kommunisten.ch

kommunisten.ch

Mühleberg abstellen – Neue Schlacht in einem alten Kampf

Ein alter Kampf

Schon in den 50er Jahren regte sich der Widerstand gegen Pläne des Bundesrates zur Atombewaffnung der Schweiz und damit gegen die Atomlobby und ihren wachsenden Einfluss im Land. Die Volksinitiative «für ein Verbot der Atomwaffen» wurde am 29. April 1959 von der Schweizerischen Bewegung gegen atomare Aufrüstung eingereicht und beantragte eine Ergänzung der Bundesverfassung mit folgender Bestimmung: «Herstellung, Einfuhr, Durchfuhr, Lagerung und Anwendung von Atomwaffen aller Art, wie ihrer integrierender Bestandteile, sind im Gebiet der Eidgenossenschaft verboten.» Als einzige Partei unterstützte die Partei der Arbeit (PdA) diese Initiative, die in der Volksabstimmung vom 1.4.1962 im Stimmenverhältnis 34.8% zu 65.2%Â vom Stimmvolk verworfen wurde. Vier Kantone (NE, GE, VD, TI) stimmten ihr zu, am eindeutigsten Neuenburg mit 71 Prozent Ja-Stimmen. In der Deutschschweiz wies Baselstadt mit 47% den höchsten Ja-Anteil auf. Eine Initiative der Sozialdemokratischen Partei, welche nur ein «Entscheidungsrecht des Volkes über die Ausrüstung der schweizerischen Armee mit Atomwaffen» in die Verfassung schreiben wollte, wurde am 26.05.1963 im Verhältnis von 37.8% Ja gegen 62.2% Nein verworfen. Ausser den oben genannten welschen Kantonen stimmte nun auch der Halbkanton Baselstadt zu. Sie vermochte allerdings nur 274’061 Ja-Stimmen zu mobilisieren, gegenüber 286’895 bei der vorjährigen Abstimmung über das Atomwaffenverbot. Die Stimmbeteiligung (bei der Verbotsinitiative 55,6%) fiel auf 48,8 Prozent. Der magere Erfolg dieses “gemässigten” Begehrens erklärte sich auch daraus, dass diese SP-Initiative als Mittel der rechten Parteiführer zur Bekämpfung der Atomwaffenverbots-Initiative angesehen wurde. Die SP-Initiative wirkte spalterisch und richtete sich gegen starke Sympathien in SP-Sektionen für die linke Verbotsinitiative und gegen die dort bestehende Bereitschaft, bei der Unterschriftensammlung und in der Abstimmungskampagne mit den Kommunisten und der Friedensbewegung zusammenzuarbeiten.

Am 18.02.1979 wurde über die Volksinitiative «zur Wahrung der Volksrechte und der Sicherheit beim Bau und Betrieb von Atomanlagen» abgestimmt. Im Ja-Lager standen PdA, SP, die “Progressiven Organisationen” (POCH) und der “Landesring der Unabhängigen” (LdU). Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) beschloss Stimmfreigabe. Das Volksbegehren wurde mit einem Ja-Anteil von 48,8 Prozent nur knapp verworfen. Achteinhalb Kantone stimmten zu. Eine Umfrage unmittelbar nach der Abstimmung hat gezeigt, dass rund 15 % der Nein-Stimmenden von der irrigen Meinung ausgingen, sie hätten damit gegen den Bau von Atomkraftwerken gestimmt. Der Anteil der auf Irrtum beruhenden Ja-Stimmen betrug demgegenüber bloss 4%.

Die Grünen, als Parteiorganisationen, die zu einem wesentlichen Teil aus dem Schoss der breiten Volksbewegung gegen die Atomkraftwerke hervorgegangen sind, waren also lange nicht die erste Partei, die sich gegen die wachsende Macht der Atomkonzerne zur Wehr setzte. Allen anderen voraus ging die Partei der Arbeit. Das ist kein Wunder, denn schon Marx verwies auf eine grundlegende Tatsache:

“Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.” (Das Kapital Bd. I, MEW 23, S. 529/530)


ANHANG (Dokumentauszüge, Bundesrat, 1961):

Die folgenden Zitate sind dem Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren für ein Verbot von Atomwaffen vom 7. Juli 1961 (BBl 1961 II 202 ff.) entnommen. Die Hervorhebungen sind von uns:

Allseitige Verniedlichung der Atombombe:

  • “Der radioaktive Staub kann durch die Atemorgane oder durch den Mund in das Körperinnere gelangen. Da manche dieser radioaktiven Elemente chemisch gleich oder ähnlich wie diejenigen der Aufbausubstanzen des menschlichen Organismus sind, werden sie in diesen eingebaut. Es sei hier nur an das radioaktive Jod (Schilddrüse), das radioaktive: Strontium (Knochen) und das radioaktive Caesium (Muskeln) erinnert. Gasmasken und Staubfilter sind die geeigneten Schutzmassnahmen. “ (S. 207)
  • “Infolge der starken Abnahme der Radioaktivität mit der Zeit kann die Wirkung sehr stark reduziert werden, wenn man sich in den ersten Stunden bis Tagen in Häusern, Kellern und Unterständen aufhält und anschliessend während einiger Zeit nur kurzfristig die Schutzräume verlässt.” (S. 207)
  • “Der radioaktive Staub kann in das Trinkwasser gelangen, so dass es unter Umständen nötig wird, Trinkwasserversorgungen zu sperren und das Wasser aus unverseuchten Quellen zu entnehmen, oder das verseuchte Wasser durch besondere Wasseraufbereitungsanlagen zu entgiften. Obschon die Verseuchung des Trinkwassers ein schwierig zu bewältigendes Problem darstellt, ist diese Gefahr weniger gross, als man allgemein annimmt. “ (S. 207)
  • “Diese Radioaktivität bedeutet unbestreitbar eine erhöhte Belastung des Menschen. Ihre Auswirkungen, namentlich im Hinblick auf die genetischen Schädigungen, müssen aber im allgemeinen Eahmen der natürlich vorhandenen Radioaktivität betrachtet werden. Jeder Mensch ist und war schon lange bevor eine Kernwaffe existierte, der Radioaktivität ausgesetzt. Diese stammt aus drei natürlichen Quellen : der kosmischen Strahlung, der Strahlung des Bodens und der Strahlung der natürlicherweise im Körper vorhandenen radioaktiven Substanzen sowie aus zusätzlichen Belastungen, wie Leuchtzifferblättern, Menschenansammlungen, röntgendiagnostischen Anwendungen. Von dieser Strahlungsbelastung, der der Mensch normalerweise ausgesetzt ist, wirkt nur ein Teil auf die Gonaden (Geschlechtszellen). Die genetische Belastung beträgt (nach Prof. Joyet, Zürich): Natürliche Strahlung: 110 mr/Jahr (auf Meereshöhe); Medizinische Belastung: 25 mr/Jahr; Leuchtzifferblätter: 7,5 mr/Jahr.” (S. 207)
  • “Demgegenüber beträgt z.B. die durch die rund 180 Versuchsexplosionen bis Ende 1960 verursachte genetische Strahlungsbelastung rund 1-5 mr/Jahr, tritt also weit hinter den anderen Strahlungsbelastungen zurück. Man kann indessen diese Verhältnisse, die durch die Versuchsexplosionen bewirkt werden, nicht mit denjenigen vergleichen, die in einem Atomkrieg auftreten. Es ist zu befürchten, dass die Strahlungsbelastung im letzteren Falle einen Umfang annähme, welcher zu genetischen Schädigungen führen müsste.” (S. 207)
  • “Aus all diesen Tatsachen ergibt sich eindeutig: Die mögliche zusätzliche Gefährdung, die der Einsatz eigener Atomwaffen für unsere Bevölkerung bedeuten würde, könnte gegenüber dem, was wir in einem Kernwaffenkriege – selbst wenn wir nicht im Kriege stehen – ohnehin in Kauf nehmen müssten, kaum massgeblich ins Gewicht fallen . Das Risiko, das dieses Kampfmittel mit sich bringt, kann in keiner Weise mit dem Risiko eines Verzichtes auf angemessene Bewaffnung verglichen werden. “ (S. 209)
  • Kleinere Kernwaffen werden gebaut, um kleinere militärische Ziele angreifen zu können, die auch näher bei der zu schonenden eigenen Truppe oder Zivilbevölkerung liegen. “ (S. 211)
  • “Es besteht begründete Aussicht darauf, dass die wissenschaftliche Forschung eine noch weitergehende Herabsetzung der radioaktiven Rückstände hervorbringen wird. Auch solche Kernwaffen sind allerdings bezüglich Radioaktivität nicht grundsätzlich ungefährlich , da bei einer Explosion in Bodennähe die starke Neutronenstrahlung die Erde radioaktiv induziert (sog. Neutroneninduzierte Radioaktivität). Wird sie aber mit hohem Sprengpunkt zur Explosion gebracht, können die Neutronenstrahlen nicht bis auf den Boden vordringen, und somit wird die radioaktive Gefahr gering. “ (S. 212)

