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Türkische Anti-Imperialisten in Kampagne für die Schliessung der NATO-Basis İncirlik

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Kampagne der Vatan Partei gegen die NATO-Basis Incirlik

Unsere Medien berichten regelmässig über Forderungen verschiedener politischer Kräfte in Deutschland nach Abzug der im Luftwaffenstützpunkt İncirlik stationierten deutschen Truppen. Solche Forderungen sind zumeist nicht von Motiven getragen, welche sich gegen die NATO-konforme deutsche Aussenpolitik richten würden, sondern werden im Sinne einer Massnahme zur Disziplinierung der Türkei vorgeschlagen, um eine “klare Kante” zu zeigen. Weniger Aufmerksamkeit widmen die hiesigen Medien dem Widerstand in der Türkei selbst gegen die ausländischen Stützpunkte im Land.

İncirlik

Der Militärflugplatz İncirlik im Südosten der Türkei wird seit 2015 von der US-geführten Koalition für ihre Operationen gegen Syrien benutzt. Auch Deutschland hat dort ein Fliegergeschwader von Tornados und mehrere hundert Mann in einem Einsatz, der offiziell der NATO-Überwachung des türkischen Luftraums (gegen angebliche Bedrohungen von Seiten Syriens und seiner Verbündeten) dienen soll; dies neben den im türkischen Konya basierten deutschen Awacs-Aufklärungsflugzeugen mit international gemischter, mehrheitlich deutscher Besatzung.

Die türkische Vatan Partei hatte im Jahre 2015 die AKP-Regierung vor der Überlassung der Luftwaffenbasis İncirlik an die NATO gewarnt und betrachtete diese Massnahme als Feindseligkeit gegen das syrische Volk und dessen legitime Regierung, Bedrohung des eigenen Landes und Verrat an der türkischen Nation. [1]

Und in der Tat, bereits beim Putschversuch vom vergangenen 15. Juli zeigte sich die Berechtigung dieser Warnungen: die NATO-Basis diente den Putschisten unter anderem zur Luftbetankung ihrer Flugzeuge. Ausserdem hatten die Putschisten ihre Leute in die Kommandostellen von İncirlik eingeschleust. Seither, und in Erfahrung und Würdigung der zunehmend türkeifeindlichen Stimmung der westlichen Presse in Kombination mit Regierungsentscheiden, welche aller unehrlichen Freundschaftsbeteuerungen zum Trotz offen feindselig sind, wächst in der Türkei die Opposition gegen NATO-Stützpunkte ganz allgemein und gegen İncirlik im besonderen.

Die in diesen Wochen von der Vatan Partei landesweit geführte Kampagne zur Schliessung von İncirlik (für die NATO) erfährt daher überall lebhaften Zuspruch. Die politische Interventionskraft der – aus einer ursprünglich maoistischen Arbeiterpartei hervorgegangenen – Vatan Partei in der Türkei kann wegen der Verzerrungen des türkischen Wahlsystems durch eine 10%-Hürde nicht anhand ihres (geringen) Wähleranteils eingefangen werden. Wie sehr die Autorität dieser Formation aber sowohl im fortschrittlichen (proletarischen, linkspatriotischen, anti-imperialistischen) Lager als auch von der Gegenseite anerkannt wird, widerspiegelt sich tausendfach in der türkischen und internationalen Politik. So etwa darin, dass die ehemalige US-Aussenministerin HIllary Clinton bei einem Besuch in Ankara von der türkischen Regierung ein Verbot der parteinahen Tageszeitung Aydınlık verlangte; oder auch in der Zusammensetzung der Schwarzen Liste des Juliputschs, einer Liste von 50 Personen, welche die Putschisten unmittelbar nach Gelingen ihres Vorhabens hinrichten wollten. Dort ist die Vatan Partei durch ihren Vorsitzenden Doğu Perinçek und weitere Genossen gut vertreten. [2]

USA rüsten kurdische Separatisten mit schwerem Kriegsgerät

Die Hoffnungen Ankaras, dass die USA unter Präsident Donald Trump einen türkeifreundlicheren Kurs einschlagen würde, haben sich bis dahin nicht erfüllt. In Sachen Auslieferungsbegehren der Türkei betreffend den in USA wohnhaften islamistischen Sektenführer Fethullah Gülen, um diesen führenden Putschisten wegen Hochverrats zur Verantwortung zu ziehen, gibt es keine Bewegung. Verschiedene europäische Länder, darunter Griechenland, Deutschland und Belgien, gewähren den Putschisten Schutz und Anerkennung als politische Flüchtlinge. Durch grosszügige Versprechen von Asylchancen sollen offensichtlich Hunderte von türkischen NATO-Offizieren und Diplomaten in NATO-Ländern dazu bewogen werden, sich als Verfolgte und Bedrohte auszugeben und ihrem Land den Rücken zu kehren. Diese Vorgänge bestätigen ein weiteres Mal, wie sehr das Umfeld des Juli-Putschs mit dem NATO-Flügel innerhalb des türkischen Sicherheitsapparates zusammenspannt und verwachsen ist, und dass die Hintermänner dieses Putschs und weiterer Operationen verschiedener Kräfte zur Destabilisierung der Türkei in letzter Instanz in den Schaltzentralen des atlantischen Imperiums zu suchen sind.

