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EU wie Habsburger – Doris Leuthards Ewige Richtung mit der Reaktion

In Windisch im Kanton Aargau hielt die christdemokratische Bundesrätin Doris Leuthard zu historischem Anlass eine Rede, worin sich die Landesregierung kurzerhand von einigen der ruhmvollsten Züge der Schweizergeschichte lossagt. Die Stammfeste der Dynastie der Habsburger war 1108 erstmals urkundlich erwähnt worden. Dreihundert auserlesene Gäste aus dem In- und Ausland, darunter auch EU-Botschafter Dr. Michael Reiterer, nahmen an der 900-Jahr-Feier bei der Habichtsburg teil und besuchten am Samstag auch die Klosterkirche Königsfelden, wo sie des Königs Albrecht I. von Habsburg gedachten, der daselbst anno 1308 von einem seiner Neffen umgebracht wurde. Das ursprünglich bloss gräflich beamtete Geschlecht verschaffte sich auch auf dem Umweg von Fälschungen höherbürtige Rechte bis zum Erzherzogtum und entwickelte sich in der Neuzeit zum Hauptversorger von europäischen Königsthronen mit reaktionären Monarchen.

Der Aargau stelle sozusagen die Stammlande Europas dar, führte der Landammann Beyeler als Vertreter eines Kantons aus, der sein Entstehen und seine Befreiung vom feudalen bernischen Joch der französischen Revolutionszeit verdankt und im 19. Jahrhundert zu den Kantonen gehörte, die entschieden gegen die Einflussnahme der Donaumonarchie auf die Schweiz ankämpften.

Auch die Bundesrätin, nächst dem versammelten fürstlichen Geblüt ranghöchste Anwesende, erkühnte sich zu einem Streifzug in die Geschichte, nachdem sie sich erfreut erklärt hatte, der “Königlichen Hochheit” und den übrigen Titularen die Glückwünsche des Bundesrates zu diesem ehrwürdigen Jubiläum überbringen zu dürfen. Die Habsburger und die Eidgenossen, die sich langezeit bekämpft und als Feindbilder kultiviert hätten, arbeiten laut der bundesrätlichen Rednerin heute “friedensstiftend im Balkan zusammen”. Österreich bezeichnete sie als “eines unserer wichtigsten Fenster zur EU”. Die Aargauer Bundesrätin nannte Habsburg “für uns und für kommende Politiker-Generationen … vorbildlich” und betonte, dass der habsburgische Geist im heutigen Vielvölker-Europa weiterlebt.

Der Botschafter der anderen Alpenrepublik, Hans Peter Manz, gab im Anschluss an die Worte der Ministerin die Erklärung ab, der Rückblick auf die Zeiten der Donaumonarchie sei in Österreich “von einem umstrittenen politischen zu einem kulturhistorischen Thema” geworden. Österreichs ganzes Staatsverständnis und dessen Unterschiede zum schweizerischen Staatsverständnis beruhen nach seiner Exzellenz von der tiefen Prägung, welche Österreich von den Habsburgern erhalten hat.

“Und von der wir Gott sei Dank verschont geblieben sind.” Eine solche Antwort wäre einer Schweizer Bundesrätin und Christdemokratin wohl angestanden.

Was aber die Bundesrätin als Sprecherin im Namen unserer alten Republik den Durchlauchten und dem Erzherzog Rudolph von Habsburg, der ebenfalls zugegen war, versicherte, waren ganz andere Worte. Sie schmeichelte dem Spross aus einer der reaktionärsten Dynastien der europäischen Neuzeit mit den Worten, dass der habsburgische Geist uns zum Vorbild in der heutigen EU weiterlebe. Diese Steilvorlage für ein Eigengoal in die patriotische Geschichte wusste der österreichische Botschafter zu nutzen und gab Leuthards Worten eine Interpretation und Fortsetzung in einem völlig reaktionären Licht. Manz münzte die Lobhudelei für Habsburg nunmehr ausdrücklich auf die “Donaumonarchie” des 19. Jahrhunderts um, also auf eine Zeit ,die geprägt von Metternichs Karlsbader Beschlüssen und der Rücknahme aller Versprechen, welche das Adelspack in bedrohlicher Stunde den Bauern und Bürgern gegeben hatte, um sie für den Kampf gegen die Franzosen zu gewinnen, auf die Zeit der blutigen Niederwerfung der Freiheitsbestrebungen des jungen Europa durch die Stiefel der deutschen Fürsten und des Zaren um 1848.

