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Markanter Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Schweiz

Während sich die Experten darüber streiten, wann die Konjunktur die allseits beliebte “Talsohle” erreichen werde, verlieren immer mehr Beschäftigte ihren Arbeitsplatz, müssen Verdienstsausfälle durch Konkursverluste oder Kurzarbeit hinnehmen, während die schon länger Arbeitslosen allmählich ihre abgezählten Arbeitslosentaggelder ausschöpfen, 1–837 Personen allein im Januar 2009.

Die vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) publizierten Zahlen, auch wenn sie die Arbeitslosigkeit unvollständig abbilden, bestätigen deren rasante Zunahme in den zurückliegenden Monaten. Gemäss den Erhebungen des SECO waren Ende März 2009 134–713 Arbeitslose bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) eingeschrieben, 2–311 mehr als im Februar. Gegenüber März 2008 erhöhte sich die Arbeitslosigkeit um 30–936 Personen (+29,8%).

Die Jugendarbeitslosigkeit (15- bis 24-Jährige) erhöhte sich im März um 76 Personen (+0,3%) auf 22–128. Im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht dies einem Anstieg um 6–154 Personen (+38,5%).

Löcher im Obligatorium werden immer grösser

Nach Verfassungsvorschrift ist die Arbeitslosenversicherung (ALV) zwar obligatorisch. Doch in der Praxis werden immer grössere Gruppen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Gleichzeitig macht es die fortschreitende Prekarisierung der Beschäftigung es immer schwieriger, überhaupt zu einem Rechtsanspruch auf Versicherungstaggelder zu kommen. Der Anspruch auf Taggelder setzt nämlich unter anderem den Nachweis einer genügend langen Beschäftigungszeit voraus.

Dieser Nachweis war schon immer ein Problem für alle, die erstmals oder wieder lohnabhängig wurden und keine Stelle fanden. Um dem Versicherungsobligatorium auch hier nachzukommen, hätte man diese Gruppen wie Schüler, Lehrlinge, Rekruten usw. mit grossem Verwaltungsaufwand in die Erhebung von ALV-Beiträgen einbeziehen könnten. Stattdessen wurde die Läsung vorgezogen, bestimmte Kategorien vom Nachweis der Beitragsplicht zu befreien.

Wer nun bereits arbeitslos ist, kann natürlich ebenso wie der Schüler, keine Beitragszeiten akkumulieren. Noch bis in die 1980er Jahre war es üblich, dass die ALV diesem Umstand Rechnung trug, wenn sie die Anspruchsberechtigung in den folgenden Jahren abklärte. Zeiten der Arbeitslosigkeit wurden zu einem bestimmten Faktor wie Zeiten zurückgelegter Arbeit angerechnet. Diese Praxis ist nach so und so vielen Jahren neoliberaler Staatskunst in ihr Gegenteil umgeschlagen. In seiner Botschaft vom 3. September 2008 schlug der Bundesrat dem Parlament eine noch weitergehende Verschärfung in dieser Richtung vor. Unter anderem wird vorgesehen, die Versicherungsbeitragszeiten

Aus diesem System ergibt sich, dass ausgerechnet die am meisten problembeladenen Bereiche der Langzeitarbeitslosigkeit und der Jugendarbeitslosigkeit in den Statistiken systematisch unterschätzt werden.

Wohin mit der umstrittenen AVIG-Revision?

Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, dass im Bundeshaus die Befürchtungen wachsen, dass das Volk die vom Bundesrat vorgeschlagenen Verschlechterungen der Leistungsseite der ALV nicht schlucken wird. Über die regierungsnahen Agentur “Swissinfo.ch” erklärte Seco-Sprecher Serge Gaillard es für grundsätzlich falsch, die Beiträge der Arbeitslosenversicherung in den jetzigen schlechten Zeiten zu erhöhen oder Leistungen zu kürzen.

Der Schrecken des Volks-Neins vom 28. September 1997 ist in diesen Kreisen noch nicht aus den Knochen. Damals war die ideologische Herrschaft des Neoliberalismus geradezu erstickend und grosse Teile der Gewerkschaften blieben im Abstimmungskampf Gewehr bei Fuss. Trotzdem blieb die Association de Défense des chômeurs aus La-Chaux-de-Fonds mit ihrem Referendum siegreich. Die pausenlose Abfolge von niederschmetternden Nachrichten, die auf die breite Bevölkerung einprasselt, löst eine Empörung aus, auf deren Wachstum man sich auch in Bern einstellt. Möglicherweise wird der Bundesrat dem Parlament nahelegen, seinen eigenen Entwurf angesichts des zunehmenden Murrens in der Bevölkerung seit Zuspitzung der Wirtschaftskrise bitte in aller Gemütlichkeit zu behandeln oder zur Not etwas Besseres zu beschliessen.

(12.04.2009)

 

Siehe auch:

 

Externe Links zu offiziellen Dokumenten:

  • Botschaft des Bundesrates vom 3. September 2008 zur Önderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (herunterladen im PDF-Format)
  • Entwurf des Bundesrates zur Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetz