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Die Schweizer Wirtschaft auf die Probe gestellt von COVID-19: es gibt mehr zu tun!

Resolution der Leitung der Kommunistischen Partei vom 1. April 2020

Die vom Bundesrat an seiner Sitzung vom 20. März 2020 verabschiedeten Massnahmen zur Bewältigung der von COVID-19 hervorgerufenen Gesundheitskrise erregten von Anfang an die Aufmerksamkeit der Kommunistischen Partei, die entschlossen ist, ihren Beitrag zur Bewältigung des Notfalls im Interesse der Arbeiter und Volksklassen im ganzen Land zu leisten. Die absolute Priorität des Handelns der Institutionen muss in diesem Moment beim Schutz der Arbeitnehmer liegen: vor allem ist es notwendig, ihre Gesundheit, Löhne, Rechte, Arbeitsplätze und Lebensbedingungen sicherzustellen. In diesem Sinne ist die Entscheidung der Regierung, Unternehmen und Baustellen offen zu halten, absolut unverständlich, da es in den allermeisten Fällen unmöglich ist, angemessene und verstärkte Massnahmen in Bezug auf Hygiene, Sicherheit und soziale Distanz zu gewährleisten: Die Gesundheit der Bürger muss vor die Produktivität und Profite der Privatwirtschaft gestellt werden! In dieser Hinsicht unterstützen wir nachdrücklich das Vorgehen des Tessiner Staatsrates, der jede nicht wesentliche produktive Tätigkeit eingestellt hat, und fordern den Bundesrat auf, diese Massnahme so bald wie möglich auf das gesamte Staatsgebiet auszudehnen. Darüber hinaus halten wir es für entscheidend, die Massnahmen zur Unterstützung der Einkommen und des Konsums jener Volksschichten zu stärken, die – nur teilweise von der Regierung des Bundes unterstützt – bereits heute von Lohnkürzungen, Entlassungen und wachsender wirtschaftlicher Unsicherheit betroffen sind: Arbeitsplätze, Löhne und tägliche Ausgaben der Arbeiter müssen vom Staat sichergestellt werden!

In Absprache mit dem Finanzplatz und dem Schweizer Patronat hat die eidgenössische Regierung beschlossen, sich auf die Bereitstellung von Liquidität für Unternehmen zu konzentrieren, die bereits jetzt mit einem Rückgang der Bestellungen konfrontiert sind und häufig Schwierigkeiten haben, den Anforderungen von Lieferanten und Gläubigern zu entsprechen. Angesichts des hohen Risikos der Schliessung vieler Unternehmen und der damit verbundenen Schwächung des nationalen Produktionsgefüges unterstützt die Kommunistische Partei diese Massnahmen, die wir jedoch als weitgehend unzureichend und in ihrer Richtung immer noch zu vage betrachten. Die vom Bundesrat zur Verfügung gestellten 40 Milliarden Franken werden nicht ausreichen, um die globale Rezession zu überwinden, mit der die Schweizer Wirtschaft in den kommenden Monaten ob sie will oder nicht konfrontiert sein wird: für unabdingbar halten wir daher eine stärkere Unterstützung der Schweizer Unternehmen (mit besonderer Aufmerksamkeit für die zerbrechlicheren Realitäten, in erster Linie der KMU und der selbständigen Arbeiter), den Ausbau der dem Staat zur Verfügung stehenden Instrumente der Wirtschaftsplanung (vor allem der bereits bestehenden) und die Stärkung der öffentlichen Kontrolle über strategische Sektoren der Volkswirtschaft, angefangen bei der Gesundheit. Das Überleben der Schweizer Industrie (und also der damit verbundenen Arbeitsplätze), die wirtschaftliche Versorgung des Landes und die Beseitigung des Gesundheitsnotstands erfordern ein massives öffentliches Eingreifen, das nicht auf “Pflästerchen” wie den Einsatz von Bürgschaften und Kurzarbeitsentschädigungen beschränkt werden kann (obwohl in dieser ersten Phase der Krise unverzichtbar). Die Entscheidung, auch Privatbanken anstatt nur Kantonalbanken einzuschalten, gibt überdies dem Finanzzentrum auch die Mittel, um von der schwierigen Krise, der zu begegnen wir uns anschicken, zu profitieren. Es ist sodann absolut inakzeptabel, derlei Hilfen ohne Kontrolle (wie es heute der Fall zu sein scheint) an alle Unternehmen zu geben, die dies beantragen: öffentliche Gelder können nicht dazu verwendet werden, Unternehmen zu füttern, die morgen mit der aktuelle Krise spekulieren, ihre Mitarbeiter entlassen und egoistisch ohne Rücksicht auf die Folgen ihres Handelns agieren könnten.

Aufgrund dieser Erwägungen formuliert die Kommunistische Partei die folgenden Forderungen mit Sofortmassnahmen, um den unmittelbaren Folgen der Krise zu begegnen.

1. Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer und des Betriebsbereitschaft der wesentlichen Sektoren

Sperrung aller nicht wesentlichen Produktionsaktivitäten im gesamten Staatsgebiet; Kontrolle der Arbeitnehmer selber über die Sicherheitsbedingungen in den noch aktiven Sektoren durch eine verbindliche Einbeziehung der Personalkommissionen und der Branchengewerkschaften; Lohnbonus für alle im Gesundheitssektor und weiteren wesentlichen Sektoren beschäftigten Arbeitnehmer.