Frau Leuthard befand es offenbar nicht für nötig, sich von einer solchen geschichtlichen Deutung ihrer Worte, wie der vom österreichischen Redner gegebenen, zu distanzieren. Wer an dieser Stelle schweigt, stimmt zu, wie jedermann begreifen wird. Qui tacet consentire videtur, dies für jene Ohren, welche die Volkssprache nicht verstehen sollten.

Das diplomatische Gespräch hat den von keiner der Beteiligten widersprochenen Sinn, dass einige Jahrhunderte der Schweizer Geschichte falsch gelaufen seien, dass sehr viel Blut umsonst geflossen sei, nur weil unsere engstirnig demokratischen Hirtenvorfahren angeblich nicht kapiert hätten, was für grosse Visionen den Habsburger Herrschern von Gottes Gnaden schon damals eingegeben waren. Vielleicht meint Leuthard, die Eidgenossen verkannten die Genialität der Halsgerichtsordnung Karls V. Sie unterschätzten die christliche Wohltat der Hexenverfolgungen durch Philipp II. von Spanien und der Feldzüge seines Herzogs Alba, oder etwa gar die segensreiche Wirkung von Habsburgs Flagge, die den ameriikanischen Indios den Weg zur christlichen Mission auftat, derer sie so lange entbehren mussten und die sie doch insgeheim ersehnten, wie der Papst gewordene Ratzinger sagte.

Das Verhalten der Bundesrätin heisst insbesondere, dass sie es als einen Fehler der Eidgenossen ansieht, wenn sie sich mit dem Sonderbundskrieg von 1847 gegen die von Habsburg noch mehr als von Hohenzollern bedrohte Einigkeit der Schweiz gewehrt haben. Leuthard stellt sich und den Bundesrat auf die Seite der pfaffenhörigen Landesverräter von damals, welche den freiheitlichen Staat ersticken, die Schweiz spalten und an die ausländische und speziell die habsburgisch-katholische Reaktion verkaufen wollten.

Man kann Frau Leuthard keinesfalls den Vorwurf machen, dass sie gelogen habe. Im Gegenteil sei zugestanden, dass ihr Vergleich zwischen EU und Habsburg viel Wahres hat. Wir werden dankbar auf diesen bemerkenswerten Hinweis aus prominentem Munde der eidgenössischen Volkswirtschaftsministerin zurückgreifen.

Auch sei ohne weiteres zugegeben, dass einige durchaus fortschrittliche Züge in der Politik von Figuren wie eines Graf Rudolf, des ersten deutschen Königs aus diesem Geschlecht, zu erkennen sind. Aber seit über einem halben Jahrtausend begegnen uns die Habsburger in Dutzenden von Ländern Europas und der Welt als wichtigstes Bollwerk des feudalen Rückschritts. Dieselbe Rolle fällt heute in der Tat in zunehmendem Masse der Europäischen Union zu, welche sich militärisch, polizeilich usw. darauf rüstet und – genau wie die Feudalmächte – nichts von demokratischen und sozialen Rechten hält, welche dem Volk in der Not der revolutionären Jahrhunderte zugestanden worden sind. So wie der Wiener Hof und Fürst Metternich in der Restauration nach der Niederlage und Verbannung Napoleons eine bedeutende Rolle spielte, um demokratische Gelüste im Zaun zu halten, so wie sich damals Metternich, der Zarismus und die französischen Bourbonen in einer “Heiligen Allianz” gegen die Bürger verbündeten, so verschwören sich heute die finsteren Kapitalmächte in Brüssel gegen ihre Völker. Sie setzen eine neue EU-Verfassung, genannt “Vertrag von Lissabon” in Kraft, ohne dass die Völker dazu überhaupt befragt werden, denn sie wissen aus Erfahrung, dass die Bürger einer solchen Verfassung niemals zustimmen würden.

(25.05.08/mh)