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Bürgerliche Demokratie – Eine Form der Diktatur des grossen Kapitals

Von Peter Simonenko, Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Ukraine


Zum Anfang zwei Tatsachen aus frischen Meldungen von Informationsagenturen. Fakt Nummer 1: Die EU hat mit einem Gefühl tiefer Befriedigung festgestellt, dass die Ukraine sicher auf dem Wege der Demokratie fortschreitet: Die Präsindentenwahlen hier hätten gemäss den in der westlichen Welt geltenden Standards stattgefunden, grobe Verstösse gegen die Redefreihheit wurde in der letzten Zeit nicht entdeckt. Fakt Nummer 2: Dnjeprodserzhinsk wurde ohne Benachrichtigung die Wasserversorgung eingestellt. Einige Tage lang gingen Kinder nicht zur Schule, in Krankenhäusern konnten keine geplanten Operationen durchgeführt werden. Die Einwohner der 300-Tausend-Stadt werden noch lange sich vom erlebten Schock erholen müssen. Der Grund für die Einstellung der Wasserversorgung ist banal: Hoch angelaufene Schulden bei dem Wasser- und Energieversorger Olbenergo, dessen Besitzer den Bürgern sagten: Zuerst Geld, dann Wasser! Aber was haben nun diese zwei Fakten miteinander zu tun? Was haben sie gemeinsam? Warum stelle ich sie in dieselbe Reihe? Weil zusammen genommen zeigen sie ausdrücklich eines: die bürgerliche Demokratie in der Ukraine stellt eine Form von Kapital-Herrschaft dar, die es erlaubt, den Arbeitenden ihren Willen aufzubinden und am Leiden des Volkes zu profitieren. Und nicht nur in der Ukraine. So wird es in der ganzen Welt bleiben, solange der ausbeuterische Aufbau besteht. Der kapitalistische Staat, egal, welches Führungssystem darin existiert, stellt eine Klassendiktatur der Bourgeoisie dar (in den ukrainischen Verhältnissen nicht einmal der gesamten Bourgeoisie, sondern lediglich ihrer Spitze – der sogenannten Oligarchen). Er kann einfach nicht anders sein, weil die Interessen dieser Klasse denen der Arbeitenden zuwider laufen: diese werden niemals freiwillig zulassen, dass sie wegen jemandes Profits zum Beispiel ohne Wasser gelassen werden wie in Dnjeprodserzhinsk. Daher können die Ausbeuter ihre Herrschaft nur auf zwei Weisen sichern: Durch Macht in Verbindung mit Betrug oder durch Betrug in Verbindung mit Macht. Im ersten Fall haben wir dann mit einer direkten politischen Diktatur (A. Hitler in Deutschland, B. Mussolini in Italien, F. Franco in Spanien, A. Pinochet in Chile, –Schwarze Obristen– in Griechenland usw.) Im zweiten Fall – mit Demokratie, wie sie heute in Ländern des Westens besteht, und in einer verkehrten Karikatur-Form auch in der Ukraine (egal, was man dort in der EU redet). Das ist nicht die Macht des Volkes, nicht Eure Macht, Genossen! Wäre es anders, so hätten sich die Besitzer des Dnjeprodserzhinsker Oblenergo sich niemals dafür entschlossen, die ganze Stadt ohne Wasser zu legen, auf Moral, Gewissen, Mitleid zum anderen spuckend. Und ihre Mitkameraden-Oligarchen, die nur einen winzigen Anteil der Bevölkerung der Ukraine ausmachen, hätten es nicht gewagt, Menschenjagd in ihrem Landgut zu veranstalten, ihnen Arbeit zu entziehen, Gehalt, Grundstücke, Wärme, medizinische Behandlung und Ausbildung für ihre Kinder. Wie denn dem grössten Kapital gelingt, seine Diktatur in den Verhältnissen politischer Demokratie zu sichern, während die Gewalt von allen Bürgern gewählt wird? Was veranlasst die Bedrückten, ihren Bedrückern die Stimme zu geben?
  • Erstens benutzen die Oligarchen zur Erhaltung ihrer Herrschaft ihre enormen finanziellen Ressourcen, die unvergleichbar sind mit denen, über die ihre politischen Gegner – Anhänger des Sozialismus – verfügen.
  • Zweitens hat das grosse Kapital das Fernsehen monopolisiert. Politische Bearbeitung des Volkes durch Masseninformationsmittel ist heute zu einer der wirksamsten (und brutalsten) Formen der Vergewaltigung der Persönlichkeit geworden. Sie ist so effektiv, dass andere Formen von Gewalt für eine bestimmte Zeit einfach nicht nötig sind, während die Bourgeoisie Möglichkeiten bekommt, auch weiter über ihre Demokratie zu quatschen.
  • Drittens ist im Arsenal des oligarchischen Regimes Jahrhunderte lang erprobtes Werkzeug zur Machterhaltung drin, wie das Zwei-Partei-System. Es wird den Bürgern angeboten, eine der beiden oligarchischen Gruppierungen –frei– zu wählen, bei denen sich selbst mit einem elektronischen Mikroskop keine Unterschiede werden feststellen lassen. Die sonstigen politischen Kräfte werden für –nicht gangbar» erklärt. Na nun mögen mal diejenigen, die die Diktatur des grossen Kapitals stürzen wollen, versuchen, unter solchen Verhältnissen bei den Wahlen zu gewinnen!
  • Viertens geben die durch den Bourgeoisie-Staat aufgestellten Spielregeln den Oligarchen einen –Versicherungsschein– für den Fall, dass ihre politischen Gegner dennoch einmal siegreich werden sollten. Es handelt sich ums Prinzip der Aufteilung der Macht, welches nahezu zur Hauptgrundlage der Demokratie erklärt wurde. Dem zufolge kontrollieren einige Arten von Gewalt – exekutive Gewalt, Gesetzgebung und Gerichtswesen – sich gegenseitig. Um es genauer zum Ausdruck zu bringen, sie passen stets wachsam aufeinander auf, ihre Möglichkeiten in der Ausführung der eigenen Funktionen sowie Befugnisse gegenseitig einschränkend. Ein solch verwickelter Klumpen heisst –System von Gegengewichten–, welches die Gesellschaft angeblich vor Usurpation der Gewalt durch einen ihrer Zweige beschützt. Anscheinend alles logisch… Aber wollen wir uns doch mal selbst fragen: Was passiert, wenn Sie einen Präsidenten wählen, der für Sozialismus auftritt? Die Antwort ist doch offensichtlich: Das Bourgeoisie-Parlament wird ihn auf allerlei Weise stören, sein Programm zu erfüllen. Wenn die meisten Abgeordneten gegen den Kapitalismus eingestellt sein werden, dann wird bereits das Landesoberhaupt zum Hindernis. Doch wenn die Linken es schaffen, gleichzeitig bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen zu gewinnen, dann wird das Gerichtswesen noch im Vorrat bleiben, welches in seiner Natur schon zum Schutz der geltenden Gesetzgebung da ist. Und daher auch zum Schutz der existierenden gesellschaftlichen Einrichtung.
  • Fünftens wird das grosse Kapital immer bereit sein, zu einer direkten offenen politischen Diktatur zu wechseln in dem Falle, wenn alle Mechanismen des Selbstschutzes einmal fehlschlagen werden. Historische Erfahrung belehrt uns: Ausbeuter hören auf, Demokratie zu spielen, in der Regel in dem Ausgenblick, wenn eine reale Drohung für ihre Herrschaft entsteht.

Das oben Gesagte bedeutet keineswegs, dass oligarchisches Regime auf friedliche Weise nicht von der Macht weggeräumt werden kann. Mehr als das, unter den Bedingungen der jetzigen wirtschaftlichen Krise steigt eine solche Möglichkeit sogar. Allzu deutlich zeigt der kapitalistische Aufbau seine schrille Unfähigkeit, jene Probleme zu bewältigen, die er selbst ausgelöst hat.
Aber die Wahlen gewinnen und, was noch schwerer ist, an der Macht bleiben, ohne mit den eigenen Programmprinzipien zurückzutreten, können Sozialismusanhänger (es sind die meisten Bürger der Ukraine) nur, wenn vier obligatorische Bedingungen eingehalten werden. Und dies hängt von Ihnen ab, Genossen!
1. Bedingung – Sie sollten aufhören, Ausbeutern und deren Vertretern in der Politik zu vertrauen, die sie bereits mehrmals betrogen haben. Es wird Zeit zu verstehen: Durch ihre Verordnungen und bescheidenen Gaben wird für Arbeitende ein Weg in die Hölle verlegt.
2. Bedingung – Es ist notwendig, die eigene Kraft zu erkennen und wahrzunehmen. Bedrückte sind unvergleichbar in Mehrheit als Bedrücker. Aus Ihren Söhnen, Brüdern und Ehemeännern wird die Armee und die Miliz gebildet, die niemals den Arm gegen das eigene Volk erheben werden. Hinter Ihnen steht die Wahrheit, und sie ist immer stärker als jede Lüge!
3. Bedingung – Arbeitende sollten sich vereinen. Ein Arbeiter hat nichts zu teilen mit einem Bauer, mittelständischen Unternehmer – mit einem Intelligenten, Rentner – mit Studenten. Wir haben gemeinsame Ziele, eine gemeinsame Zukunft und einen gemeinsamen Feind.
4. Bedingung – Es ist notwendig, insofern es möglich ist, seine Vertreter in der Politik zu unterstützen, die für Sozialismus auftreten. Und nicht nur neben den Wahlurnen, sondern auch vor und nach den Wahlen. Dann werden die Oligarchen nicht nur über Manipilationen mit dem öffentlichen Bewusstsein und Organisation von Sabotagen im Falle ihrer Niederlage denken müssen, sondern auch daran, wie sie sich bequem vor fliegenden Steinen zu beschützen haben, die gerade in dem Augenblick auf sie fiegen werden, wenn das Volk einen geringsten Verdacht haben wird, dass sie versuchen, jemand zu manipulieren und etwas zu sabotieren.
Und wenn diese Bedingungen erfüllt sein werden, dann wird sehr bald der Tag kommen, an dem wir gemeinsam einen Staat errichten werden, in dem die Mehrheit auf einem demokratischen Wege ihren Willen an die nichtige Minderheit erklären wird, und nicht umgekehrt wie heute. Das ist die wahre Volkesmacht, bei der Geschehnisse gleich wie in Dnjeprodserzhinsk unmöglich sind.