Bundesrätliche Erwägungen zur Strategie und Militärdoktrin:

  • “Schliesslich ist die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit der Schweiz die Voraussetzung aller ihrer vielfältigen humanitären Bemühungen.” (S. 213)
  • “Die Tatsache, dass der mutmassliche Gegner Kernwaffen bereit zum Einsatz hat, kann einen potentiellen Angreifer davon abhalten, den Angriff auszulösen. Die Verteidigungskraft und die Fähigkeit, zurückzuschlagen, lassen das geplante Angriffsunternehmen als unrentabel erscheinen. Auf dieser These beruhen die gesamten Wehranstrengungen der GroÖmächte. Sie gilt aber auch für jeden Kleinstaat ungeachtet, ob er Partner eines militärischen Bündnisses ist, oder allein dasteht.” (S. 217)
  • “Die Kernwaffe, steigert die Abwehrkraft eines entschlossenen Verteidigers auf der Erde und in der Luft in einem bisher nicht gekannten Ausmasse. In den Jahrzehnten vor dem letzten Weltkrieg hat sich das Verhältnis zwischen den Möglichkeiten einer Grossmachtarmee und der Leistungsfähigkeit eines kleinen Heeres dauernd zugunsten der ersteren verschoben. Mit dem Aufkommen der Nuklearwaffe hat sich diese Entwicklung schlagartig geändert. Auch eine zahlenmässig bescheidene und nicht mit allen modernen Waffen ausgerüstete Armee kann dank der Atomwaffe, auch wenn es sich nur um taktische handeln sollte, in den Überlegungen potentieller Angreifer ein ausschlaggebender, Unrentabilitätsfaktor sein. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass ein Verzicht, der Schweiz auf Atomwaffen eventuelle Gegner davon abhalten würde, selbst Kernwaffen gegen uns einzusetzen.” (S. 217)
  • “Die Geschichte lehrt, dass allein die Kraft und der Wille zur Verteidigung respektiert werden und jedes Nachlassen oder gar Aufgeben der Wehranstrengungen als Schwäche ausgelegt wird.” (S. 217)
  • “Mit der Einführung eigener Atomwaffen könnte ein einzelnes Flugzeug im einmaligen Einsatz auf ein bestimmtes Ziel eine Wirkung erzielen, zu deren Verwirklichung bis jetzt Hunderte und Tausende von Einsätzen durch eine Grosszahl von Maschinen geflogen werden mussten.” (S. 219)

Siehe auch:


Zum Seitenanfang