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Wirbel um Del Ponte und das EDA

Das kürzlich in Mailand bei Feltrinelli in der Muttersprache der Verfasserin erschienene Buch der ehemaligen Chef-Anklägerin im UN-Tribunal für die Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien (ICTY), Carla del Ponte, mit dem Titel “La Caccia. Io e i criminali di guerra(Die Jagd. Ich und die Kriegsverbrecher), sorgt allseits für Aufruhr.

Del Ponte hatte ihre Antipathie für Serbien nicht verhehlt, und sie galt für äusserst ambitiös und extrovertiert und wurde deswegen als ideale Besetzung als Anklägerin an einem voreingenommenen Tribunal angesehen, dessen Aufgabe sich in einem Wort zusammenfassen lässt: Das ICTY sollte die zur Rechtfertigung der imperialistischen Kriege im Balkan herangezogenen Argumente “beweisen”. Damit war klar, dass vor allem Serben zur Aburteilung standen, andere nur soweit sich dies im Interesse der Glaubhaftigkeit der ganzen Öbung nicht vermeiden liess.

Jetzt schreibt die Ex-Anklägerin, dass Indizien für ungeheuerliche Kriegsverbrechen sprachen, denen aber nicht nachgegangen wurde. Nach den vorliegenden Indizien haben Terroristen der “Befreiungsarmee” der Kosovo-Albaner (UCK) über 300 Einwohner aus serbischen Enklaven nach Albanien entführt, wo ihnen in einem Labor lebenswichtige Organe für den Schwarzmarkthandel herausgeschnitten wurden. Gleichlautende Berichte von dieser imperialistischen Form des Kannibalismus konnte man schon in den 1990er Jahren von serbischen Flüchtlingen vernehmen, aber viele wollten davon nichts wissen.

Das Brisante am Buch liegt nicht so sehr im neuen Inhalt, sondern in den Aussagen, mit denen nicht irgend ein beliebiger Autor, sondern die Insiderin und Mitverantwortliche Del Ponte andeutet und teilweise zugibt, dass das Tribunal, vor dem sie die Klage geführt hat, nicht einmal die primitivsten Anforderungen für ein faires Verfahren gewährleisten konnte. Die Buchautorin sieht sich selbst in der Rolle der mutigen Detektivin, konnte aber nichts machen, weil es im Kosovo von “Banditen und Verbrechern” wimmelte. Alle Parteien haben die Kooperation verweigert, bei vielen Staaten, auch beim Vatikan, sei sie auf eine “Mauer aus Gummi” gestossen.

“Ich denke, einige Tribunal-Richter hatten Angst, die Albaner würden kommen und mit ihnen einen kurzen Prozess machen.” Del Ponte versichert den Leser, dass diese Sache sie rückwirkend unheimlich betrübt. Im Zitat gibt sie erstens die Voreingenommenheit der Jury zu, und zweitens führt sie diese Voreingenommenheit auf einen höchst bedeutsamen Umstand zurück. Wenn sich die Richter durch eine der beiden Parteien dermassen eingeschüchtert fühlten, so wird diese einseitige Angst nicht vom Himmel gefallen sein. Obwohl es Richter gab, welche noch nie etwas vom Balkan gehört hatten, konnten sie im Verlaufe ihrer Tätigkeit anhand des vielen nur ihnen bekannten Materials besser als unsereiner sich ein Bild von beiden Seiten machen. Naheliegend ist der Gedanke, dass ihnen Beweise für äusserste Grausamkeiten dieser Seite vorgelegen haben könnten. Vielleicht so bestialisch und angsteinflössend, dass sie es vorzogen, das Material zu ignorieren.

DIe Autorin wird wissen, dass ein kritisches Buch aus ihrer Feder, begleitet von einigem Mediensrummel, sich gut verkaufen muss. Dennoch dürfen ihre Kritiken nicht als Ausdruck der Selbstdarstellung abgetan werden. Dass sie tatsächlich auch ernst genommen werden, zeigen die zahlreichen unterschiedlichen Reaktionen von offiziellen Seiten.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber der 61 jährigen Autorin, welche die Schweiz als Botschafterin in Argentinien vertritt, die persönliche Anwesenheit bei der Vorstellung des Buches in Milano verboten. “Dieses Werk enthält Erklärungen, die mit dem Amt einer Vertreterin der Regierung der Schweiz nicht vereinbar sind”, erklärte EDA-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat diesen Schritt.

Das russische Aussenministerium stellt fest, dass die schockierenden Fakten, welche im Buch angeführt werden, nicht in das Konzept einiger Staaten passen, wonach die Kosovo-Albaner als Märtyrer dargestellt werden, um die Unabhängigkeitserklärung der serbischen Provinz zu legitimieren. Die am 8. April auf der Webseite des Aussenministeriums erschienene Stellungnahme kommentiert das EDA-Verbot als Einschränkung der Redefreiheit zum Thema der Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung. Diese Politik verfolge “offenbar das Ziel, die Reaktion der internationalen politischen und gesellschaftlichen Kreise auf die Fakten abzuschwächen, die die kriminelle Vorgeschichte der rechtswidrigen Souveränisierung des Kosovo aufdecken.”

Russland hat inzwischen das UN-Tribunal offiziell angefragt, inwieweit dieses über Informationen zu den im Buch erwähnten Verbrechen gegen die Kosovo-Serben verfüge und welche Schritte zur Ermittlung dieser Verbrechen eingeleitet worden seien.

Die serbische Provinz Kosovo hatte am 17. Februar ihre Unabhängigkeit von Serbien einseitig ausgerufen. Bisher (08.04.08) ist diese von 36 Ländern, darunter der Schweiz, anerkannt worden. Zugleich wird die Anerkennung der Unabhängigkeit von Serbien, aber auch von Russland, China, Indien, Spanien, Griechenland und vielen anderen Staaten verweigert, weil sie die einseitige Unabhängigkeitserklärung der Provinz als illegitim und völkerrechtswidrig bewerten.

Quellen: Einheimische Tagespresse / RIA Novosti

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