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Foto: Yuri Smithyuk/TASS

Ein Blick auf die Volksrepublik China heute

Nach der ideologischen Unterminierung und der gesellschaftlichen sowie staatlich-politischen Zerschlagung der UdSSR und nach der Niederlage des Sozialismus in Europa erweist sich heute die Volksrepublik China als entscheidender Faktor des revolutionären historischen Prozesses des Übergangs der Menschheit vom Kapitalismus zum Sozialismus. Sie ist der Faktor, der in dieser schwierigen Situation absichert, dass dieser Prozess, nach Schwächen und Verrat, nicht abgebrochen wurde bzw. wird!

Von Prof. Dr. ANTON LATZO1

Die Volksrepublik China ist zugleich ein entscheidender ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Schrittmacher und internationaler Friedens- und Stabilitätsfaktor. Genauso wichtig ist ihr Beispiel, wie wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt miteinander in unserer Zeit verbunden werden können. Damit wächst ihr Einfluss sowohl in der kommunistischen und Arbeiterbewegung als auch unter den national befreiten Staaten und er wird sich spürbar konsolidieren.

Aber es gibt auch noch Kritiker, die behaupten, China sei die kommunistische Idee fremd. Sie relativieren die Ergebnisse und übersehen bzw. negieren bewusst, dass die Innen- und Aussenpolitik der KP Chinas Klassencharakter trägt. Konzept und Politik de KPCh werden auf der Grundlage des theoretischen Systems des Marxismus erarbeitet, den sie als Einheit von Philosophie, Ökonomie und wissenschaftlichem Sozialismus auffasst, wie das auch Lenin in seiner Arbeit «Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus» tat (und Engels im «Anti-Dühring» mit Zustimmung von Marx praktizierte).

Deutlich sichtbar ist das Bemühen der Partei, den gesellschaftlichen Gesamtprozess, aber auch seine zahlreichen einzelnen Seiten, Bereiche, Etappen usw. als widerspruchsvolle Einheit objektiver und subjektiver Veränderungen zu erkennen und diese Einsicht der weiteren gesellschaftlichen Praxis zugrunde zu legen, in diesem Sinne also die gesellschaftlichen Prozesse bewusst zu realisieren.

Wie sich die subjektive Seite der geschichtlichen Praxis entwickelt, wird zwar stets von den objektiven Bedingungen bestimmt, ist jedoch niemals das mechanische Produkt dieser Bedingungen. Das ist die Quelle für die Bestimmung der politischen Linie und Praxis der KP Chinas, für ihr Organisationsprinzip, ihre Zusammensetzung und ihrer Massenbasis. Auf dieser Grundlage erarbeitet die Partei die nationale und internationale Interessenlage der VR China.

Die Früchte der Entwicklung der VR China werden nicht von einer Handvoll Kapitalbesitzern und ihnen nahestehenden Personen genossen, sondern kommen dem ganzen Volk zugute – und das sind immerhin 1,5 Milliarden Menschen – die aus der Armut geführt wurden! Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zu 2010 ist um mehr als das Zweifache gestiegen und beträgt heute 35 000 Yuan.

Die gesamte Bevölkerung wird mit Nahrung, Kleidung, Wohnraum und bezahlbaren Medikamenten versorgt. Die Lebenserwartung ist gestiegen. Sozial schwache Gruppen werden vom Staat unterstützt. In den letzten 10 Jahren hat für 98 Millionen Menschen die Armut aufgehört.

I.

Darin drückt sich das wahre Wesen der gegenwärtigen sozial-ökonomischen Verhältnisse in der VR China, das Wesen des Sozialismus chinesischer Prägung in der Gegenwart aus. Es geht nicht um irgendein erdachtes «Modell», sondern um die progressive, revolutionäre Gestaltung der konkreten Existenz- und Schaffensbedingungen für Menschen in einem Land und in einem Erdteil mit einer ganz bestimmten Geschichte!

Dabei vertritt die KPCh den Standpunkt, dass

  1. die politische Herrschaft der Arbeiterklasse im Bündnis mit anderen werktätigen Schichten und
  2. die Vergesellschaftung der wichtigsten Produktionsmittel und auch Banken obligatorische Grundlagen für den Sozialismus sein müssen.

In der Geschichte der Arbeiterbewegung ist sowohl theoretisch als auch in der Praxis des Klassenkampfes bewiesen, dass nur auf diesen zwei Säulen der politischen und ökonomischen Macht die kapitalistische Gesellschaft grundlegend umgestaltet und der Sozialismus errichtet werden kann.

