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Eine andere Welt will erkämpft sein – Die Arbeiterklasse muss ihre Waffen schützen

Viele der Jüngeren haben noch wenig anderes von Politikern, Medien usw. zu hören gekriegt als solche Phrasen wie «nun müssen wir den Gürteln ein bisschen enger schnallen». Seit Jahrzehnten wird der Arbeiterklasse und den Lohnabhängigen noch ein Opfer und noch dieses abverlangt. Und immer finden sich Wirtschaftsprofessoren, welche die gefälligen Gutachten liefern. Mittlerweile sind ihre neoliberalen Theorien schon tief in unsere Schulbücher eingedrungen. Mit solchen Weisheiten ausgerüstet werden auch die jungen Leute. Im Fach Wirtschaft wird gebüffelt und abgefragt, wo diese gelehrten Herrschaften die Vorzüge der «freien Marktwirtschaft» gegenüber der «Planwirtschaft» erblickt haben wollen. Den Schülern wird auch eingepaukt, dass Höchstpreise oder Mindestlöhne von grossem Übel seien.

Nach all den Jahren der Opfer, Entbehrungen und Rücksichten stehen auch viele im mittleren Alter vor der Frage, ob sich alle Gürtelschnallerei gelohnt hat. Viele, die es in besseren Zeiten vermocht hatten, einige Anschaffungen zu machen, sind heute tief verschuldet. Viele beginnen sich auch zu fragen, was die defensive Haltung der Arbeiterklasse unter dem Strich eingebracht hat. Die Gürtel sind noch nicht eng genug, und es zeichnet sich keine Gürtelweite ab, an der sie eng genug sein werden. Hat der mangelnde Widerstand nicht vor allem eines zur Folge gehabt hat, nämlich umso unverschämtere Angriffen von Seiten der Kapitalisten nach sich gezogen? So wie die Plünderung des Volksvermögens zur Rettung der Banken.[1]

Warum konnte die neoliberale Offensive bedeutende Anfangserfolge erzielen?

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind sich die Angriffe auf die Arbeiterklasse pausenlos gefolgt. Sie kamen unerwartet und überraschend. Bei der Überrumpelung der werktätigen Klassen spielten selbstverständlich all jene zahlreichen Hilfskräfte der der Bourgeoisie eine Rolle, die in solchen Fällen niemals fehlen, weil sie sich den Betrug an der Arbeiterklasse zum Beruf gemacht haben, oder weil sie sich vom neu in den Sattel erhobenen Liberalismus blenden liessen.

Nicht nur die Arbeiter und Kleinbauern, die Lohnabhängigen und das Kleinbürgertum, auch die untere Bourgeoisie liess sich blenden. Das konnte auch nicht ausbleiben, denn es fehlte an einer Arbeiterpartei und Arbeiterorganisationen, die den Kampf hätten aufnehmen und anführen oder auch nur eine Lagebeurteilung vorzunehmen können. Der neoliberalen Trommel wurde nichts entgegengesetzt, ausser ein paar Flötentönen.

Der Widerstand erstarkt

Mittlerweile macht sich der Widerstand schon deutlich bemerkbar. Die Zahl der Teilnehmer an Protest- und Widerstandsaktionen aller Art nimmt zu. Die Einsicht in die Notwendigkeit von Veränderungen und die Entschlossenheit zu deren Durchsetzung steigt.

Das zeigte sich nicht nur an den millionenfachen Protesten gegen Bushs Kriege. Grandiose Manifestationen gab es in vielen Städten aller grösseren Länder Europas. Streiks in Bereichen, wo es einige kaum für möglich gehalten hätten. Grosse Call-Centers, Temporärangestellte und sogar illegale Einwanderer reihen sich in die Streikfronten.[2] Die britischen Gefängniswärter haben gestreikt, und zwar gegen die Labour-Gewerkschaftsbürokratie! Alle diese starken Zeichen der Bewegung in der Arbeiterklasse sind den kontrollierten Medien nicht der Rede wert.[3] Man erinnere sich demgegenüber, wie arbeiterfreundlich die gleichen Medien sich damals aufführten, als Lech Walesa ihr Held war. Schier kein Beichtgang in Polen, der nicht sofort zur Sache der Arbeiterbewegung erklärt wurde.

Der Widerstand hat einen tatsächlichen Grad erreicht, der die Offensive verlangsamt. An mehreren militärischen und anderen Fronten musste das Grosskapital empfindliche Rückschlage einstecken. Es gelingt ihm nicht, auch nur ein einziges Volk von der EU-Verfassung zu überzeugen, obwohl es an Drohversuchen nicht gefehlt hat.[4] In Lateinamerika ist die Handlungsfreiheit des US-Imperialismus eingeschränkt. Die Weltherrschaftsansprüche des imperialistischen Blocks (USA, EU) werden offen infrage gestellt. Ein Gegenblock von souveränen Ländern ist im Begriff zu entstehen. In den letzten Jahren hat sich das internationale Kräfteverhältnis wieder leicht zu Ungunsten des Imperialismus verschoben. Aber noch immer zu schwach, um den Fortgang der Offensive zu stoppen. Die Imperialisten machen nicht den Anschein, dass sie von ihren Plänen abrücken wollen, sie intensivieren den Kampf auf und ihre Verbissenheit und Brutalität wächst.[5] Sie stocken die Truppen auf, erweitern das Kriegstheater (Kaukasus, Pakistan usw.) und versuchen, die Ukraine und andere Länder einzubeziehen. Beide US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten haben zugesichert, die Politik der Eskalation von Spannungen fortzusetzen.[6]