Petr Simonenko

Quelle/Original: Газета коммунист: Буржуазная демократия – форма диктатуры крупного капитала (26.3.2010) | Übersetzung: kommunisten.ch (Vladimir Maznyak)

Wie denn dem grössten Kapital gelingt, seine Diktatur in den Verhältnissen politischer Demokratie zu sichern, während die Gewalt von allen Bürgern gewählt wird? Was veranlasst die Bedrückten, ihren Bedrückern die Stimme zu geben?

  • Erstens benutzen die Oligarchen zur Erhaltung ihrer Herrschaft ihre enormen finanziellen Ressourcen, die unvergleichbar sind mit denen, über die ihre politischen Gegner – Anhänger des Sozialismus – verfügen.
  • Zweitens hat das groÖe Kapital das Fernsehen monopolisiert. Politische Bearbeitung des Volkes durch Masseninformationsmittel ist heute zu einer der wirksamsten (und brutalsten) Formen der Vergewaltigung der Persönlichkeit geworden. Sie ist so effektiv, daÖ andere Formen von Gewalt für eine bestimmte Zeit einfach nicht nötig sind, während die Bourgeoisie Möglichkeiten bekommt, auch weiter über ihre Demokratie zu quatschen.
  • Drittens ist im Arsenal des oligarchischen Regimes Jahrhunderte lang erprobtes Werkzeug zur Machterhaltung drin, wie das Zwei-Partei-System. Es wird den Bürgern angeboten, eine der beiden oligarchischen Gruppierungen –frei– zu wählen, bei denen sich selbst mit einem elektronischen Mikroskop keine Unterschiede werden feststellen lassen. Die sonstigen politischen Kräfte werden für –nicht gangbar» erklärt. Na nun mögen mal diejenigen, die die Diktatur des groÖen Kapitals stürzen wollen, versuchen, unter solchen Verhältnissen bei den Wahlen zu gewinnen!
  • Viertens geben die durch den Bourgeoisie-Staat aufgestellten Spielregeln den Oligarchen einen –Versicherungsschein– für den Fall, daÖ ihre politischen Gegner dennoch einmal siegreich werden sollten. Es handelt sich ums Prinzip der Aufteilung der Macht, welches nahezu zur Hauptgrundlage der Demokratie erklärt wurde. Dem zufolge kontrollieren einige Arten von Gewalt – exekutive Gewalt, Gesetzgebung und Gerichtswesen – sich gegenseitig. Um es genauer zum Ausdruck zu bringen, sie passen stets wachsam aufeinander auf, ihre Möglichkeiten in der Ausführung der eigenen Funktionen sowie Befugnisse gegenseitig einschränkend. Ein solch verwickelter Klumpen heiÖt –System von Gegengewichten–, welches die Gesellschaft angeblich vor Usurpation der Gewalt durch einen ihrer Zweige beschützt. Anscheinend alles logisch… Aber wollen wir uns doch mal selbst fragen: Was passiert, wenn Sie einen Präsidenten wählen, der für Sozialismus auftritt? Die Antwort ist doch offensichtlich: Das Bourgeoisie-Parlament wird ihn auf allerlei Weise stören, sein Programm zu erfüllen. Wenn die meisten Abgeordneten gegen den Kapitalismus eingestellt sein werden, dann wird bereits das Landesoberhaupt zum Hindernis. Doch wenn die Linken es schaffen, gleichzeitig bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen zu gewinnen, dann wird das Gerichtswesen noch im Vorrat bleiben, welches in seiner Natur schon zum Schutz der geltenden Gesetzgebung da ist. Und daher auch zum Schutz der existierenden gesellschaftlichen Einrichtung.
  • Fünftens wird das groÖe Kapital immer bereit sein, zu einer direkten offenen politischen Diktatur zu wechseln in dem Falle, wenn alle Mechanismen des Selbstschutzes einmal fehlschlagen werden. Historische Erfahrung belehrt uns: Ausbeuter hören auf, Demokratie zu spielen, in der Regel in dem Ausgenblick, wenn eine reale Drohung für ihre Herrschaft entsteht.

