichtung
Der Konflikt zwischen dem atlantischen Imperialismus und dem Multipolarismus ist gegenwärtig der grundlegende Widerspruch. Das hält das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei (Schweiz) in der Einleitung zu den Thesen zum 25. Parteitag fest. Das ZK kann dabei darauf hinweisen, dass die KP bereits vor 10 Jahren diese Feststellung gemacht und in der Folge als erste und einzige Schweizer Partei die Öffnung gegenüber den BRICS programmatisch zu ihren Prioritäten gemacht hat. War schon am letzten Kongress 2021 eine anhaltende Dynamik hin zu einer multipolaren Welt zu verzeichnen, hat sich die Entwicklung seither dramatisch beschleunigt. «Der Krieg in der Ukraine … stellt einen historischen Wendepunkt von epochaler Bedeutung dar», heisst es in den KP-Thesen. Nationen, die bis vor kurzem noch dem Joch neokolonialer Herrschaft unterworfen waren, sind nun in der Lage, sich der Erpressung und Anmassung des Imperialismus zu widersetzen. Ein neuer, zusätzlicher Faktor trägt das seine dazu bei: Über die BRICS+-Staaten, die Eurasische Wirtschaftsunion, die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) usw. entwickeln sich Alternativen zu den bisher dominierenden internationalen Strukturen wie dem IWF oder SWIFT. Der Prozess einer zunehmenden wirtschaftlichen, politischen und militärischen Kooperation zwischen sozialistischen und noch kapitalistischen Staaten, die aber «faktisch einen antiimperialistischen Charakter haben», festigt sich, wie die KP im Thesenpapier vermerkt. Die in Teilen der kommunistischen Bewegung gehegte Theorie der «imperialistischen Pyramide», nach der Konflikte generell «inter-imperialistisch» einzustufen wären, wird von der KP Schweiz hingegen nach wie vor abgelehnt, weil sie zur Lähmung des antiimperialistischen Kampfes führt.
Zusammen an neuen Blockbildungen arbeiten
Mit den Verschärfungen des Konflikts zwischen dem atlantischen System und dem Multipolarismus erwartet die KP eine Vertiefung der Spaltung zwischen den verschiedenen Fraktionen der schweizerischen Bourgeoisie. Mit zunehmender Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation dürften auch die internen Widersprüche innerhalb des schweizerischen Bürgertums klarer zum Vorschein kommen. Angesichts eines möglichen Rückgangs der Schweizer Exporte in den euro-amerikanischen Markt könnte sich ein wachsender Teil der Bourgeoisie dafür entscheiden, vermehrt Absatzmärkte in Schwellenländern zu suchen. Hier gelte es, durch taktisch geschicktes Verhalten die globalistische Gruppe zu schwächen und die wirtschaftliche Diversifizierung und Zusammenarbeit zwischen Schweizer Unternehmen und Industrien in Schwellenländern (vor allem sozialistischen) zu unterstützen. Vordringlich ist in diesem Zusammenhang, Sabotageaktionen der russophoben und sinophoben liberalen Linken abzuwehren.
Bei alldem, was so in Bewegung geraten könnte, betrachtet es die KP als Aufgabe der Arbeiterklasse (und ihrer politischen Avantgarde), mit anderen Bevölkerungsgruppen zusammenzuarbeiten, die zeitweise in Opposition zum Grosskapital und Imperialismus stehen, und das unabhängig von ihrer ideologischen und religiösen Ausrichtung. Wenn solche Allianzen zunächst taktischer Natur sind, sollte das strategische Ziel doch die Herausbildung eines neuen historischen Blocks sein, der für den Aufbau einer solidarischen, neutralen und souveränen Schweiz innerhalb einer multipolaren Ordnung steht. Dies wird in den bevorstehenden Kämpfen zur Verteidigung der Neutralität unseres Landes und gegen Militarismus und Kriegstreiberei eine herausragende Rolle spielen. Für die Partei wird es dabei wichtig sein, ihren avantgardistischen Charakter aufrechtzuerhalten und ihre Eigenständigkeit zu bewahren, damit sich ihre revolutionären Ziele nicht verwässern.
Schule muss pluralistisch sein und auf kritisches Denken vorbereiten statt auf kulturelle Homogenität
Im Bildungswesen sollte der Fokus wieder vermehrt auf Vorschulen und Volksschulen gerichtet werden, steht in den Parteitagsthesen. Denn hier werden die Grundwerte des Gemeinschaftslebens, des Gerechtigkeitsempfindens und der Solidarität an die neuen Generationen weitergegeben. Die KP stellt jedoch fest, dass es an der Umsetzung der Lehrpläne vor allem auf kommunaler Ebene hapert. Die Partei zeigt sich denn auch befriedigt, dass ihr im letzten Jahr die Rettung der dritten Sportlektion an den Tessiner Schulen gelungen ist. Derzeit sind im Kantonsparlament zudem weitere Vorstösse der Kommunisten hängig, unter anderem zur Sicherstellung, dass der Musikunterricht von dafür qualifizierten Lehrpersonen ausgeführt wird, und über die automatische Umwandlung länger dauernder Vertretungen in feste Anstellungen. Gemeinsam mit der die Lehrerschaft vertretenden Gewerkschaft VPOD sowie der Lehrlings- und Schüler-Gewerkschaft SISA setzt sich die KP gegen Sparmassnahmen und den Verlust öffentlicher Einrichtungen ein, um das Recht auf Bildung zu gewährleisten.