Millionen von Familien allein in den EU-Ländern sind seit 1990 verarmt und viele davon sinken immer tiefer in das Elend. Nach amtlichen Berichten leben in der EU 19 Millionen Kinder in Armut.[7] Hungerlöhne, Verlängerung der Arbeitszeit und Verkürzung der Vertragsdauer bis hin zur Tagelöhnerei, unerschwingliche Gesundheitsdienste, nicht finanzierbare Ausbildung usw., das ist das Bild unseres Kontinents in diesen Zeiten. Neue Zumutungen stehen auch hierzulande bevor. Der bisherige Verlauf der neoliberalen Offensive bestätig eine alte Erfahrung der Arbeiterklasse und der Geschichte: Wer nicht kämpft, hat schon verloren und lässt den Gegner schon an den nächsten Streich denken. Wer kämpft und verliert, kann sich erholen und Kräfte für einen nächsten Kampf sammeln. Eine nicht geringe Befürchtung der Bourgeoisie geht dahin, dass die Arbeiter im Kampf allzu viel lernen und ihre Kampfmethoden verbessern könnten. Ihre Furcht ist wohlbegründet.

Eine andere Welt will erkämpft sein

Die Arbeiterklasse ist heute herausgefordert, um Dinge zu kämpfen, die sie bereits vor 100 Jahren erstritten hatte. Die unter dem Druck der Oktoberrevolution erkämpfte 48-Stundenwoche gerät, nicht zum ersten Mal, unter Druck. Die EU-Minister verlangen Arbeitszeiten von 65 Stunden, die sogar uns in der Schweiz erschrecken.[8] Auf dem Spiel steht auch das kollektive Arbeitsrecht.[9] Das Streikrecht und Recht zum gewerkschaftlichen Zusammenschluss sind die höchsten Errungenschaften der Arbeiterklasse (auf dem Boden des Kapitalismus). Diese Rechte bilden eine Grundlage oder einen Stützpunkt zur Eroberung und Verteidigung aller weiteren Rechte. Sie fördern das Lohndumping durch verschärfte Ausbeutung grösserer Gruppen von Arbeitern (zwangsverpflichtete Arbeitslose, Immigranten).[10]

Eine andere Welt will erkämpft sein. Vorbedingung für alle ferneren Schritte ist die erfolgreiche Abwehr der neoliberalen Offensive. Nach kampflosen Verlusten, verlustreichen Abwehrschlachten und Rückzugsgefechten stehen wir immer noch vor einem langwierigen Kampf. In jeder Schlacht, in jeder Phase und für den Gesamterfolg wird die Schärfe oder Stumpfheit der Waffen der Arbeiterklasse von erheblicher Bedeutung sein.
  • Man spricht ihr den Arbeitern das Recht ab, eine Klassenpartei zu bilden, während die Bourgeoisie gewöhnlich über ein halbes Dutzend verfügt.
  • Man versucht, die unerschöpflichen Fähigkeiten der Klassen, die Bedeutung von Disziplin, Solidarität, Organisation usw. in Abrede zu stellen. Man versucht ihr die Waffe des Marxismus-Leninismus aus der Hand zu schlagen.
  • Man versucht ihr das Recht zum Streik wegzunehmen.

So entwaffnet, würde sich dann alles Weitere von selbst ergeben. Die Arbeiterklasse tut gut daran, ihre Waffen zu schützen!

(mh/20.10.08)

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Fussnoten

1 siehe dazu: Altpapier für 60 Milliarden?

2 Besonders eindrucksvolle Aufmärsche der Arbeiterklasse fanden in Griechenland und Portugal – mit durchwegs klar klassenkämpferischen Losungen – statt: Generalstreik in Portugal (2007); 250000 in Lissabon: es ist Zeit … (2008); Proteststreik in Griechenland (2008) .

3 Jorge Cadima: Klassenzensur

4 Irland: Nein, die Völker wollen diese EU nicht ; siehe auch: Französische EU-Präsidentschaft – Neue Gefahren

5 vgl. die systematische Brutalisierung der Methoden. Beispiele: Deutsche Polizisten bilden afghanische Folterer aus ; USA verwenden Schiffe als Gefängnisse ; ferner: Militarisierung der Hirnforschung ;

6 siehe schon 2006 nach der “Karikaturen-Krise”: PCP zur Verschärfung der internationalen Spannungen

7 Deutschland macht arm

8 EU will Arbeitszeiten bis 65 Wochenstunden

9 EU-Gerichtshof schleift das kollektive Arbeitsrecht

10 Zum Charakter der EU-Personenfreizügigkeit ; siehe auch: Ist ein Leben in Würde für alle finanzierbar?


Siehe auch:

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