Die daraus resultierende Frage, wie die politische Macht der Arbeiterklasse im Einzelnen beschaffen sein und wirken sollte oder in welchen Formen das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln existieren könnte, ist von den unterschiedlichen Bedingungen in China (aber auch in anderen Ländern) abhängig. Es geht um das Verhältnis zwischen allgemeinen Gesetzmässigkeiten und nationalen Besonderheiten.

Entscheidend ist: Der Schlüssel zur Bestimmung von «wie», zur Lösung der anstehenden Aufgaben liegt für die KP Chinas in der Verbindung des Sozialismus mit der Arbeiterklasse und seiner Verbreitung in möglichst breiten Kreisen des werktätigen Volkes. Davon werden sowohl Ideologie als auch Praxis der KP Chinas bestimmt.

Auf dem XX. Parteitag stellte Xi Jinping fest: «Die chinesischen Kommunisten sind zu folgender tiefer Einsicht gelangt: Nur wenn wir die grundlegenden Prinzipien des Marxismus mit den konkreten Gegebenheiten unseres Landes und der hervorragenden traditionellen chinesischen Kultur verbinden und die Anwendung des dialektischen und historischen Materialismus beibehalten, wird es uns auch in Zukunft gelingen, auf die grossen Fragen, die Zeit und Praxis an uns herantragen, die richtigen Antworten zu finden und die schwungvolle Vitalität und sprühende Lebenskraft des Marxismus fortwährend aufrechtzuerhalten».

Die zentralen Ideen des Konzepts der KP Chinas folgen dabei der Marxschen Erkenntnis: «Proletariat und Reichtum sind Gegensätze. … Das Proletariat vollzieht das Urteil, welches das Privateigentum durch die Erzeugung des Proletariats über sich selbst verhängt». (MEW, Bd. 2, S. 37/38)

Sie berücksichtigt, was Friedrich Engels schon sehr früh erkannte: «Die Geschichte tut nichts, sie ‚besitzt keinen ungeheuren Reichtum‘, sie ‚kämpft keine Kämpfe‘! Es ist vielmehr der Mensch, der wirkliche, lebendige Mensch, der alles tut, besitzt und kämpft; es ist nicht etwa die ‚Geschichte‘, die den Menschen zum Mittel braucht, um ihre – als ob sie eine aparte Person wäre – Zwecke durchzuarbeiten, sondern sie ist nichts als die Tätigkeit des seine Zwecke verfolgenden Menschen.» (MEW, Bd. 2, 98)

Das war und ist eine von Marx und Engels neu entwickelte Auffassung von der menschlichen Gesellschaft und ihrer geschichtlichen Entwicklung. Sie fand ihre Weiterentwicklung in dem «Gesetz, wonach alle geschichtlichen Kämpfe, ob sie auf politischem, religiösem, philosophischem  oder sonst ideologischem Gebiet vor sich gehen, in der Tat nur der mehr oder weniger deutliche Ausdruck von Kämpfen gesellschaftlicher Klassen sind, und dass die Existenz und damit auch die Kollisionen dieser Klassen wieder bedingt sind durch den Entwicklungsgrad ihrer ökonomischen Lage, durch die Art und Weise ihrer Produktion und ihres dadurch bedingten Austausches.» (MEW, Bd. 21, S. 248)

Die KP Chinas beweist mit konkreten Ergebnissen, dass die Kenntnis und schöpferische Anwendung dieser Erkenntnisse noch immer hilfreich auch für den aktuellen «Durchblick» im komplizierten Geflecht der sich entwickelnden gesellschaftlichen Zusammenhänge ist.

Die «Kritiker» verschweigen, dass Xi Jinping nicht erst auf dem XX. Parteitag, sondern schon auf dem 19. Parteitag der KP Chinas betonte:
«Die wissenschaftlichen Wahrheiten des Marxismus-Leninismus haben den fortgeschrittenen Elementen in China die Wege zur Lösung der chinesischen Probleme aufgezeigt. Inmitten der turbulenten sozialen Bewegungen, die sich in der Periode der modernen Geschichte und darüber hinaus in der chinesischen Gesellschaft entfalteten, im erbitterten Kampf des chinesischen Volkes gegen die feudale Herrschaft und die äussere Aggression, im Zuge der Vereinigung des Marxismus-Leninismus mit der chinesischen Arbeiterbewegung im Jahr 1921, wurde die Kommunistische Partei Chinas geboren. Seitdem ist die KPCh zu einer verlässlichen Stütze für das chinesische Volk im Kampf um die nationale Unabhängigkeit, für die Befreiung des Volkes, für die Macht des Landes und das Glück des Volkes geworden. Spirituell gesehen hat das chinesische Volk eine Wandlung von passiver Erwartung zu Handeln durchgemacht».

Diese und andere Positionen und Erkenntnisse des Marxismus-Leninismus sind Grundlage der Konzeption und Politik der KP Chinas über den Sozialismus chinesischer Prägung – und nicht erdichtete «Modelle», die dem «Eurokommunismus», dem «demokratischen Sozialismus», der «Konvergenz-Theorie» und dergleichen Konstrukten entspringen.

II.

Die KPCh verwirklicht aber ihre Rolle auch anders als damals die Sowjetunion und auch anders als die ehemals sozialistischen Staaten in Europa das taten. Das tut sie nicht, weil sie vielleicht anders sein will oder weil sie vielleicht die Erfahrungen und Leistungen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten unter- oder geringschätzt.

Sie geht davon aus, dass sie mit dem gleichen Gegner konfrontiert ist. Sie muss aber in einer anderen nationalen und internationalen Situation handeln, ist mit anderen objektiven ökonomischen, materiellen, politischen Bedingungen und auch Kräfteverhältnissen konfrontiert und hat eine andere Geschichte.

Die VR China hat sich für den Sozialismus entschieden. Ihre gesellschaftliche Zielsetzung ist sozialistisch. Die KP übt die Macht als Partei der Arbeiterklasse aus und vertritt dadurch die Interessen des ganzen Volkes. Ihre ideologische Grundlage ist der Marxismus-Leninismus.

Das prägt schon in der Gegenwart die politische Verfassung und Struktur sowie einen wichtigen Teil ihrer ökonomischen Basis.

III.

Zugleich musste die KPCh die konterrevolutionären Vorgänge in der UdSSR und in den europäischen sozialistischen Staaten sowie die Angriffe auf die VR China zur Kenntnis nehmen und daraus Lehren ziehen. Lehren, nicht als theoretische Annahmen, sondern als Schlussfolgerung für praktische Politik im Inneren und international.

Gleichzeitig hatte sich Ende des 20. Jahrhunderts mit der Zerschlagung der Sowjetunion und der Niederlage des Sozialismus in den anderen sozialistischen Staaten Europa das internationale Kräfteverhältnis gravierend zugunsten der imperialistischen Reaktion und Restauration verändert.

Die VR China betrieb unter diesen Bedingungen eine internationale Politik im Widerspruch zu den reaktionären Kräften der imperialistischen Reaktion. Sie hat sich den konterrevolutionären Inhalten und Tendenzen der imperialistischen Globalisierungspolitik nicht ergeben.

Sie ist aber in diese Zeit eingebunden, sie muss auch die neuen internationalen Bedingungen in der Innen- und Aussenpolitik berücksichtigen. Aber sie entwickelt ihre Beziehungen zu anderen Staaten nicht mit dem Ziel der Ausbeutung und Unterdrückung. Grundlage und Ziel ihrer Beziehungen (Belt and Road u.a.) sind gemeinsame Entwicklung, ist Frieden, Sicherheit und das Wohlergehen der Völker. Gleichberechtigung und gegenseitiger Vorteil (Win-win-Situation) sind entscheidende Pfeiler dieser Beziehungen. Und das schafft friedliche Bedingungen und gedeihliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil.

IV.

Anders als die frühere Sowjetunion beteiligt sich die VR China in ihrer ökonomischen Politik in flexibler Weise am Weltmarkt. Sie ist – im Wettbewerb mit den USA samt Vasallen – zu einem wichtigen Faktor der Weltwirtschaft geworden. Es spricht Bände, wenn man die Lage der VR China mit der Lage der Sowjetunion in den 20er und auch 50er Jahren des 20. Jahrhunderts vergleicht. Selbst nach dem zweiten Weltkrieg, als die Sowjetunion zur zweitgrössten Macht der Welt aufgestiegen war, war sie in den ökonomisch generierten Faktoren schwächer als die USA, was nicht ohne politische Folgen blieb.

