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Fischer, Bauern und Gewerbe stöhnen unter Treibstoffpreisen

Nachdem die Streikbewegung der französischen Fischer sich den atlantischen und mediterranen Gestanden entlang bis Ende Mai auf Portugal, Spanien und Italien fortgepflanzt hat, verallgemeinern sich nun die Streiks in den hauptbetroffenen Zweigen. Auch Lastwagenchauffeure, Taxifahrer und Bauern mobilisieren jetzt in verschiedenen Ländern gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise. Die von der Erhöhung der Ölpreise am meisten betroffenen Betriebe wehren sich gegen die Preisdiktate der Erdölgesellschaften. Die Händler verkaufen heute ihre zu wesentlich tieferen Preisen eingekauften Vorräte mit gigantischen Spekulationsgewinnen weiter. Damit schinden sie viele Milliarden von Extraprofiten zulasten der gesamten übrigen Gesellschaft. Die von den Ölpreisen besonders abhängigen Produzenten und die Betriebe des Transportwesens verlangen nun mehr staatliche Rücksichtnahme auf ihre Probleme und Schutz gegen die finanzkapitalistische Spekulation mit Treibstoffen (Benzin und Diesel).

Die EU hat kein Gehör für die Beschwerden der Fischer

Die Fischer werden vom Preisanstieg besonders brutal getroffen. Der Dieseltreibstoff für die Schifffahrt ist gemäss Zahlen der EU seit 2004 um 240 Prozent angestiegen. In Brüssel herrscht die Ansicht, es brauche eine Strukturänderung, um die Fischerei langfristig überlebensfähig zu machen. Einige grosse Haie wollen das Geschäft unter sich aufteilen. Dass dabei viele Zehntausende von Fischerfamilien ruiniert werden, macht der EU keine Bauchschmerzen. Es macht den Anschein, als erblickten die Konzerne des transnationalen Grosskapitals in der Fischereikrise eine willkommene Gelegenheit, um die Konkurrenz der kleineren Flotten auszuschalten und um die Gesamtzahl der Fischer und ihren Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung zu verringern. In Brüssel wurden die Delegationen der Fischer aus mehreren EU-Ländern an einer Manifestation gehindert und brutal auseinandergetrieben. In Portugal bleiben seit einer Woche viele Tausende von Fischerbooten an Land, um Garantien für ihre Arbeitsplätze und Löhne zu verlangen. Schon lange liegt die Fischerei hier darnieder. Der Speisezettel der Portugiesen weist zwar einen einmalig hohen Anteil an Meerestieren auf. “Helden zur See, edles Volk” so besingt sich die alte Seefahrernation. Aber die von oben diktierten Produktionsbedingungen sind so schlecht, dass auch der “Bacalhão” immer öfter aus Importware gekocht werden muss.

In verschiedenen Regionen Frankreichs bauten die Chauffeure, Taxifahrer und Bauern gemeinsame Barrikaden auf. So wurden die Zugänge zur Raffinerie der Total in La Mède bei Marseille am Sonntag durch Dutzende von Camions blockiert, denen sich am Montag Hunderte von Taxis anschlossen. In vielen Städten legten die Chauffeure den Verkehr lahm, indem sie im Bummeltempo an Verkehrsknotenpunkten vorbei kreuzten und die Wege zu den Flughäfen versperrten. Bei Sète setzte die Polizei Tränengas ein, um den Zugang zu einem nahe der Eisenbahn gelegenen Depot von Manifestanten zu räumen. Danach kam es tagelang zu Blockaden des Schienenverkehrs durch die Bevölkerung der Umgebung, so dass der TGV und der Regionalverkehr unterbrochen wurden. London stand am Samstag ganz im Zeichen der Proteste, die schon die ganze Vorwoche an verschiedenen Punkten aufgeflackert waren. Kilometerlange Schlangen von Lastwagen und Traktoren prägten das Bild der britischen Hauptstadt. Mehrere Streiks und Aktionen sind in den kommenden Tagen in Spanien und Irland angesagt.