Das oben Gesagte bedeutet keineswegs, dass oligarchisches Regime auf friedliche Weise nicht von der Macht weggeräumt werden kann. Mehr als das, unter den Bedingungen der jetzigen wirtschaftlichen Krise steigt eine solche Möglichkeit sogar. Allzu deutlich zeigt der kapitalistische Aufbau seine schrille Unfähigkeit, jene Probleme zu bewältigen, die er selbst ausgelöst hat.

Aber die Wahlen gewinnen und, was noch schwerer ist, an der Macht bleiben, ohne mit den eigenen Programmprinzipien zurückzutreten, können Sozialismusanhänger (es sind die meisten Bürger der Ukraine) nur, wenn vier obligatorische Bedingungen eingehalten werden. Und dies hängt von Ihnen ab, Genossen!

1. Bedingung – Sie sollten aufhören, Ausbeutern und deren Vertretern in der Politik zu vertrauen, die sie bereits mehrmals betrogen haben. Es wird Zeit zu verstehen: Durch ihre Verordnungen und bescheidenen Gaben wird für Arbeitende ein Weg in die Hölle verlegt.

2. Bedingung – Es ist notwendig, die eigene Kraft zu erkennen und wahrzunehmen. Bedrückte sind unvergleichbar in Mehrheit als Bedrücker. Aus Ihren Söhnen, Brüdern und Ehemeännern wird die Armee und die Miliz gebildet, die niemals den Arm gegen das eigene Volk erheben werden. Hinter Ihnen steht die Wahrheit, und sie ist immer stärker als jede Lüge!

3. Bedingung – Arbeitende sollten sich vereinen. Ein Arbeiter hat nichts zu teilen mit einem Bauer, mittelständischen Unternehmer – mit einem Intelligenten, Rentner – mit Studenten. Wir haben gemeinsame Ziele, eine gemeinsame Zukunft und einen gemeinsamen Feind.

4. Bedingung – Es ist notwendig, insofern es möglich ist, seine Vertreter in der Politik zu unterstützen, die für Sozialismus auftreten. Und nicht nur neben den Wahlurnen, sondern auch vor und nach den Wahlen. Dann werden die Oligarchen nicht nur über Manipilationen mit dem öffentlichen Bewusstsein und Organisation von Sabotagen im Falle ihrer Niederlage denken müssen, sondern auch daran, wie sie sich bequem vor fliegenden Steinen zu beschützen haben, die gerade in dem Augenblick auf sie fiegen werden, wenn das Volk einen geringsten Verdacht haben wird, das sie versuchen, jemand zu manipulieren und etwas zu sabotieren.

Und wenn diese Bedingungen erfüllt sein werden, dann wird sehr bald der Tag kommen, an dem wir gemeinsam einen Staat errichten werden, in dem die Mehrheit auf einem demokratischen Wege ihren Willen an die nichtige Minderheit erklären wird, und nicht umgekehrt wie heute. Das ist die wahre Volkesmacht, bei der Geschehnisse gleich wie in Dnjeprodserzhinsk unmöglich sind.

Petr Simonenko

Quelle/Original: Газета коммунист: Буржуазная демократия – форма диктатуры крупного капитала (26.3.2010)

Übersetzung: kommunisten.ch (Vladimir Maznyak)


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