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Vor dem Stadtparlament von Lüttich

Nach Barcelona jetzt auch Lüttich: Städte setzen ihre Kontakte zu Israel aus

Am 24. April beschloss der Gemeinderat der ostbelgischen Stadt Lüttich, die Beziehungen zum Staat Israel und zu israelischen Institutionen vorübergehend auszusetzen, bis die israelischen Behörden das System der Verletzungen der Rechte des palästinensischen Volkes beenden und ihren Verpflichtungen nachkommen, die ihnen durch das Völkerrecht und die verschiedenen Resolutionen der Vereinten Nationen auferlegt sind. Ein Schritt, der Schule machen sollte – wo bleiben Schweizer Städte?

Der Antrag für den Beschluss in Lüttich wurde von der Partei der Arbeit vorgeschlagen. Der Parti Socialiste Liège, Grüne und die links-grüne VEGA unterstützten den Antrag. Die Christlichsozialen sowie die Liberalen stimmten dagegen. Die Stadt Lüttich folgt damit dem Beispiel Barcelonas, das am 8. Februar beschloss, seine institutionellen Beziehungen mit der israelischen Apartheid, einschliesslich der Städtepartnerschaft mit Tel Aviv, zeitweilig auszusetzen.

Der Wortlaut des Antrags

Die Stadt Lüttich muss ihre Unterstützung für das palästinensische Volk verstärken, indem sie ihre Verbindungen zum israelischen Apartheidregime kappt Angesichts der Entscheidung der Bürgermeisterin von Barcelona vom 9. Februar 2023, «die Beziehungen zum Staat Israel und zu offiziellen Institutionen dieses Staates – einschliesslich der Partnerschaftsvereinbarungen mit der Stadtverwaltung von Tel Aviv – vorübergehend auszusetzen, bis die israelischen Behörden das System der Verletzung der Rechte des palästinensischen Volkes beenden und ihren Verpflichtungen aus dem Völkerrecht und den verschiedenen Resolutionen der Vereinten Nationen in vollem Umfang nachkommen»;

In Anbetracht des historischen, von der Stadt Lüttich verabschiedeten Antrags auf konkrete Solidarität mit dem palästinensischen Volk vom 27. Mai 2021, in dem beschlossen wurde:
  • die Unterstützung der Stadt Lüttich für das palästinensische Volk, das unter Apartheid, Kolonisierung und militärischer Besetzung durch den Staat Israel leidet, zu bekräftigen;
  • die Unterstützung für die gewaltfreie und antirassistische palästinensische Kampagne BDS (Boykott, Desinvestition und Sanktionen) zu bekräftigen;
  • alle Unternehmen, die Verbindungen zur Besetzung Palästinas haben oder eine Rolle dabei spielen, von ihren öffentlichen Aufträgen auszuschliessen, unter Beachtung der Verpflichtungen der lokalen Gebietskörperschaften, die Menschenrechte in ihren Geschäftsvorgängen zu fördern, sowie der Verpflichtungen, die sich aus dem belgischen und europäischen Gesetz über das öffentliche Auftragswesen ergeben;

In Anbetracht der Resolution 242 des Sicherheitsrates vom 22. November 1967, die den Erwerb von Territorium durch Krieg verurteilt, den Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem besetzten palästinensischen Gebiet fordert und die territoriale Unverletzlichkeit und politische Unabhängigkeit jedes Staates in der Region bekräftigt;

In Anbetracht der Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrats vom 23. Dezember 2016, die …
  • bekräftigt, dass Israels Errichtung von Siedlungen in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten, einschliesslich Ost-Jerusalems, keine rechtliche Grundlage hat, eine flagrante Verletzung des Völkerrechts darstellt und ein grosses Hindernis für die Verwirklichung der Zwei-Staaten-Lösung und die Schaffung eines umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens ist;
  • erneut von Israel verlangt, alle Siedlungsaktivitäten in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschliesslich Ost-Jerusalem, sofort und vollständig einzustellen und allen rechtlichen Verpflichtungen in diesem Zusammenhang uneingeschränkt nachzukommen; betont, dass keine Änderungen der Grenzen vom 4. Juni 1967 anerkannt werden, einschliesslich in Bezug auf Jerusalem, die nicht von den Parteien durch Verhandlungen vereinbart wurden;
  • verurteilt alle Massnahmen, die darauf abzielen, die demografische Zusammensetzung, den Charakter und den Status der seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete, einschliesslich Ost-Jerusalems, zu verändern, einschliesslich des Baus und der Erweiterung von Siedlungen, der Umsiedlung israelischer Siedler, der Beschlagnahmung von Land, der Zerstörung von Häusern und der Vertreibung palästinensischer Zivilisten, die gegen das humanitäre Völkerrecht und die einschlägigen Resolutionen verstossen;

In Anbetracht dessen, dass Dutzende von UN-Resolutionen seit vielen Jahren weiterhin vom Staat Israel verletzt werden;

In Anbetracht dessen, dass die Osloer Verträge von 1993, die zu einer schrittweisen Autonomie der besetzten palästinensischen Gebiete führen sollten, von Israel nicht eingehalten werden;

Mehr als 750 000 Palästinenser wurden bei der Gründung des Staates Israel aus ihren Häusern vertrieben, und diese oder ihre Nachkommen haben noch immer kein Recht auf Rückkehr, wodurch sie in vielen Fällen staatenlos sind;