Verschiedene politische und ökonomische (inklusive ökologische) Variablen haben sich tiefgreifend geändert

Seit 2006 haben sich die internationalen Spannungen noch einmal deutlich verschärft. Die NATO hat ihr Kesseltreiben gegen souveräne Staaten intensiviert und umkreist Russland, China, Indien, Iran, Venezuela mit Militärstützpunkten und Aufmarschgebieten, die in den meisten Fällen gegen den Widerstand der Völker errichtet werden, die mit den genannten Nachbarstaaten in Frieden und Freundschaft verkehren möchten.

In den gleichen Zeitraum fielen nacheinander die Hypothekenkrise, die Vervielfachung der Weltmarktpreise für einige der unerlässlichsten und für jede Produktion grundlegenden Rohstoffe, und dann auch noch die Zuspitzung der Nahrungsmittel- und Hungerkrise. Dies sind nur die Anfänge einer Reihe von Vulkanausbrüchen aus dem brodelnden Kessel der kapitalistischen Widersprüche. Der heutige Kapitalismus hat ein Fäulnisstadium erreicht, das sich unter anderem darin zeigt, dass die politischen Konzepte, juristischen Vorschriften und übrigen Produktionsbedingungen sich zusehends in eine Bremse der Produktion verwandeln. Schon vor Hundert Jahren wurden Fälle bekannt, bei denen die Aufnahme der Produktion von nützlichen Dingen in Warenform wegen egoistischen Interessen von Kapitalisten verhindert wurde. Es kam vor, dass Patente aufgekauft wurden, nicht um eine Erfindung zu vermarkten, sondern um sie aus dem Verkehr zu ziehen, damit die Verbraucher weiterhin das schlechtere Produkt kaufen. Man denke im einfachsten Fall an Strümpfe mit Fallmaschen und solche ohne. Aber heute hat dieser Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Produktionsinteresse und dem Interesse finanzkräftiger Spekulantengruppen an der Nichtproduktion dramatische Züge angenommen. Besonders betroffen und gebremst wird die Produktion der Waren zur Befriedigung der völkerrechtlich anerkannten und elementaren Bedürfnisse aller Menschen.

Den Generalstäben der finanzkapitalistischen Konzerne, die ihr Geld in das Geschäft mit dem Hunger investiert haben, ist natürlich auch jeder ans Land gezogene Fisch zuwider, den ein Fischer auf sein trockenes Brot legen könnte. Sie betrachten Land, Meer und Himmel als Jagdreservate ihrer schmalen Klasse. Die Souveränität eines Landes über seine Lebensmittel und die lokalen Strukturen der Selbstversorgung sind den Hungerschiebern ein Dorn im Auge. Sie wollen, dass kein Bissen auf der Welt getan wird, an dem sie nicht ihren politischen und ökonomischen Vorteil und Tribut haben. Diese Politik unter anderem mit grauenhaften Wirtschaftskriegen und verbrecherischen Blockaden geführt. Der Hungerwaffe reiht sich heute unter die bedrohlichsten Massenvernichtungswaffen im Arsenal der Imperialisten. Eine bekannte Taktik besteht darin, ein Land auszuhungern und dessen Regierung anschliessend für die katastrophale Lage der Bevölkerung verantwortlich zu machen, um Zwietracht und Bürgerkriege zu entfachen. Neuerdings erleben wir eine raffinierte Variante in der Form, dass gleichzeitig zur Aushungerung die Hilfe der Peiniger angeboten wird. Mit Geheimdienstleuten durchsetzte “Hilfsorganisationen” werden vorgeschickt, um den Hungrigen mit jedem Löffel Suppe den Unfrieden einzulöffeln und Netzwerke aus zusammengekauften Verrätern zu knüpfen.