Gestützt auf ihr ökonomisches und wissenschaftlich-technisches Potenzial und Gewicht nutzt die VR China heute die sozialistische Staatsmacht die Gesetzmässigkeiten und Regulationsmechanismen der monopolkapitalistischen Ökonomie und des dazugehörigen Finanzsystems, um grösstmögliche Vorteile für seine eigene ökonomische Entwicklung, für die Gestaltung eines berechenbaren internationalen Systems und für die Realisierung der Interessen aller beteiligten Staaten zu erzielen. Die Wirtschaft entwickelt sich in Übereinstimmung mit den von der KPCh bestätigten Fünfjahrplänen.

Bis 2035 soll die Umsetzung der Modernisierung abgeschlossen sein. Besonderes Augenmerk legt China dabei auf das Wachstum der Arbeitsproduktivität. Die derzeitigen F&E-Ausgaben machen 2,55% (3 Billionen Yuan) des Haushalts aus. Selbst die am meisten entwickelten Länder der EU liegen bei 2,1% des Budgets.

Dabei orientiert sich die Regulierungsstrategie der chinesischen Regierung – um in der Terminologie von heute zu sprechen – an dem wirtschaftlichen und geopolitischen Imperativ, die VR China zu einer technologischen Supermacht zu machen. Auf dieser Grundlage werden die ökonomischen, politischen und sicherheitspolitischen Aufgaben und Massnahmen bestimmt und verfolgt. Die Aussen- und Sicherheitspolitik des Landes beruht nicht vorwiegend auf dem militärischen Faktor.

Das eröffnet innenpolitische Möglichkeiten zur Verwirklichung der sozialen Ziele. Es vergrössert zugleich die Möglichkeiten der VR China, ihre aussenpolitischen Ziele mit erhöhter Wirksamkeit zu verwirklichen. Es schafft neue Spielräume, um die Interessen und Widersprüche in und zwischen den imperialistischen Mächten zugunsten des antiimperialistischen Kampfes und in den Bemühungen um Sicherheit und Frieden der Völker einzusetzen.

Dabei unterliegen alle Massnahmen einer wirksamen Kontrolle durch den Staat. Die Grundlage bilden gegenwärtig die Beschlüsse des XX. Parteitages der KP.

V.

Bis Mitte des Jahrhunderts wird die VR China eine modernisierte sozialistische Gesellschaft sein. Das Konzept unterscheidet sich vom Programm der ehemaligen KPdSU. Das heisst aber nicht, dass es falsch ist.

Bekanntlich hatte N. S. Chruschtschow 1961 (22. Parteitag) ein neues Parteiprogramm ausarbeiten lassen, in dem als strategische Aufgabe formuliert war, binnen zwanzig Jahren den Übergang zur höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft zu vollziehen.
Eine sachliche Analyse zeigt, dass die Führung der KPdSU dabei völlig im Banne des Subjektivismus und Voluntarismus stand. Die sozialistische Gesellschaft in der damaligen UdSSR hatte trotz der erzielten Fortschritte längst nicht den Reifegrad erreicht, der eine derartige Aufgabenstellung erlaubt hätte. Und das hatte Folgen für das Herangehen an die Beurteilung auch anderer zentraler Bereiche der Gesellschaft in der UdSSR und auch in den anderen sozialistischen Staaten.

Die Grundprämisse ist also, dass die chinesische Modernisierung eine sozialistische Modernisierung ist, die unter der Führung der kommunistischen Partei durchgeführt wird, sich auf den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und einer auf dieser Grundlage erhöhten Arbeitsproduktivität stützt. Das hat sowohl gemeinsame Merkmale der Modernisierung in allen Ländern als auch nationale Besonderheiten, die mit den chinesischen Realitäten verbunden sind, zur Folge.

Durch diese Politik könnte die VR China nicht nur zu einem entscheidenden Faktor der gegenwärtigen Weltwirtschaft werden, sondern auch eine Schlüsselrolle in ihr erlangen, weil die Weltwirtschaft ohne die VR China in der Praxis nicht mehr funktionieren könnte.

Die VR China ist unbestritten die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt. Sie ist dabei, auch die USA zu überholen. Sie ist die führende Exportnation der Welt und hat dabei die BRD verdrängt.
Im Unterschied zur UdSSR und zum Bereich des RGW ist die VR China aktiv am Weltmarkt und an der internationalen Arbeitsteilung beteiligt. Sie verfügt über grosse Devisenüberschüsse und betreibt einen wachsenden Kapitalexport. Sie besitzt also auch in dieser Hinsicht einen bedeutenden globalen Einfluss auf die Weltwirtschaft.