Kurz vor der jüngsten USA-Reise des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan hatte Washington die eigene Absicht angekündigt, die separatistischen Terrorgruppen der PKK/YPG mit schwerem Kriegsgerät auszurüsten; wie üblich verbunden mit leeren Worten der Zusicherung, das sich diese Waffen nur gegen die ISIS-Terroristen richten. Der in Syrien operierende Zweig der PKK, der hier unter den Abkürzungen YPG oder SDF auftritt, genoss bis anhin in Nordsyrien eine gewisse Narrenfreiheit, da die Regierung in Damaskus nicht in der Lage war, die Geltung der Verfassung in diesem Landesteil durchzusetzen. Dieser Zustand beginnt sich unter den Waffenerfolgen der syrischen Armee und ihrer Verbündeten zu ändern. Der “IS” ist territorial zusammengeschrumpft, und seine militärische Schlagkraft so weit reduziert, dass die nur aufgeschobene, nicht aufgehobene Frage der Wiederherstellung der rechtmässigen Ordnung im derzeit von Separatisten kontrollierten Gebiet an Aktualität gewinnt.

«Yankee go home» – sagen in der Türkei sogar einige Militärs

Die offene Unterstützung der USA für den ethnischen Separatismus der PKK wird alle Tendenzen zur Abwendung der Türkei vom NATO-Lager und Hinwendung zum eurasischen Raum beschleunigen und verstärken. Auch auf offizieller Ebene des Staates: es ist kein Zufall, dass Erdoğan seit Monaten höchst selten mit Ministern aus EU-Ländern zusammentrifft, während er in den vergangenen Monaten ein halbes Dutzend Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin abhielt und praktisch alle Staatsoberhäupter der Staaten der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit entweder kürzlich getroffen hat oder demnächst treffen wird.

Schon seit Jahren steht die Vatan Partei im Ruf einer anti-imperialistischen Arbeiterpartei, die eine Vorhut im Kampf der Türkei zur Verteidigung ihrer Souveränität und ihres Rechts auf Selbstbestimmung über die Zukunft des Landes ohne Rücksicht auf imperialistische Diktate bildet. Bei der Anbahnung der Normalisierung und Verbesserung der türkisch-russischen Beziehungen hat die Vatan Partei eine Schlüsselrolle gespielt. Eine wichtige diplomatische Rolle dürfte ihr auch im Hinblick auf die Entspannung des Verhältnisses mit Syrien zufallen, da sie sich als einzige türkische Partei auch in den Tagen der schärfsten Konflikte solidarisch mit dem syrischen Volk zeigte und in Damaskus ein und aus ging.

Der Einfluss der Vatan Partei macht auch vor der Armee nicht Halt: in patriotisch gesinnten Armeekreisen, die der kemalistischen Tradition der Türkischen Streitkräfte verbunden sind, findet man sehr ähnliche anti-imperialistische Positionen wie sie auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus von Perinçek und seinen Genossen vertreten werden, mit denen sie übrigens die Gefängniszellen teilten, als sich die Gülensekte auf dem Höhepunkt ihrer Macht befand und den von ihr kontrollierten Justizapparat gegen eine angebliche Verschwörung namens “Ergenekon” in Bewegung setzte, um Perinçek und seine Genossen der damaligen IP (İşçi Partisi, Arbeiterpartei) ebenso zu verfolgen wie die kemalistischen Offiziere, welche sich den verschiedenen imperialistischen Zumutungen widersetzten. Mittlerweile haben sich patriotische Armeeangehörige reihenweise der Vatan Partei angeschlossen, darunter ranghohe Offiziere.

Eine vom Türkischen Jugendbund (TGB, Türkiye Gençlik Birliği), einer der grössten türkischen Jugendorganisationen, an das Parlament in Ankara adressierte Petition, welche die Schliessung der US-Stützpunkte, die Verjagung der Imperialisten aus dem Land und die Rückeroberung der nationalen Unabhängigkeit als einzigen Weg zur Wiederherstellung des Friedens in der Region definiert, wurde auch von prominenten Uniformträgern unterschrieben, so von Soner Polat, pens. Admiral der türkischen Flotte und Vizepräsident der Vatan Partei. [3]

(mh/19.05.2017)

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1 The AKP Government opens the Incirlik Airbase to the USA! (Vatan Partisi, 14.07.2015).

2 Schwarze Liste der türkischen Putschisten entdeckt: 50 Todesurteile vorgesehen (19.11.2016).

3 Yankee go home: a dirlo persino alcuni militari turchi stanchi delle ingerenze americane (sinistra.ch, 18. Mai).


Siehe auch:


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