Agrarreform und Ernährungsfrage

An der Tagung der Welternährungs-Organisation (FAO) haben sich Brasilien, Chile und andere Länder gegen staatliche Unterstützung der Landwirtschaft in Europa ausgesprochen. Sie beklagen sich, dass die Politik der Europäer den wirtschaftlich schwächeren Agrarländern den Zugang zu den europäischen Märkten übermässig erschwert. Ähnliche Beschwerden wurden schon vor Jahren vorgebracht. Dabei fehlte nicht der Hinweis auf die überproportionalen Anteile, mit welchen die Treibstoffkosten in die Produktionskosten in einem ärmeren Land einfliessen. Mittlerweile beschweren sich die Bauern auch in Europa über solche Kostenstrukturen. Die Explosion der Energiepreise und die davon verursachten Teuerungen drücken besonders auf den arbeitenden Klassen, die schon seit Jahren an einem nicht enden wollenden Einbruch ihrer Kaufkraft leiden.

Auch in der Schweiz haben bürgerliche Parteien und Verbände vorgeschlagen, die Brenn- und Treibstoffe steuerlich zu entlasten. Diese Vorschläge verdienen eine unvoreingenommene und allseitige Prüfung. Es ist möglich, dass eine gestern für gut befundene Lösung heute ganz andere Wirkungen hat als die vorgesehenen. In Kombination mit einem mehrfach erhöhten Treibstoffpreis und in Wechselwirkung mit den hochspekulativen Elementen im ganzen Preisgefüge der Weltmärkte steigt die Wahrscheinlichkeit sogar, dass neue Zusammenhänge, Mechanismen oder Dynamiken hervortreten, darunter solche, die den geplanten Wirkungen einer Lösung gesetzmässig entgegenarbeiten und sich in der neuen Lage etwa als extrem schädlich herausstellen könnten.

Nicht wenige Schweizer kritisieren den Kapitalismus, weil er angeblich zu produktiv sei. Nationalrat Zisyadis ging bei seinem Versuch, der Partei der Arbeit eine Selbstauflösung schmackhaft zu machen, sogar so weit, dass er den PdA-Genossen vorschlug, sich innerhalb einer Linkspartei speziell um die Pflege einer “anti-produktivistischen Vision” zu kümmern. Offenbar lebt Zisyadis auf dem Mars. Wer sich auf der Erde umblickt, stellt fest, dass der Kapitalismus die Entfaltung der Produktivkräfte millionenfach fesselt, stört und hintertreibt. Energie und Nahrung müssen dem Kapital als Spekulationsfelder entzogen und wieder zu Feldern der Produktion im Dienst der Gesellschaft gemacht werden. Diese alte Forderung ist wirtschaftlich schon lange reif. Ihre Dringlichkeit bemisst sich in erschreckenden Zunahmen der bittersten Not auf der Welt.

Spekulationsgewinne abschöpfen

Die ernsthafte Linke täte gut daran, sich mit diesen Dingen gründlich zu befassen und ein Agrarprogramm auszuarbeiten. Falls sie dazu nicht in der Lage ist, entsteht eine gewisse Gefahr, dass die von rechts vorgeschlagenen Lösungsansätze unbeschaut und mitsamt aller neoliberalen Schmuggelware durchkommen. Diese Gefahr kann dann entstehen, wenn die bürgerlichen Vorschläge reflexartig abgelehnt werden, ohne dass der materielle Boden ihrer Berechtigung wirklich geprüft wird. Zu fordern sind insbesondere dringliche Massnahmen zur Abschöpfung der gigantischen Spekulationsgewinne. Damit würden sich auch die nötigen Mittel finden, um die Hilfe an die notleidenden Wirtschaftszweige zu finanzieren. (mh,6.6.08)

Zur Rohstoffkrise, Hungerkrise und Explosion der Lebensmittelpreise siehe auch:

Zur Finanzkrise