In den späten 1940er Jahren produzierten allein die USA die Hälfte aller Industriegüter der Welt. 1980 hatte «der Westen», d. h. die Hauptmächte des Kapitals, einen Anteil an der Weltwirtschaft von 80 Prozent, und der «Rest» der Welt lag bei 20 Prozent. Heute haben die sich entwickelnden Länder einen Anteil an der Weltwirtschaft von knapp 70 Prozent, der «Westen» liegt bei gut 30 Prozent! Daraus ergibt sich eine finanzökonomische Verschiebung der Machtachsen zugunsten der Länder, die eine Aussenpolitik verfolgen, die ihrer Sicherheit und Unabhängigkeit dient.

Eine der politischen Wirkungen besteht zum Beispiel auch darin, dass gegenwärtig 19 Länder der BRICS-Formation beitreten wollen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit zu. Das sind materielle Grundlagen einer den Frieden und die Sicherheit der Völker sichernden Zeitenwende, und nicht die von den USA, der deutschen und anderen Regierungen verkündete reaktionäre Politik der weltweiten Restauration der Herrschaft des Kapitals.

Diese Politik der VR China mit weltweitem Aktionsradius wird jedoch nicht um ihrer selbst betrieben. International finden nicht allein die ökonomischen Beziehungen zur VR China zunehmendes Interesse. Es wächst die Zahl der Staaten, die sich zunehmend auch für das «Wie» und damit für die Erfahrungen Chinas interessieren. Dem wird von chinesischer Seite entsprochen, indem zum Beispiel nach dem letzten Parteitag eine Serie von bi- und multilateralen Beratungen mit ausländischen Parteien und Vertretern von Staaten und gesellschaftlichen Organisationen besonders aus Asien, Afrika und Lateinamerika durchgeführt wurden.

In Übereinstimmung mit den nationalen und internationalen Interessen des chinesischen Volkes unterstützt die VR China die progressiven internationalen Tendenzen im Prozess der Veränderung des Kräfteverhältnisses zugunsten der antiimperialistischen Kräfte auf der Grundlage einer stabilen ökonomischen Entwicklung, und der Verbesserung der Lebens- und Entwicklungsbedingungen.

Diese Vorbildwirkung ergibt sich aus konkreten Ergebnissen. Es sei darauf verwiesen, dass die Eurozone derzeit einen Anstieg der Verbraucherpreise um 7 Prozent verzeichnet. In der VR China liegt diese Kennziffer bei 0,1 Prozent, Russland hat 2,3 Prozent, Indien 4,7 und Vietnam 2,8 Prozent.

Und derartige Fakten gibt es noch viele. Das entspricht natürlich nicht den Interessen der kapitalistischen Grossmächte, weshalb sie versuchen, die VR China zu neutralisieren bzw. zu eliminieren, weil sie in der Lage ist, sich den Bedingungen des kapitalistischen Systems anzupassen, ohne ihre politische Identität zu verlieren, ohne die sozialistische Zielstellung aufzugeben!

Dabei geht es aber nicht nur um ökonomische Grössen. Es geht nicht nur um Zahlen, sondern vor allem um das Beispiel, wie man die sozial-ökonomischen und politischen Grundfragen unter den Bedingungen der Gegenwart lösen kann. Diese Suche bringt natürlich auch Probleme mit sich, schafft aber vor allem Wirkungsmöglichkeiten, die der Sozialismus bis heute nicht hatte. Das unterscheidet zum Beispiel das Konzept und die Politik der KP Chinas von der seinerzeitigen KPdSU und den kommunistischen Parteien der europäischen sozialistischen Staaten. Das gehört zur Zielstellung «Sozialismus chinesischer Prägung», der bekanntlich noch nicht existiert, sondern bis 2050 geschaffen werden soll.

Relevant sind solche Tatsachen und nicht die konterrevolutionäre und antikommunistische Interpretation der «Kritiker» unterschiedlichster Schattierung und ideologischer Herkunft. Die Schaffung des «Sozialismus chinesischer Prägung» ist also konkret die Anwendung der Gesetzmässigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung auf die konkreten nationalen und internationalen Bedingungen des Klassenkampfes.

