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Horoah bei Nablus

Gaza-Info 123: Die Bevölkerung steht hinter dem Widerstand

Interview mit dem Genossen aus dem Gazastreifen vom 26. Juni 2023

Wie beurteilst du den aktuellen Terror der Siedlerbanden im Westjordanland?

Das hat im Grunde gar nichts mit den Siedlern zu tun. Das ist die Besatzungsrealität seit 75 Jahren, von 1948 bis zum heutigen Tage. Das wurde verstärkt mit der zusätzlichen Annexion von Gaza, Westbank und Ostjerusalem 1967. Das hat sich nie geändert. Israel war stets ein imperialistisches Projekt im Nahen Osten, von allen imperialistischen Mächten getragen, zur Verhinderung der arabischen Einheit. Nicht erst seit der Balfour-Declaration, bereits seit dem deutschen Kolonialkongress, dem ersten zionistische Kongress in Basel oder dem Cambbell Abkommen 1904 bis 1905 mit dem damaligen britischen Kolonialminister oder während des Sykes-Picot Abkommens. Der Zionismus wurde immer von den Kolonialmächten unterstützt, um ihre Interessen durchzusetzen.

Als damals die Sowjetunion als erster Staat auf dieser Erde das zionistische Gebilde Israel in der Generalversammlung der UNO anerkannte, haben sie geglaubt, dass die tragenden Kräfte dieses neuen Staates aus der Kibbuz oder Mashav-Bewegung kommen, auf dem Hintergrund der sozialistischen Bewegungen aus der Sowjetunion oder der damaligen osteuropäischen Länder. Sie haben gedacht, dieses zionistische Gebilde könnte den Interessen der Sowjetunion dienen. Das Gleiche hat man schon unter dem britischen Mandat bemerkt, als z. B. die Irgun und die Haganah als terroristische Organisationen unterstützt und bewaffnet wurden, oder als die deutschen Nazis die Stern-Gruppe unterstützten. Die Nazis haben geglaubt, die können eine deutsche Kolonie für sie schaffen und ihren Interessen dienen.

Wenn wir heute in die Westbank schauen oder nach Jerusalem sehen wir ähnliche Unterstützungen wie damals, als das Motto der zionistischen Bewegung lautete: Erez Israel vom Euphrat bis zum Nil. Sie haben versucht, dieses Ziel zu erreichen, aber sie konnten es mit ihren damaligen Möglichkeiten nicht realisieren. Sie haben nach der Gründung Israels versucht, ihre Expansion durch Kriege durchzusetzen. Sie haben das 1967 geschafft, als sie die Westbank, den Gazastreifen und Jerusalem unter ihre Kontrolle gebracht haben. Sie haben es noch einmal versucht, neue Expansionen zu schaffen, als sie die Golanhöhen von Syrien unter ihre Kontrolle gebracht haben, dann haben sie 1978 und 1982 Expansionszüge und Kriege in den Libanon unternommen, bis sie den Litanifluss im Libanon unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Immer gab es diese Versuche, wie sie 1967 auch die Sinaihalbinsel annektiert haben. Es gab immer diese Versuche, aber es gab ein grosses Problem für die Zionisten: das Personalproblem. Ohne dieses Personal haben sie es damals nicht geschafft.

Nochmals: Horoah bei Nablus

Nach dem Zerfall der Sowjetunion gab es von dort eine grosse Welle an jüdischen Auswanderern. Mehr als eine Million Personen kamen in den 1990er Jahren. Mit dieser neuen Kraft haben sie ihre Pläne noch einmal reaktiviert und versucht, sie durchzusetzen. Sie haben bemerkt, dass alle westlichen Kräfte unter der Führung der USA das zionistische Gebilde finanziell, wirtschaftlich, personell, diplomatisch und politisch unterstützten, besonders nach dem Zerfall der Sowjetunion und des Warschauer Pakts, wodurch die USA zur einzigen Supermacht auf dieser Erde wurde.

Deshalb wurde klar und deutlich, dass sich die politischen Kräfte und die Verhältnisse weltweit verändert hatten. Kräfte wie linke, sozialistische oder kommunistische Parteien haben die Arbeiter verloren und da fingen neue Kräfte an, davon zu profitieren. Populistische Parteien benutzten die Probleme der Gesellschaft für ihre Interessen, so wie Trump und diese Leute. Auch faschistische und nationalistische Parteien sind stärker geworden, das sieht man heute bei Meloni und ihren Verbündeten, so wie die AFD in Deutschland und die FPÖ in Österreich. Andere faschistische Parteien in Schweden oder Norwegen haben Macht bekommen, so wie auch in den ehemaligen Ostblockländern, wo diese Kräfte Zuwachs bekommen haben.

Gleichzeitig haben liberale, sozialistische oder kommunistische Parteien ihre Macht und Stärke verloren. Deshalb beobachten wir in Ländern wie Deutschland oder Italien, dass du zwei oder drei Parteien brauchst, um eine Regierung zu bilden. Früher konnte eine Partei eine Alleinregierung bilden.

