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Frankreich: Millionen im Streik

Junge Welt (Christian Giacomuzzi, Paris): Der von Frankreichs Gewerkschaften angekündigte Protesttag wurde zum Generalstreik: Millionen Beschäftigte legten am Donnerstag die Arbeit nieder und beteiligten sich an Demonstrationen und Kundgebungen in etwa hundert Städten. Erstmals seit Amtsantritt von Nicolas Sarkozy als Präsident der Republik im Mai 2007 gelang es der Arbeiterbewegung, Streiks in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Sektors zu organisieren. Dazu aufgerufen hatten in seltener Einmütigkeit alle acht groÖen Gewerkschaften. Ihr erklärtes Ziel, das Land zu »blockieren, um uns im Kampf gegen die Krisenlasten Gehör zu verschaffen«, erreichten sie weitgehend.

DaÖ es nicht gelang, den Zugverkehr frankreichweit lahmzulegen, dafür hatte Sarkozy mit einer im vergangenen Jahr ins Arbeitsrecht eingeführten Zwangsverpflichtung eines Teils der Belegschaft bei Streik selbst gesorgt: So fuhr zumindest im Pariser Nahverkehr jeder zweite Zug. In Marseille, dessen Arbeiterschaft als besonders kämpferisch bekannt ist, drehte sich dagegen kein Rad mehr. Bei den Autokonzernen Re­nault und Peugeot standen die Laufbänder still. Im ganzen Land blieben die meisten Banken, Behörden, Schulen, Universitäten, Postämter geschlossen. France Télécom wurde ebenso bestreikt wie der Stromkonzern EDF. Die öffentlich-rechtlichen »France Television« und »Radio France« sendeten Konserven.

»Kampf für Beschäftigung und Kaufkraft« lautete das Motto des Ausstands, und allein in der Hauptstadt demonstrierten am Nachmittag nach Angaben der Veranstalter eine Million Menschen gegen das von Sarkozy diktierte »Konjunkturpaket«, das im wesentlichen aus zuvorkommenden Staatshilfen für Banken besteht. »Es ist ein soziales Ereignis von groÖer Bedeutung, nicht eine vorübergehende Erscheinung«, kommentierte der Generalsekretär der kommunistischen Gewerkschaft CGT, Bernard Thibault, den Generalstreik. Die Regierung müsse endlich die Einkommen aus Arbeit »neu bewerten«, meinte er und forderte zugleich eine Anhebung der Mindestlöhne auf 1600 Euro. »Es handelt sich um die grössten Arbeitnehmerproteste seit 20 Jahren in Frankreich«, betonte François Chérèque, Chef der sozialistischen CFDT, während Jean-Claude Mailly von »Force Ouvrière« es als »unverantwortlich« bezeichnete, wenn die Regierung auf den Protest nicht mit MaÖnahmen reagieren würde.

Weite Teile der Bevölkerung sehen in Sarkozy den Verantwortlichen für das Krisenmanagement im Interesse der Banken und Autokonzerne, das zu einem rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt habe. So wuchs von November bis Dezember die Zahl der Erwerbslosen um 64000 – das ist die höchste Zunahme in der Geschichte der Fünften Republik. 30000 Stellen sollen 2009 im öffentlichen Dienst gestrichen werden.

Sarkozy selbst schien den »Tag der Wut« durchaus ernst zu nehmen: Er sagte eine Afrika-Reise kurzfristig ab, um durch Anwesenheit ein Interesse an den Forderungen vorzugeben. Bei Ausständen in der Vergangenheit hatte er noch gehöhnt: »Es wird gestreikt, und keiner merkt etwas!« Diesmal warnte sein Berater für Soziales und Arbeit, Rayond Soubie, vor einer »grösseren sozialen Krise«. Und sein Chef erklärte, er nehme die Sorgen der Menschen ernst. Die Gewerkschaften fordern nun Gespräche mit dem Präsidenten.

Übernommen von: jungewelt.de (30.01.2009)

 

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