VI.

Die entscheidende Bedingung für den erfolgreichen Weg zum Sozialismus sieht die Führung der KP in der theoretischen, ideologischen und organisatorischen Konsolidierung der Partei. In Auswertung und Konkretisierung der Beschlüsse des XX. Parteitages finden regelmässig zentrale Beratungen der Führung mit den Aktivisten statt, auf denen die Aufgaben sowie die Wege und Methoden zur Mobilisierung der Partei und der Gesellschaft beraten werden.

Am 3. April fand zum Beispiel eine solche Beratung als Auftakt für eine parteiübergreifende Bildungskampagne statt. Xi Jinping wies darauf hin, dass es darum gehe, «die Bildungskampagne zu intensivieren, um die Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung in der neuen Ära zu studieren und umzusetzen, um den Zusammenhalt zu stärken und die Kräfte in einer neuen Kampagne zu vereinen». Er wies darauf hin, dass es notwendig sei, «allen Mitgliedern der KP Chinas die Möglichkeit [zu] geben, sich die neuen Positionen der Partei weiter anzueignen und das Verständnis des Marxismus zu vertiefen».

Es geht also nicht um eine Trennung oder «Überwindung» von Sozialismus chinesischer Prägung und Marxismus oder gar um eine «Überwindung» oder «Modernisierung» des Marxismus, sondern darum, den Aufbau des Sozialismus auf der Grundlage der «Vertiefung des Verständnisses des Marxismus» und unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten zu gestalten.

Zwei Aufgaben mit landesweiter Ausbreitung wurden dabei besonders betont:

  • umfassender Aufbau eines modernisierten sozialistischen Staates und
  • Verwirklichung der Wiederbelebung der chinesischen Nation.

In dieser Phase will man sich dabei auf die Qualifizierung der Kader, beginnend auf Kreisebene konzentrieren.

Angestrebt wird mit dieser Massnahme:

  • den ideologischen Zusammenhalt der Parteimitglieder weiter zu entwickeln und zu festigen,
  • drängende innerparteiliche Probleme lösen,
  • die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung enger Beziehungen zwischen Partei und Volk und die Verbundenheit mit der Sache des Sozialismus fördern.

Die Aufklärungskampagne soll Parteimitgliedern und Funktionären helfen, «ihre Fähigkeiten zu politischem Urteilsvermögen, zum Denken und Handeln zu verbessern», um die Partei, wie es heisst, «in ein Stück gehärteten Stahl zu verwandeln, das nicht zerquetscht werden kann».
Durch Bildung und Führung sollen die Parteimitglieder und Funktionäre, «besser darauf vorbereitet werden, eine qualitativ hochwertige Entwicklung zu erreichen, dem Volk zu dienen und Risiken zu verhindern und zu beseitigen».

Es gehe darum, die Fragen der sozial-ökonomischen Entwicklung auf der Grundlage der Konsolidierung des marxistisch-leninistischen Charakters der Partei und der Qualifizierung der Parteiarbeit zu lösen, grosse Risiken zu verhindern und zu beseitigen sowie den erfolgreichen Weg fortzusetzen.

Xi Jingping betonte, dass das Hauptziel der Kampagne darin bestehe, die Verbundenheit «mit dem Marxismus und dem Sozialismus chinesische Prägung zu stärken, um mit der Wiederbelebung der chinesischen Nation zu vereinen.

Diese Aufgabenstellung, die Verbindung von Sozialem und Nationalem wird mit der Aufforderung verbunden, die «KPCh-Mitglieder sollten niemals den ursprünglichen Zweck und die grundlegende Mission der Partei vergessen». Alle Mitglieder der Partei müssen der Partei, dem Volk und dem Marxismus treu bleiben.

Die Erfolge der VR China bestärken die progressiven Kräfte in der Welt, den Weg des gesellschaftlichen Fortschritts trotz zeitweiliger Rückschläge zielgerichtet weiter zu verfolgen. Das ist ein entscheidender Beitrag der KP Chinas zur Wiederbelebung der Kräfte des Friedens und des sozialen Fortschritts. Es gilt, diese Erfahrungen zu studieren und nicht zu verleumden!
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1 Prof. Dr. Anton Latzo ist Historiker. Diesen Text referierte der Autor zur Jahresversammlung des Deutsch-Chinesischen-Freundschaftsvereins Ludwigsfelde am 1. 7. 2023