Turmusayah bei Ramallah

Diese Entwicklung ist auch in Israel zu beobachten, d. h. die Parteien, die Israel gegründet haben, sind verschwunden, z. B. die Mapai oder die Arbeiterpartei, die bis 1978 an der Macht waren, konnte bei der letzten Wahl kein Mandat schaffen. Bei der letzten Wahl konnte man sehen, dass auch die Meretz-Partei kein Mandat erreichen konnte und durchgefallen ist, während rechte und faschistische Parteien Kraft und Power bekommen haben. So wie Ben Gvir und seine Partei, oder Smotriech, die aber im Grunde das Gleiche vertreten wie liberale zionistische Parteien, wie die Arbeiterpartei oder die Partei Jesch Atid von Benny Gantz oder die Israel Beituna von Liebermann.

Alle diese zionistischen Parteien haben die gleichen Ziele. D.h.: Kein palästinensischer Staat, die Zionisierung oder Judaisierung des Landes, der Wiederaufbau des sogenannten 3. Tempels auf den Heiligtümern der Al Aqsa Moschee, den Transfer von den Palästinenser:innen aus ihrer Heimat, den Landraub und den Bau von neuen Siedlungen. Das sind heute die gleichen Ziele und Massnahmen wie schon damals in den 1960er und 1970er-Jahren und den Transferplänen. Als damals der Likud an die Macht gekommen ist unter Begin und Shamir, da wurde diese Politik weitergeführt, ist aber aggressiver geworden. Und nach der damaligen Migrations- und Auswanderungswelle aus der ehemaligen Sowjetunion wurde diese Siedlungspolitik und Enteignung von Land und Boden massiver und stärker. Wenn man zum Anfang der 1990er zurückgeht, da gab es nicht mehr als 25 Siedlungen im Gazastreifen und der Westbank und die Anzahl der Siedler und Siedlerinnen betrug nicht mehr als 100.000 Personen. Heute gibt es mehr als 600 anerkannte Siedlungen und mehr als 750 000 Siedler allein in der Westbank. D.h. die faschistische Regierung der Viererbande unter Netanyahu, mit Smoriech, Arje Deri und Ben Gvir versucht jetzt den sogenannten Jahrhundertdeal von Trump durchzusetzen. Das bedeutet, durch die Besetzung der C-Gebiete in der Westbank, die zwei Drittel der Westbank ausmachen, ihre Annexion und Enteignung durchzusetzen. Ein Sprecher dieser Regierung sagte: Wir müssen eine Million Siedler dorthin schicken und neue Realitäten schaffen. Heute ist es klar und deutlich, wie Netanyahu auf seiner Pressekonferenz sagte: Wir müssen einen palästinensischen Staat sabotieren und ihn zu einer Illusion machen und wir lassen uns dabei von niemandem etwas sagen oder reinreden, was wir machen sollen.

Heute sieht man, dass die Siedler in der Westbank das wahre Gesicht des zionistischen Gebildes Israel zeigen, wo sie in den Dörfern und Städten unter dem Schutz und den Waffen der israelischen Armee randalieren, Häuser und Autos und Felder in Brand setzen, auf Leute schiessen und sie töten und verletzen. So wie schon im Februar in Hoarah (Huwara), einem Dorf in der Nähe von Nablus. So auch vor drei Tagen in Urif wo es Tote und Verletzte gab. Und gestern haben sie das Gleiche in einem Dorf in der Nähe von Nablus gemacht. In Turmusaya in der Nähe von Ramallah.

Gleichzeitig sieht man, wie die israelischen Truppen und ihre Spezialeinheiten Angriffe auf palästinensische Städte und Dörfer ausführen, die mit Massakern und Liquidierungen einhergingen, wo sie Häuser in die Luft sprengen. Und täglich gibt es Verhaftungen wie vor ein paar Tagen in Jenin, Tulkarem, Nablus, Betlehem und in den Flüchtlingslagern von Aqabet Jaber, Dheishe und Askar.

Trotz diesen Aggressionen und Massakern, Vertreibungen und Enteignungen und Verhaftungen, den Zerstörungen in der Westbank und Jerusalem, wobei dort auch die Siedler tägliche Provokationen bei der Al Aqsa-Moschee inszenieren oder unter dem Schutz der israelischen Sicherheitskräfte randalieren und die Palästinenser:innen schlagen und beschimpfen oder die Gläubigen in der dortigen Moschee verhaften und verprügeln, fährt der Zug des palästinensischen Widerstands in der Westbank weiter und ist sogar stärker geworden. Ob jetzt durch die «Höhle der Löwen» in Nablus, oder die Jenin Brigaden oder die anderen Brigaden der kämpfenden Gruppen und ihre Spezialeinheiten, die fast jeden Tag in Kämpfe verwickelt sind und Operationen durchführen. Gleichzeitig spürt man die Standhaftigkeit der Bevölkerung in der Westbank und in Jerusalem und ihre Unterstützung für diese Brigaden und ihre Kämpfer. Die Menschen schätzen es besonders, dass an diesem Kampf alle palästinensischen Organisationen teilnehmen. D. h. die Al-Aqsa-Brigaden von Al Fatah, die Ali-Mustafa-Brigaden von der PFLP, bis zur Demokratischen Front, bis zu den Qassam- Brigaden von Hamas wie auch die Al-Quds-Brigaden und andere Gruppen.

Wir sind sicher, der palästinensische Kampf geht weiter, bis das palästinensische Volk seine Freiheit
und Unabhängigkeit erreicht.

Oreef bei Nablus

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Fotos von Sawa-Agentur, Imp.: Gazainfo, Stiftg. 8, 1070 Wien