In Anbetracht dessen, dass heute etwa 650 000 Siedler im Westjordanland und in Ostjerusalem illegal angesiedelt sind;

In Erwägung, dass Palästinenser, die unter israelischer Besatzung oder innerhalb der israelischen Grenzen leben, echte «Bürger zweiter Klasse» sind, da sie nicht die gleichen Rechte wie Siedler und jüdische Israelis geniessen;

In Anbetracht dessen, dass sich Israel 2018 ein «Grundgesetz» gegeben hat, in dem es sich als «Heim des jüdischen Volkes» definiert;

In Erwägung, dass John Dugard – ein südafrikanischer Professor für Völkerrecht, Mitglied der Wahrheits- und Versöhnungskommission nach dem Ende des Apartheidregimes in Südafrika und Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Westjordanland und im Gazastreifen – 2007 erklärte, dass viele israelische Gesetze und Praktiken gegen das Übereinkommen von 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung verstossen, und 2015, dass Israel wegen des Verbrechens der Apartheid vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt werden könnte;

In Anbetracht der Aussage von internationalen Organisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International oder der israelischen NGO B’Tselem sowie mehrerer Experten der Vereinten Nationen: Der Staat Israel macht sich des Verbrechens gegen die Menschlichkeit der Apartheid schuldig.

In Anbetracht des Jerusalem-Masterplans der israelischen Regierung, dessen Ziel es ist, die Zahl der in der Stadt lebenden Palästinenser auf ein Minimum zu reduzieren;

In Anbetracht dessen, dass der Februar 2023 die höchste monatliche Anzahl an abgerissenen Gebäuden in Ost-Jerusalem seit April 2019 darstellte; insgesamt wurden 36 Gebäude abgerissen, verglichen mit einem monatlichen Durchschnitt von 11 im Jahr 2022. Ebenso viele Familien wurden vertrieben und traumatisiert.

In Anbetracht dessen, dass im Gazastreifen zwei Millionen Palästinenser zusammengepfercht leben, eingesperrt in einem Freiluftgefängnis und seit 2006 unter Embargo;

In Anbetracht der Bombardierungen des Gazastreifens in den Jahren 2008, 2012, 2014, 2021 und 2022, die mehr als 5 000 palästinensische Opfer forderten und die grundlegende Infrastruktur zerstörten, was zu einer humanitären Katastrophe führte;

In der Erwägung, dass diese Tatsachen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) im März 2021 dazu veranlassten, eine Untersuchung wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen im besetzten palästinensischen Gebiet einzuleiten;

In Anbetracht dessen, dass die Operationen der israelischen Armee auch Infrastruktur und Projekte zerstören, die von anderen Staaten, darunter Belgien, unterstützt und finanziert wurden;

In Anbetracht des Aufrufs hunderter zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Palästina, Israel und dem Rest der Welt, die palästinensische, gewaltfreie und antirassistische Kampagne BDS (Boykott, Desinvestition, Sanktionen) zu unterstützen;

In Anbetracht der neuen rechtsextremen israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu, die die Rechtsstaatlichkeit weiter zurückdrängt und eine gefährliche und mörderische Eskalation herbeiführt, die versucht, die Existenz Palästinas in Frage zu stellen;

In Anbetracht der Beschleunigung und Gewalttätigkeit der israelischen Militärangriffe im Westjordanland, insbesondere in Jenin und Nablus, wo die Zahl der Toten Tag für Tag weiter ansteigt;

In Anbetracht dessen, dass seit Beginn des Jahres 2023 mehr als 80 Palästinenser, darunter auch Kinder, von den israelischen Besatzungstruppen im Westjordanland getötet wurden.

In Anbetracht der Haltung und der Erklärungen von Ministern, darunter Bezael Smotrich, der sich selbst als «homophoben Faschisten» bezeichnet und die Existenz des palästinensischen Volkes leugnet, oder Itamar Ben-Gvir, der die palästinensische Flagge verbietet;

In Erwägung, dass Kolonisierung, illegale militärische Besetzung und Apartheid rote Linien des Völkerrechts sind, die Israel seit Jahrzehnten immer wieder überschreitet, ohne Verlangsamung und ungestraft;

In der Erwägung, dass alle diplomatischen Kanäle erfolglos genutzt wurden, um den Staat Israel in die Legalität zu führen, und dass es daher angebracht ist, Sanktionen gegen diesen Staat zu verhängen, solange er das Völkerrecht nicht einhält;

In Anbetracht der Erklärung von 22 jüdischen Vereinigungen in 15 Ländern, die die Entscheidung der Bürgermeisterin von Barcelona, ihre Verbindungen zu Israel abzubrechen, begrüssten und feststellten, dass «wir die strukturelle Gewalt der Apartheid nicht normalisieren dürfen».

Auch in Anbetracht der bestehenden Städtepartnerschaft zwischen der Stadt Lüttich und der palästinensischen Stadt Ramallah;

Der Rat von Lüttich hat beschlossen, die Beziehungen zum Staat Israel und zu den mitschuldigen israelischen Institutionen vorübergehend auszusetzen, bis die israelischen Behörden das System der Verletzung der Rechte des palästinensischen Volkes beenden und ihren Verpflichtungen aus dem Völkerrecht und den verschiedenen Resolutionen der Vereinten Nationen in vollem Umfang nachkommen.
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Dieser Text ist erstmals am 25. April 2023 auf der Plattform von Charleroi pour la Palestine erschienen.