2. Verteidigung der Arbeitsplätze

Kündigungsverbot für die gesamte Dauer der Krise; Verpflichtung, für alle Arbeitnehmer, die von der Blockierung der Produktionstätigkeit betroffen sind, auf Kurzarbeitsentschädigung bei gleichem Lohn zurückzugreifen; Erhöhung des Erwerbsersatzes für Selbständige auf 100% des Verdienstausfalls.

3. Gewährleistung der Arbeitnehmerrechte

Verbot der Anordnung von Urlaub und Ferien während der gesamten Krisenzeit (Arbeitnehmer müssen von der Kurzarbeitsentschädigung profitieren); Aussetzung der Anrechnung der bezogenen Arbeitslosentaggelder auf die Höchstzahl während der gesamten Dauer der Krise; Verpflichtung, auch für Leiharbeiter, Aushilfen und Stundenlöhner auf Kurzarbeit zurückzugreifen.

4. Schutz der Mieter und des Rechts auf Wohnraum

Verbot von Räumungen während der gesamten Dauer der Krise; Verlängerung der Fristen für die Anfechtung von Mieterhöhungen; Verbot der Kündigung von Mietverträgen für Handwerker und Kleinhändler; Einführung eines Unterstützungsbeitrags für die Zahlung von auswärtigen Studentenmieten; Recht auf Beschlagnahme leerstehender Immobilien und vorübergehende Nutzung von Hotels zur Unterbringung von Obdachlosen und Grenzgängern, die in wesentlichen Sektoren tätig sind (gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung).

5. Stärkung der Einkommensunterstützung für die unteren Schichten

Ausweitung der Kriterien für den Zugang zu Prämienverbilligungen für die Krankenkasse und Beschleunigung ihrer Auszahlung; vollständige Rückerstattung aller Dauerkarten für den öffentlichen Verkehr für die Krisenzeit; Verbot der Sperrung der Versorgung mit Strom, Trinkwasser, Internetanschluss, Fernseh- und Telefonabonnements; Definition eines Korbs von Nahrungsmitteln und Gütern des Grundbedarfs, deren Kosten vom Preisaufseher für die gesamte Dauer der Krise festgesetzt und überwacht werden müssen; Gewährleistung der rechtzeitigen Durchführung der Verfahren von kantonalen Familien-Unterstützungsleistungen; Senkung der Kriterien für den Zugang zu einem Stipendium; volle Rückerstattung der Studiengebühren.

6. Stärkere öffentliche Unterstützung für KMU und Start-ups

Schaffung eines öffentlichen Fonds zur Unterstützung von KMU und Start-ups durch Gewährung von Zuschüssen oder Krediten mit negativen Zinsen, insbesondere für Unternehmen, die keinen Zugang zu den vom Bund gewährten Bürgschaften haben; der Staat soll sich einsetzen, um das Scheitern der zerbrechlichsten Geschäftsrealitäten zu vermeiden, allenfalls durch Prüfung einer Aktienbeteiligung.

7. Verbot der Spekulation mit der Krise

Verpflichtung zur Verwendung der vom Staat garantierten Liquidität für laufende Ausgaben (Löhne, Mieten, Lieferungen usw.); Verbot der Entlassung, des Erwerbs kleinerer Unternehmen und der Ausschüttung von Dividenden während der gesamten Dauer der Krise für Unternehmen, welche staatliche Unterstützung erhalten; Übertragung der Gewinne der Privatbanken aus vom Bund gewährten Bürgschaften an einen speziellen öffentlichen Unterstützungsfonds für KMU (siehe Punkt 6); öffentliche Aufsicht über die Verteilung staatlicher Beihilfen durch eine spezifische “Task Force” und im Hinblick auf die Intervention der Kantonalbanken; vorsorgliche Schliessung der Schweizer Börse, sofern spekulative Phänomene zum Nachteil der Realwirtschaft auftreten sollten.

8. Mobilisierung der gesamten Pharmaindustrie zum Kampf gegen COVID-19 unter staatlicher Kontrolle

Stop der Spekulation mit pharmazeutischer Forschung und Indienstnahme der privaten Laboratorien unter Koordination des Staates, um so schnell wie möglich einen Impfstoff und Medikamente herzustellen, die die Komplikationen der Infizierten verringern können. Beschlagnahmung und Umbau aller Anlagen, die für die Serienproduktion des durch den gesundheitlichen Notstand erforderlichen Sanitätsmaterials notwendig sind (Schutzmasken, Beatmungsgeräte usw.); Enteignung des Patents auf einen künftigen Impfstoff und staatliche und kostenlose Verteilung auf dem gesamten Staatsgebiet.

9. Auflage eines öffentlichen Plans zur Überwindung der Rezession und zum solideren Neustart

Die Wirtschaftskrise, die am Ende der Gesundheitskrise eintreten wird, wird lang sein und sollte uns nicht unvorbereitet treffen. Der Staat muss jetzt mit der Ausarbeitung eines strategischen Plans des Rezessionsmanagements beginnen und die aktuellen Budgetrestriktionen des Bundes und der Kantone zur Diskussion stellen (insbesondere Ausserkraftsetzung der im Tessin vorgesehenen “Schuldenbremse”), ebenso seine eigene Geldpolitik, wobei die Preiskontroll-, Wirtschaftsplanungs- und Beschaffungsstellen des Landes reorganisiert und gestärkt, die strategischen Sektoren ermittelt und (wieder) unter öffentliche Kontrolle gebracht, und Vorbereitungen für ein umfangreiches Investitionsprogramm zur Wiederbelebung der Volkswirtschaft getroffen werden sollen.




Original (ital.): L’economia svizzera alla prova del COVID-19: occorre fare di più! (Partito Comunista, 1º aprile 2020) | Übersetzung: kommunisten.ch (03.04.2020).


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