Im Thesenpapier wird schliesslich auch auf den Widerspruch zwischen Sozialrechten und individuellen Bürgerrechten eingegangen. Je mehr die liberale Linke im Kampf um die Sozialrechte kapituliert, umso mehr kümmert sie sich um die bürgerlichen Individualrechte. Mit «mitunter arrogantem intellektuellen Ansatz» wird postmodernen Narrativen rund um Theorien zu «Gender» und «grünen» Trends gehuldigt. Für Marxisten besteht, so heisst es im Papier, die Priorität darin, soziale Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen und dabei natürlich auch Ausdrucksformen toxischer Männlichkeit und aller Formen homophober Diskriminierung zu beseitigen. Dabei ist auf eine optimale thematische Einheit zu achten, mit der aus Klassenperspektive die breitesten Massen der Bevölkerung angesprochen werden können. Es gehe nicht darum, ob die Bürger- oder die Sozialrechte höher zu gewichten sind. Da sich die Bürgerrechte von den Sozialrechten ableiten, wirken sich Verbesserungen bei den Sozialrechten automatisch positiv auf die Bürgerrechte aus. Die Priorisierung der Bürgerrechte durch die liberale Linke dient nur der Verwirrung und schwächt die Arbeiterklasse durch horizontale Spaltung.
Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Landwirtschaft
Arbeit und Rechte der Arbeiter sieht die KP als weitere Pfeiler ihres Engagements. Sie hat dazu ein eigenes Gewerkschaftsressort aufgebaut. Angestrebt wird, nach und nach die Arbeiter-Avantgarde und Gewerkschaftsaktivisten einzubeziehen, ohne dass sie dazu unbedingt Parteimitglieder sein müssen. Die Partei hat sich in jüngster Zeit an Arbeitskämpfen im Logistik-Sektor aktiv beteiligt. Die Autonomie der Gewerkschaften soll beachtet, aber auch Kritik geübt werden, wo es nötig ist, zum Beispiel dort, wo die Hegemonie der reformistischen Gewerkschaftsführungen zu Entscheiden führt, die nicht im Interesse der Arbeiter sind (z. B. Bilaterale III). Auch mit der Landwirtschaft will die KP den Dialog weiterführen. Es finden regelmässige Kontakte mit Junglandwirten statt. Und mit ihrer Kampagne für Ernährungssouveränität, die 2021 zur Aufnahme des Prinzips in die Tessiner Kantonsverfassung geführt hat, machte sich die Partei auf der Linken zum einzigen Gesprächspartner der bäuerlichen Kreise. Der Einsatz der KP zugunsten von Bergbauern und Weinproduzenten tat ein Übriges.
Drei Resolutionen aus der Mitgliedschaft
Die grössten Errungenschaften für Frauen gab es in den sozialistischen Ländern. Feminismus ist daher in erster Linie Klassenkampf. Das halten die Antragstellerinnen einer Resolution fest. Sie wollen sich nicht mehr weiter gefallen lassen, dass «atlantische Eliten die feministische Bewegung instrumentalisieren, um die Militarisierung der Gesellschaft voranzutreiben». Die Partei wird aufgefordert, 8 Punkte im Interesse einer wahren Geschlechtergleichstellung umzusetzen.
Die Gesundheitsvorsorge wird immer mehr zum Luxus. Viele können sie sich gar nicht mehr leisten, betont der Antragsteller für eine Resolution zum Thema. Die Schuld für das Malaise wird den Patienten zugeschoben, während Fachärzte, Spitäler und Versicherer mit unverhältnismässiger Macht bestimmen. Eine Einheitskrankenkasse ist nötig. Wichtig ist aber auch, dass in der Gesundheitspolitik der Staat wieder das Heft in die Hand nimmt.
Digitale Technologien sind nicht ein rein technisches Phänomen; die digitale Transformation ist vielmehr ein Prozess, der regulatorische, soziale, kulturelle, bildungsbezogene, produktive und wirtschaftliche Aspekte unmittelbar berührt: Sie ist ein zutiefst politischer Prozess, der auch die Machtverhältnisse verändert. Diese Resolution ruft daher zu Massnahmen auf, die den Schutz der digitalen Souveränität in allen Bereichen des Service public, aber auch im Arbeitsrecht, der Unabhängigkeit und der Multipolarität sichert.
Auf die Debatte über diese Resolutionen darf man gespannt sein. Wir werden nach dem Parteitag im Detail darauf zurückkommen.